Oberhausen. Das Café gilt als Herz des Ortsteils, jetzt könnte es aufhören zu schlagen: Die Inhaberin hört Ende März auf. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

Der „Klosterladen Sterkrade“ gehört zu den Cafés in Oberhausen, von denen man gerne sagt: „Das gab es schon immer.“ Fest steht jedenfalls, es ist seit Jahrzehnten ein zentraler Treffpunkt für Jung und Alt. Für viele inzwischen sogar ein Stück „zu Hause“, weil sie mit diesem Ort groß geworden sind. Doch damit könnte bald Schluss sein. Denn Inhaberin Melanie Plöger schließt Ende März 2024 endgültig die Türen. Sie sagt: „Ich kann nicht mehr.“ Was ist passiert?

2021 hatte sich die damalige langjährige Inhaberin Renate de Witt in den Ruhestand verabschiedet. Für Melanie Plöger stand gleich fest: „Der Klosterladen muss erhalten bleiben.“ Ein Nachfolger aber ließ sich nicht blicken, also sprang die Oberhausenerin selbst ein. „Ich dachte, so schwer kann das doch wohl nicht sein.“ Eine Fehleinschätzung?

Melanie Plöger in ihrem Sterkrader Klosterladen in Oberhausen.
Melanie Plöger in ihrem Sterkrader Klosterladen in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die 56-Jährige lächelt. Bis dahin war sie als Gehaltsbuchhalterin tätig gewesen, hatte einst Industriekauffrau gelernt. Mit Zahlen kannte sie sich also aus. Dennoch ahnte sie natürlich nicht, worauf sie sich tatsächlich einließ. Spontane Entscheidungen sind eigentlich nicht ihr Ding. Aber sie hatte sich verändert, damals auf dem Jakobsweg. Der war es letztlich, der sie zum Klosterladen führen sollte. Ihrer Schwester zuliebe hatte sie sich mit 500 Menschen aus dem Bistum Essen auf diesen Pilgerweg begeben, der ihr Leben durchrüttelte. „Jakobsweg und Klosterladen – das eine wäre ohne das andere für mich nicht denkbar gewesen.“

Vom Jakobsweg in Spanien direkt in den Klosterladen in Oberhausen-Sterkrade

Die Oberhausenerin erinnert sich noch gut an ihren ersten Wandertag. Ruhig hätten sie es angehen lassen. Die Sonne genossen, sich das kleine spanische Städtchen angesehen, noch ein Glas Wein genossen. Es ging ja nur um die letzten 130 Kilometer bis zum Wallfahrtsort Santiago de Compostella, die sie zu Fuß bewältigen wollten. „Unser Gepäck wurde zur jeweiligen Unterkunft gebracht, wir hatten nur unsere kleinen Rucksäcke dabei und schlenderten gemütlich los.“ Auf dem Weg lagen so viele herrliche Ausblicke, kleine Kapellen – also nahmen sie sich Zeit für eine Rast, ein Staunen. 23 Kilometer war diese erste Etappe lang. „Wir waren bereits Stunden unterwegs, als ich meine Schwester fragte, wie weit es denn noch sei.“ Die Antwort, die dann kam, schockierte sie: „Wir hatten erst fünf Kilometer geschafft!“ Das war der Wendepunkt.

Noch lädt der Sterkrader Klosterladen zum Stöbern ein. Doch schon Ende März schließen sich hier die Türen.
Noch lädt der Sterkrader Klosterladen zum Stöbern ein. Doch schon Ende März schließen sich hier die Türen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

„Von da an marschierte ich nur noch, sah nicht mehr links oder rechts, legte keine Rast mehr ein.“ Über allem die Gedanken: „Das schaffen wir nie! Wir müssen das schaffen!“ Jeden Tag blieb das so, bis die Schwester mit blutigen Blasen nicht mehr weiter konnte. „Wir organisierten ein Fahrrad, ich lief alleine auf dem Fußweg weiter und heulte.“ Doch ihre Schwester folgte ihr holpernd mit dem Rad auf dem Fußweg nach, gemeinsam meisterten sie Stock und Stein. „Keine Zeit!“ blieb dabei ihr Motto.

Erkenntnis auf dem Jakobsweg

Erschöpft erreichten die beiden Santiago de Compostella und plötzlich erkannte Melanie Plöger: „Genauso wie dieser Weg verlief bislang mein ganzes Leben, ich wollte das nicht mehr!“ Im Wallfahrtsort kehrten die Schwestern in der Markthalle ein. „Unzählige Menschen saßen darin an langen Tischen, niemand kannte sich, doch alle unterhielten sich, mal auf Spanisch, auf Deutsch, Englisch, Französisch – und alle aßen, manche teilten ihre Mahlzeiten miteinander.“ So viel Lachen, so viel Gemeinschaft, so viel Zeit. Melanie Plöger erkannte: „Das will ich!“ Als sie nach Oberhausen zurückkehrte, hörte sie, dass der Klosterladen zu haben ist. Sie griff zu und gestaltete den Laden erst einmal um. Wer heute durch diese Tür kommt, sieht sofort: Dieses Café ist anders.

