Oberhausen. Die Ludwiggalerie hat nicht nur für ihr aktuelles Jubiläumsjahr große Pläne. Ein Interview mit Direktorin Christine Vogt.
25 Jahre Ludwiggalerie Schloss Oberhausen = 72 knallbunte Plakate, die im obersten Ausstellungssaal dicht an dicht um Aufmerksamkeit konkurrieren. Im Interview mit Direktorin Dr. Christine Vogt geht es also um eine stolze Leistungsbilanz – aber auch um erwartungsvolle Ausblicke.
Im letzten Jahr hatten Sie drei Reprisen der durch Lockdowns verkürzten Ausstellungen: mit Linda McCartney, Otfried Preußler und der Ausstellung des Stadtarchivs zum Strukturwandel. Haben sich die Wiederholungen gelohnt?
Christine Vogt: Es war nicht so besucht wie erhofft – dabei war gerade die Linda McCartney-Ausstellung vor dem Lockdown überaus erfolgreich. Und mit Otfried Preußler wollten wir die Kinder und Klassenverbände zurückholen. Jede Ausstellung bedeutet sehr viel Arbeit; der Aufwand sollte sich auch lohnen.
Findet das Publikum zurück oder gab es anhaltende Einbrüche der Besucherzahlen?
Es ist noch nicht wie vor Corona. Aber ich jammere auf hohem Niveau; meine Kollegen würden zu 12.000 Besuchern bei Barbara Klemms „Schwarz-Weiß ist Farbe genug“ gratulieren. Vielleicht sind meine Ansprüche zu hoch, obwohl ich es auch an mir selbst merke: Wir gehen gerne ins Theater und in Ausstellungen – aber wir waren vor Corona aktiver.
Christine Vogt: „Alle Museen kennen Ludwig“
Welchen Anteil haben denn die Eintrittsgelder an Ihrem Jahresbudget?
Vor Corona kalkulierten wir mit 48.000 Besuchern im Jahr – und mit durchschnittlich 4 Euro Eintritt: Das sind schon gute Einnahmen. Wichtig ist für uns auch der Museumsshop mit 200.000 Euro Jahresumsatz. Und der Freundeskreis der Ludwiggalerie ist eine große Unterstützung. Wir finden für unsere Wunschlisten immer gute Patenschaften.
Wie verhalten sich die Leihgeber gegenüber der Ludwiggalerie? Sind sie zurückhaltender geworden?
Nein, bei Comics und Buchillustration sind Ausleihen gar kein Problem – auch nicht bei Fotografie. Große internationale Ausleihen aber laufen nur über den Verbund der Ludwig-Museen. Beim Prinzip „Gibst du mir, geb ich dir“ könnten wir als Ausstellungshaus ohne große eigene Sammlung sonst nicht mithalten. Nicht alle kennen Oberhausen – aber alle Museen kennen Ludwig.
Wie ist die bisherige Resonanz auf das spezielle Thema Rokoko-Porzellan aus dem Bamberger Ludwig-Museum?
Ich find’s super! Wir zeigen immer wieder gerne Dinge, die im Ruhrgebiet nicht vertreten sind. Wer zu „It’s a Passion!“ kommt, ist total angetan. Den Einstieg ermöglichen für viele die großen Detailfotos von Thomas Wolf. Sie liefern den Aha-Effekt; man ist fasziniert. Wenn ich selber durch die Ausstellung führe, merke ich, wie Besucher einen Einstieg über den Humor von Figuren wie dem Quacksalber finden.
Welche Zutaten braucht es, um Besucher zu begeistern?
Die Qualität muss stimmen – und der große Name zieht, das ist so. Wir haben durch unsere Schwerpunktthemen ganz unterschiedliche Zielgruppen: Die Schnittmenge von Comic- und Fotografie-Fans ist eher klein. Und unser Fachsegment mit den Kabinettsausstellungen zu alter Kunst strahlen bundesweit aus.
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Und welches Rezept braucht’s bei den jüngsten Besuchern?
Wenn unsere tollen Pädagoginnen die Kinder unter ihre Fittiche nehmen, ist das Thema egal. Die Aura des Originals überträgt sich auf die Kinder noch stärker als auf Erwachsene.
Die Museumspädagogik hatte es während der Pandemie besonders schwer . . .
. . . Es war grauenhaft.
Konnte sie wieder Fuß fassen?
Für „It’s a Passion!“ sind ganze Schultage gebucht. Die Schulen scheinen jetzt stärker zu bündeln und veranstalten klassenübergreifend außerschulische Thementage. Dann brummt hier das Haus und dafür haben wir einen guten Stamm an sehr engagierten Honorarkräften.
Wie steht es mit dem Umzug der Artothek? Ist es noch Zukunftsmusik?
Wir werden ins Europahaus umziehen und wollen es bis Ende des Jahres schaffen. Gemeinsam mit der Galerie KiR und der Lichtburg werten wir damit die untere Elsässer Straße auf. Das Schloss Oberhausen ist selbstverständlich der schönste Ort der Stadt. Aber mit der Artothek ist die Ludwiggalerie dann in der Stadt – ein Fenster für uns. Sie wird auch mehr geöffnet sein als jetzt (bislang einmal im Monat) und es soll Ateliers geben. Ursula Bendorf-Depenbrock ist da bestens vernetzt.
