„Nazis sind scheiße“: Zwölfjährige erlebt ihre erste Demo
•
Lesezeit: 7 Minuten
Oberhausen. Rund 5000 Menschen haben in Oberhausen gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit protestiert. Redner fanden deutliche und mutige Worte.
Rund 5000 Menschen haben am Mittwochabend in Oberhausen ein beeindruckendes Zeichen gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit gesetzt. Auf dem Friedensplatz machten sie deutlich, dass sie hinter dem Motto der vom Oberhausener Bündnis für Toleranz und Demokratie organisierten Kundgebung stehen: „Oberhausen steht auf! Gegen die AfD – Nie wieder ist jetzt“. Sowohl auf dem Podium als auch in der Menge fanden die Menschen deutliche Worte.
„Rechtes Gedankengut ist ein Verbrechen“, rief Michael Schneider, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Oberhausen, den 5000 Menschen entgegen. „Vielfalt ist unsere Identität. Vielfalt ist unser Leben!“ Die AfD stehe für nichts anderes als „Abgrund für Deutschland“. Er machte aber auch deutlich: Die Demonstrationen, die seit rund zwei Wochen hunderttausende Menschen in ganz Deutschland auf die Straßen ziehen, dürfen nur der Anfang sein. „Wir müssen Haltung zeigen, das ist das Gebot der Stunde. Steht auf! Seid laut!“
Die AfD wird nicht einfach wieder verschwinden, sie ist mitten unter uns.
Nagihan Erdaş - Vorsitzende des Integrationsrates Oberhausen
Das machte auch Nagihan Erdaş, Vorsitzende des Oberhausener Integrationsrates, auf der Bühne deutlich. Leidenschaftlich und emotional sprach sie zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kundgebung. „Was nicht mehr geht, ist zu sagen: ,Wir haben verstanden, jetzt werden wir handeln.‘ Viel zu oft ist dies gesagt worden, zu selten ist gehandelt worden!“ Die AfD werde nicht einfach wieder verschwinden, wie mancher vielleicht immer noch meint. „Sie ist mitten unter uns.“
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und
wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste
übermittelt werden. Mehr dazu in unserer
Datenschutzerklärung
Die AfD habe sich in den letzten Jahren immer mehr radikalisiert, „ist offen und deutlich noch extremer geworden und verbündet sich mit faschistischen Gruppen, Reichsbürgern, NPD-Anhängern und gewaltbereiten Rassisten“, sagte Erdaş. „Spätestens jetzt müssen wir feststellen, dass es der AfD um einen anderen Staat, um eine andere Gesellschaft geht. Rassistische, antisemitische Parolen bilden den inhaltlichen Kern dieser Partei: Er besteht aus Hass, Hetze und Menschenverachtung.“ Man dürfe deshalb die Wähler der AfD nicht als „Protest- oder Wutwähler“ bezeichnen, dies sei eine Verharmlosung. „Wir sollten die Wähler wie auch die Funktionäre sehr ernst nehmen, und das bedeutet, sie politisch und rechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Mit ihrer Stimme unterstützen sie Demagogen und Demokratiefeinde.“
„Wenn Vertreter unseres demokratischen Staates bedroht, beleidigt und angegriffen werden, wenn die freie Presse als ,Lügenpresse‘ diffamiert wird und Journalisten eingeschüchtert werden, ist die rote Linie überschritten“, rief Nagihan Erdaş immer lauter, um den Applaus noch zu übertönen. Die Demokratie müsse jetzt beweisen, dass sie wehrhaft ist.
Sie alle gehören zu uns, haben die gleichen Rechte, die gleiche Würde.