Lange Holztische und gemütliche Sitze und Bänke laden zum Verweilen ein. Bücher, Postkarten und Kalender dürfen durchblättert, können aber auch erworben werden. Ein Rastplatz, der Ruhe ausstrahlt. Bilder vom Jakobsweg hängen an den Wänden. Die Tische sind besetzt, obwohl die Öffnungszeit des Cafés doch eigentlich schon vorbei ist? „Das ist oft bei uns so“, erzählt Melanie Plöger mit strahlenden Augen.

Aus vielen Gästen wurden Freunde. Den Aufschnitt für das beliebte Frühstück liefert der benachbarte Metzger, den Käse der Holländer vom Markt. Jeder Gast darf sich aussuchen, was er essen möchte. Ein Ei oder zwei, Marmelade oder nur Käse? „Kein Problem.“ Auch der Mittagstisch ist begehrt, vor allem der Flammkuchen aus dem eigenen Pizzaofen. Dazu vielleicht ein Glas Wein oder ein kleiner Sektempfang zum Geburtstag? „Natürlich machten wir auch das immer möglich.“ 900 Euro kostete sie die dafür benötige Schanklizenz.

Die Gäste danken es ihr bis heute. Sie kamen in der Corona-Zeit, sie hielten ihr die Treue, als die Energiekosten stiegen und Lebensmittelpreise in die Höhe schossen. Wirtschaftliche Gründe gibt es für ihre Ladenschließung nicht, betont Melanie Plöger. Stolz sei sie vor allem auf die gute Zusammenarbeit mit ihren Zulieferern, ihrem Team und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt. „Ich habe so viel Hilfe und Unterstützung erhalten.“ Aber weshalb gibt sie dann auf?

Die Kinder sollen endlich wieder ihre eigenen Wege gehen können

„Sechs Tage Arbeit ohne Pause, lange Abende, an denen ich unendlich müde, aber trotzdem glücklich ins Bett falle, das ist auf lange Sicht ein Pensum, das ich alleine nicht mehr schaffe.“ Die Einkäufe fürs Café – bevor der eigentliche Arbeitstag beginnt – gehören dazu, die Buchhaltung nach Feierabend. Auch die Reinigung des Ladens übernimmt Melanie Plöger noch immer selbst. Inzwischen läuft zwar alles gut, aber natürlich hatte auch ihr die Pandemie zunächst Einbußen beschert.

Ihr Sohn ist bis heute ihre größte Stütze. „Julian ist hier fast ständig im Einsatz, dabei studiert er doch eigentlich Agrarwissenschaften.“ Beides zusammen aber funktioniere einfach nicht. „Er soll endlich seinen eigenen Weg gehen können.“ Auch Tochter Anne hilft regelmäßig an den Wochenenden. „Obwohl sie selbst berufstätig ist und natürlich lieber mal frei hätte.“ Zwei Schülerinnen springen außerdem ein und eine Kellnerin von der Lebenshilfe, die längst von allen geliebt und geschätzt wird. „Unser Laden läuft rund, kostet uns aber viel Kraft.“ Als dann auch noch ein privater Schicksalsschlag dazu kam, musste sich Melanie Plöger eingestehen: „So geht es nicht weiter!“

Mit dem Klosterladen selbst aber soll es unbedingt weitergehen. Das ist der Oberhausenerin für ihre liebgewonnenen Kunden sehr wichtig. Alle habe die Nachricht von der Schließung geradezu umgehauen. „Dann brauche ich gar nicht mehr in die Stadt zu gehen!“, sagt etwa auch Frau Trautes (83), die ihren Vornamen nicht nennen möchte. Für sie und unzählige andere Gäste ist der Klosterladen längst zu einem zweiten Zuhause geworden. „Der muss erhalten bleiben“, meint auch Melanie Plöger. Sie hofft, dass sich jetzt vielleicht doch noch ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin finden lässt. Wer Interesse hat, kann sich unter der Rufnummer 0208 6358855 direkt an sie wenden.

Auch für örtliche Veranstaltungen wurde der Klosterladen in Oberhausen-Sterkrade gerne genutzt. Hier ein Bild vom Debattierclub des Katholikenrates Oberhausen mit Moderator Thomas Gäng, WAZ-Redaktionsleiter Peter Szymaniak und dem früheren Redaktionsleiter des Wochenanzeigers, Jörg Vorholt, am Freitag, 12.  Januar 2024.
Auch für örtliche Veranstaltungen wurde der Klosterladen in Oberhausen-Sterkrade gerne genutzt. Hier ein Bild vom Debattierclub des Katholikenrates Oberhausen mit Moderator Thomas Gäng, WAZ-Redaktionsleiter Peter Szymaniak und dem früheren Redaktionsleiter des Wochenanzeigers, Jörg Vorholt, am Freitag, 12.  Januar 2024. © Gers Hülsmann

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