Christine Vogt: „Wir haben zwar ein ganzes Schloss, aber ständig Platz-Probleme“
Hätten Sie schon eine neue Verwendung für die Artothek-Räume?
Wir haben zwar ein ganzes Schloss, aber ständig Platz-Probleme, zu wenig Depotflächen. Den unteren Raum brauchen wir als Treffpunkt und Aktionsraum wie bei „Museum under Construction“; das Obergeschoss als Depot.
Gibt es eigentlich Anfragen anderer Museen nach Ihren großen Beständen aus den Nachlässen von Rudolf Holtappel und Walter „Kuro“ Kurowski?
Holtappel-Fotos werden öfter ausgeliehen. Wir sind ja sonst nur Ausstellungshaus – auch Kuros Karikaturen stellen wir gerne zur Verfügung. Mit den Katalogen, die wir aufgelegt haben, sind beide Oeuvres jetzt greifbarer. Und wir weisen andere Häuser gerne auf unseren Gerhard Richter hin (das Gemälde „Mutter und Tochter“ von 1965).
Ihr Haus hat sich ja große Anerkennung in der Foto-Szene erworben . . .
. . . es ist schon eine Adelung, jetzt Mitglied zu sein in der Deutschen Gesellschaft für Photografie.
. . . und beim Comic-Salon Erlangen sind Sie selbst Jurorin. Aber welches ist Ihr bevorzugtes Kunst-Metier?
Es ist schon die alte Kunst, aber ich fühle mich auch beschenkt, mit Fotokünstlern wie Herlinde Koelbl und Jim Rakete zusammen zu arbeiten. Super faszinierend ist es auch, bald wieder in das Zamonische Fantasy-Reich von Walter Moers einzutauchen. Die Jury für den Max-und-Moritz-Preis bedeutet kistenweise Arbeit. Viele denken bei Comics ja immer noch an „Micky Maus“-Heftchen und nicht an gewichtige Graphic Novels.
Comics sind ja gar nicht so leicht attraktiv auszustellen – zumal, wenn sie am PC entstanden sind. Was ist noch Original bei digitaler Kunst?
Da finden sich Lösungen – wie schon mit der Druckgrafik zu Dürers Zeiten. Die Fragen sind: Wie stellen wir Tablet-Kunst aus? Welches ist für Ausdrucke die richtige Größe? Wenn wir Comic-Zeichner in ihren Ateliers besuchen – und lange genug auf sie einreden – finden wir auch interessante Vorzeichnungen, original auf Papier.
Christine Vogt: Kunst-Attacken „haben nichts mit Kunst zu tun!“
Sie erwähnten das Richter-Gemälde, das kostbarste Werk im städtischen Kunstbestand: Machen Sie sich Sorgen angesichts der rabiaten Klimaaktionisten? Gibt es bei den Jüngeren eine verächtliche Einstellung gegenüber Kunst?
Nein, das hat mit Kunst nichts zu tun! Es geht allein darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Übrigens wurde mal eine Zoom-Nachbesprechung jener „Last Generation“-Gruppe veröffentlicht, die im Herbst in Potsdam ein Monet-Gemälde mit Kartoffelbrei angegriffen hatte. Eine Aktivistin schwärmte regelrecht: „Das Barberini ist ein ganz tolles Museum, das müsst ihr euch ansehen!“ Deshalb ist meine Sorge gering.
Gibt es auch mal wieder die „stille Disco“, also einen Sound-Walk mit Musik per Kopfhörer wie bei der British Pop Art und Linda McCartneys Fotos?
Der Rahmen muss passen. Zu „It’s a Passion“ hätten wir nur barocke Rondos spielen können. Aber im nächsten Jahr zeigen wir „Hipgnosis“, die Grafikdesign-Agentur, die mit ihren Arbeiten für Pink Floyd berühmt wurde. Dann bietet es sich an, danke für den Hinweis.
Zum Jubiläumsfest tischt die Ludwiggalerie ganz groß auf
Ihr 25-Jähriges feiert die Ludwiggalerie am Sonntag, 3. September, mit einem großen Museumsfest rund ums Schloss Oberhausen. Eintritt frei! Ein „kulinarisches“ Highlight verspricht das „lebendige Tischstillleben“: Mit Leckereien will Franz-Josef Kochs eine überbordende Festtafel des 16. Jahrhunderts zum Leben erwecken.
Christine Vogt moderiert eine hochkarätige Diskussionsrunde zu 25 Jahren Ludwiggalerie „und wie alles begann“ mit Alt-OB Burkhard Drescher und Jeanette Schmitz, heute Gasometer-Chefin und zuvor Geschäftsführerin der Schloss Oberhausen GmbH, sowie Walter Quein von der Peter und Irene Ludwig Stiftung, Aachen, und Bernhard Mensch, ehemaliger Direktor der Ludwiggalerie.
Die als „amouröse Stadtschreiberin“ bekannte Marie-Luise O’Byrne-Brandl zeigt ihre Performance „Nötige Fabeltiere in Not“. Und als Appetizer für die Michael Ende-Ausstellung sprudelt eine Lesung aus „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“.