Oberhausen / Mülheim. Erstmals seit 24 Jahren ist eine Produktion des Theaters Oberhausen eingeladen zu den Mülheimer Theatertagen: Aktuell auf der Studio-Bühne.

Der Stolz auf diese seltene Ehre dringt quasi aus jeder Zeile der Pressemitteilung des Theaters Oberhausen: Zum ersten Mal seit 24 Jahren ist wieder eine Uraufführung aus dem 104-Jahre alten Haus für den Dramatikpreis der Mülheimer Theatertage nominiert. Konkret gilt die Auszeichnung der Dramatikerin Felicia Zeller und ihrem Bühnentext „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“. Regie führte Eike Weinreich, der seine Karriere als Schauspieler am Theater Oberhausen während der Intendanz von Peter Carp begonnen hatte - und sich hier mit dem satirischen Film „Unruhezeiten“ über das Schauspielhaus in einer verarmten Stadt verabschiedet hatte.

Der nominierte Text basiert auf Interviews, die Felicia Zeller gemeinsam mit der Dramaturgin Anne Verena Freybott und Eike Weinreich im Oberhausener Frauenhaus führte. Sie sprachen mit Bewohnerinnen, Verantwortlichen vom Verein „Frauen helfen Frauen“ und Opferschützerinnen der Polizei. Den vielschichtigen Erfahrungen der Frauen, die sich aus häuslicher Gewalt befreien konnten, gibt die Autorin im nominierten Text mit einer höchst eigenen Kunstsprache eine kraftvolle, poetische Stimme. Zu Wort kommen immer wieder auch helfende Stimmen, wie die einer Ärztin. „Die Reaktion auf häusliche Gewalt kennt viele Formen“, schrieb WAZ-Kritikerin Elisabeth Höving nach der Premiere. „Da ist die Frau, die lieber schweigt und die blauen Flecken überschminkt, eine andere sucht die Schuld allein bei sich selbst.“

In einem streng reduzierten, „skelettierten“ Bühnenraum von Franziska Isensee entfaltet sich das Drama im „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“.
In einem streng reduzierten, „skelettierten“ Bühnenraum von Franziska Isensee entfaltet sich das Drama im „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“. © Theater Oberhausen | Axel J. Scherer

„Diese Produktion liegt uns ganz besonders am Herzen“, sagt Oberhausens Intendantin Kathrin Mädler. Nicht nur habe Felicia Zeller „einen ebenso einfühlsamen, wie schmerzhaften und zugleich grotesk-komischen Text geschrieben“. Es sei mit dieser Studio-Produktion auch gelungen, den Blick „auf ein massives gesellschaftliches Problem zu lenken, das strukturell viel zu wenig Aufmerksamkeit erfährt: häusliche Gewalt an Frauen“. Die Einladung nach Mülheim rücke nun jene Frauen ins Licht, die ihre Geschichten Felicia Zeller anvertraut haben.

Wir empfinden dies als Auszeichnung unserer Arbeit an einem zeitgenössischen Theaterverständnis.
Kathrin Mädler, - Intendantin des Theaters Oberhausen

Zuletzt war das Theater Oberhausen vor 24 Jahren, also während der Erfolgsintendanz von Klaus Weise, mit einer eigenen Inszenierung zu dem renommierten deutschen Stückewettbewerb eingeladen worden. Seine Nachfolgerin Kathrin Mädler: „Wir empfinden dies als Auszeichnung unserer gemeinsamen Arbeit an einem zeitgenössischen Theaterverständnis.“

Einer der bildgewaltigen Mitbewerber um den Mülheimer Dramatikpreis: „Baracke“ von Rainald Goetz in der Produktion des Deutschen Theaters Berlin.
Einer der bildgewaltigen Mitbewerber um den Mülheimer Dramatikpreis: „Baracke“ von Rainald Goetz in der Produktion des Deutschen Theaters Berlin. © Deutsches Theater Berlin | Thomas Aurin

Die Nachbarstadt Mülheim ist vom 4. bis 25. Mai Gastgeberin der 49. Theatertage. Alle Aufführungstermine werden online auf stuecke.de veröffentlicht. Der Vorverkauf für die eingeladenen Produktionen ist jetzt mit Bekanntgabe der Nominierungen gestartet. Die Auswahljury der 2024er Theatertage besteht aus den Feuilletonisten Christine Dössel (Süddeutsche Zeitung), Wolfgang Kralicek (Falter, Süddeutsche Zeitung), Stephan Reuter (Basler Zeitung), Christine Wahl (nachtkritik.de, Tagesspiegel) und Franz Wille (Theater heute).

Unter den sieben nominierten Autorinnen und Autoren wird der mit 15.000 Euro dotierte Mülheimer Dramatikpreis vergeben. Eine zweite Jury vergibt den mit 15.000 Euro dotierten Kinderstückepreis. Felicia Zellers „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“ ist in Mülheim am 5. und 6. Mai zu sehen - doch so lange müssen Schauspielfans nicht warten. Denn im Theater Oberhausen steht Eike Weinreichs Inszenierung bereits wieder am Donnerstag, 21. März, auf dem Spielplan. Weitere Termine sind geplant.