Oberhausen. Schöne neue Arbeitswelt: Zwei junge Frauen starten in Oberhausen mit dem Konzept „Coworking-Place“. Welche Mieter sie sich wünschen.
„Der wahrscheinlich schönste Arbeitsplatz im Ruhrgebiet“, so bewerben Friederike und Joana Eichelberg ihr Coworking-Space im Gewerbegebiet Im Erlengrund, das kurz vor der Eröffnung steht. Inmitten von Produktionsstätten und Bürogebäuden gelegen, in direkter Nachbarschaft zum Firmensitz ihres Vaters Rolf Eichelberg (Scientific Instruments Manufacturer) und nahe der Autobahn scheint es zunächst erstaunlich, dass die beiden Schwestern den Mut haben, für eine idyllische Umgebung zu werben.
- Ein Coworking-Place ist die geselligere Alternative zum Home-Office
- Das bisher noch geringe Angebot in Oberhausen wird nun durch ds „64 Grad Nord“ erweitert
- Die Zwillinge Joana und Friederike Eichelberg setzten mit ihrem Start-Up ihre Vorstellung von New Work um
- Mitten im Gewerbegebiet schaffen sie einen Wohlfühl-Ort für moderne Schreibtisch-Arbeiter
Die Fotos auf ihrer Homepage und ihrem Instagram-Kanal strahlen Harmonie und Ruhe aus. Nach einem (Baustellen-)Besuch im neuen „64 Grad Nord“ ist die Vorstellung, hier in freundlicher Umgebung den Laptop aufzuklappen und zu arbeiten jedoch überhaupt nicht mehr abwegig. Dies liegt an den einladend gestalteten Räumen, vor allem jedoch am Charme und Enthusiasmus der Gründerinnen im Doppelpack.
Junge 31 Jahre alt sind Friederike und Joana Eichelberg, alle beide, denn sie sind Zwillinge. Aufgewachsen sind sie in Mülheim, studiert haben sie in Hamburg und Düsseldorf, zurzeit wohnen sie auch in der Landeshauptstadt. Friederike hat zuletzt Reisefilme auf dem Kreuzfahrtschiff Aida gedreht, Joana in Frankfurt bei einer Event-Agentur gearbeitet. Sehr frei und sehr autonom haben sie ihr Leben bisher gelebt, typische Vertreterinnen ihrer Generation. Und sie wissen, dass die dringend benötigten jungen Fachkräfte sich ähnliche Arbeitsbedingungen wünschen. „Ich glaube“, sagt Friederike Eichelberg, „heute fühlen sich Menschen wohl, wenn sie selbst bestimmen können.“
Von zu Hause aus zu arbeiten, dies sei für die meisten selbstverständlich. Doch auch wenn man den mitunter weiten Weg ins Büro nicht antreten möchte, falle es manchen schwer, sich im Home-Office zu organisieren. Vielleicht, weil Kinder Lärm machen, es nicht genügend Platz gibt oder man sich plötzlich einsam fühlt. Die Lösung: einen Tisch oder ein kleines Büro im Coworking-Space mieten.
Nutzer können im Oberhausener Coworking-Space eine Flatrate mieten
Sechs verschiedene Angebote macht „64 Grad Nord“ seinen Kundinnen und Kunden: Flex Desk 10 (zehn Besuche im Monat, freie Sitzplatzwahl: 185 Euro im Monat), Flex Desk (unbegrenzte Anzahl von Besuchen, freie Sitzplatzwahl: 250 Euro im Monat), Dedicated Desk (eigener Sitzplatz mit Schließfach: 299 Euro im Monat), Büroräume (flexible Laufzeiten: ab 765 Euro im Monat), Virtual Office (Post- und Paketannahme für Unternehmen: ab 85 Euro im Monat), Meetingräume (stündlich buchbar, Verpflegung möglich: ab 25 Euro pro Stunde).
Bereits vor der Eröffnung erreichten sie Anfragen, dank Werbung in sozialen Netzwerken. Einige Mietverträge seien bereits abgeschlossen worden. Die Nachfrage überrascht die beiden überhaupt nicht. „Unsere Generation und Jüngere werden sich das nicht mehr nehmen lassen, im Home-Office zu arbeiten“, sagt Friederike. „Die guten Leute werden da hingehen, wo es Freiheiten gibt.“ Dabei hätten der Obstkorb im Büro und die Mitgliedschaft im Fitnessstudio als Anreiz ausgedient, glaubt Joana. „Das reicht nicht. Die Leute wollen Freiheit und manchen ist auch eine schöne Umgebung wichtig.“
Für dieses Ambiente legen sich die Unternehmerinnen besonders ins Zeug. Ein hübscher Fußboden, helle Möbel, viel Holz und Pflanzen („kein Plastik!“) gehören für sie dazu. Eine gemütlich eingerichtete Dachterrasse, ein Bistro für Mittagessen und das Kennenlernen an einer einzigen langen Tafel ebenso. Alles ist plastikfrei, es gibt Ökostrom und der Kaffee wurde fair gehandelt.
Ein Rechtsanwalt hat sich bereits eingemietet und der Geschäftsführer einer Recyclingfirma. Und es werden noch viele mehr werden, davon sind sie überzeugt. „Es gibt Unternehmen“, sagt Friederike, „für die ist es günstiger, bei uns etwas für ihre Mitarbeiter anzumieten als ihnen selbst einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.“ Der Trend geht in der Tat seit dem Ende der Corona-Pandemie zur Verringerung von Büroflächen. Firmen sparen Miete, Strom und Heizkosten, wenn ihre Teams anderswo unterkommen als in den überteuerten innerstädtischen Bürotürmen.
Neuer Coworking-Space in Oberhausen: Netzwerken in familiärer Atmosphäre
„64 Grad Nord“ soll klein bleiben, das wünschen sich Friederike und Joana Eichelberg. 16 Schreibtische sind geplant für bis zu 25 Member, wie sie ihre Kunden nennen, plus drei Büros. Kein anonymer Kasten, der zu einer Kette gehört, wollen sie sein, sondern ein liebevoll gestalteter Ort mit familiärer Atmosphäre. „Wir wünschen uns viele junge Unternehmerinnen und Unternehmer“, sagt Joana. Dabei sei das Alter nicht ausschlaggebend. Es müsse einfach passen. Zum Beispiel sollte man nichts dagegen haben, dass sich hier alle duzen.
Würde diese Arbeitsumgebung ihrem Vater gefallen, einem Spezialisten für hochmoderne technische Geräte im High-End-Bereich der Gas- und Flüssigchromatographie, aber auch 63-jähriger Unternehmer alter Schule? Die Zwillinge schmunzeln. Er sei erst skeptisch gewesen, als er von ihrer Geschäftsidee erfuhr, sagen sie, doch er gewährte ihnen den Versuch in seinem sechs Millionen Euro teuren Neubau, der insgesamt 3000 Quadratmeter umfasst. Zur Miete seien sie dort untergekommen, betonen sie, und den Kredit von 150.000 Euro müssten sie auch ganz alleine abstottern. Doch jetzt, wo das Coworking-Space Gestalt annimmt, die Eröffnung bevorsteht (im Januar 2024), da sei er richtig stolz auf seine Töchter. Vermutlich weil er erkennt er: Sein Geschäftssinn hat sich vererbt.