Mauno Gerritzen - Sprecher der AG Wohlfahrtspflege Oberhausen
Vor gut zwei Wochen hatte das Essener Recherche-Netzwerk „Correctiv“ ein Geheimtreffen mit hochrangigen AfD-Vertretern, bekannten Rechtsextremen, Mitgliedern der Werteunion und Unternehmern im November 2023 aufgedeckt. Diese debattierten dort einen Plan zur „Remigration“, zur Abschiebung mehrerer Millionen Zuwanderer auch mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Vertreibungsidee löste eine anhaltende Welle der Empörung aus. Auch bei Mauno Gerritzen, der für die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtspflege in Oberhausen sprach. Er machte deutlich, wie viele Menschen in unserem direkten Umfeld von den „abscheulichen Gedanken und Ideologien der Demokratiefeinde“ betroffen sind. „Arme Menschen, Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen aus der queeren Szene und viele mehr. Sie alle gehören zu uns, haben die gleichen Rechte, die gleiche Würde.“
Die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht es im Grundgesetz. Gerritzen: „Ich kann und will mir nicht vorstellen, in einem Land zu leben, in dem dieser Grundsatz in Frage gestellt wird. In dem Schicksal darüber entscheidet, ob ich als wertvoll für die Gesellschaft angesehen werde oder nicht.“ Immer mehr Menschen scheuen sich nach seiner Wahrnehmung nicht mehr, „ihre rechtsradikalen und rechtsextremen Gedanken offen zu äußern und diesen auch Taten folgen zu lassen“. Es sei an der Zeit, dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben. „Es ist an der Zeit, dass Nächstenliebe und Menschlichkeit wieder unser Miteinander prägen!“
Es ist kalt in Deutschland, wenn wir um die Freiheit und die Demokratie fürchten müssen.
Thomas Gäng - Vorsitzender des Oberhausener Katholikenrats
Sachlich, aber nicht weniger deutlich, argumentierte Thomas Gäng auf der Bühne. Der Vorsitzende des Oberhausener Katholikenrats machte deutlich, warum die AfD unwählbar sei. „Es ist kalt in Deutschland, wenn wir um die Freiheit und die Demokratie in unserem Land fürchten müssen.“
„Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren“, machte bereits Oberbürgermeister Daniel Schranz als erster Redner des Abends deutlich. „Oberhausen steht auf gegen Rechtsextremismus, gegen Spaltung, für Toleranz.“ Mit starker Stimme strahlte er Standhaftigkeit und Entschlossenheit aus, Kompromisslosigkeit bei Fragen der Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde. Entschlossen war auch die Reaktion der 5000 Zuhörerinnen und Zuhörer: Lauter Applaus für Schranz.
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und
wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste
übermittelt werden. Mehr dazu in unserer
Datenschutzerklärung
Beeindruckend: Vielen der 5000 friedlich protestierenden Menschen merkte man an, keine regelmäßigen Demo-Gänger zu sein. „Aber irgendwann reicht es“, erklärte Lothar Gores, warum er nach weit mehr als 30 Jahren, damals lief er bei den Ostermärschen mit, wieder auf die Straße ging. Es sei wieder an der Zeit, Flagge zu zeigen.
Fotos von der Oberhausener Demo gegen Rechtsextremismus
1/26
Für die zwölfjährige Mathilda war es die erste Protest-Aktion. Warum sie mit ihrer Mutter zum Friedensplatz gekommen ist? „Weil Nazis scheiße sind“, sagt sie. Mutter Marion runzelt kurz die Stirn, findet die Wortwahl ihrer Tochter dann aber doch angemessen. Sie selbst sei da, „um unsere demokratischen Werte zu verteidigen.“
„Haben Sie Kinder?“, antwortete eine andere Teilnehmerin auf die Frage nach den Gründen, warum sie heute an der Kundgebung teilnimmt. „Möchten Sie, dass Ihre Kinder in Frieden und Freiheit aufwachsen? Dann erübrigt sich die Frage.“ Auch sie will ihren Namen nicht nennen, nicht öffentlich in Erscheinung treten – wie mehrere andere Demonstranten, die wir befragen. Peter S. erklärt die Ursache dafür: „Ich traue den Rechten mittlerweile alles zu.“ Wenn die AfD trotz der Correctiv-Berichte bei künftigen Wahlen noch zweistellige Ergebnisse einfährt, „dann schäme ich mich für mein Land“.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.