Oberhausen. Eine auffällig starke Krankheitswelle rollt durch die Stadt. Haus- und Kinderarztpraxen sind am Limit und es ist kein Ende in Sicht.
Kein Ende in Sicht: Noch immer rollt eine auffällig starke Krankheitswelle durch Oberhausen. Das Robert Koch-Institut registriert aktuell in ganz NRW im Vergleich zu 2022 sogar um vierfach höhere Grippefallzahlen. Dazu kommen unzählige Erkältungen und auch wieder vermehrt Corona-Infektionen. Bei der städtischen Verwaltung kletterten die Krankheitsausfälle nach Auskunft von Stadtsprecher Frank Helling von 6,98 Prozent im September auf 8,28 Prozent im Oktober 2023.
Zum Vergleich: Im Vorjahresmonat Oktober 2022 lag der Wert nur unwesentlich höher bei 8,83 Prozent. Damals hatte sich vor Ort gerade die nächste Covid-Welle aufgebaut. Doch was genau legt jetzt wieder so viele Menschen in unserer Stadt lahm? Erkältung, Grippe oder doch wieder die nächste Corona-Variante?
„Wir hören aus den Praxen in ganz Nordrhein von vielen Fällen mit akuten Atemwegserkrankungen“, bestätigt Christopher Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein. „Vor allem die Haus- und Kinderärzte sind hoch belastet.“ Selbst das Robert-Koch-Institut (RKI) bewertet diese auch bundesweit zu beobachtende Tendenz als „ungewöhnlich“. Hauptsächlich seien diese Infekte noch auf klassische Erkältungsviren wie Rhinoviren, aber zunehmend auch auf Covid 19 zurückzuführen. „Letztere aber bislang – dank der bereits erlangten breiten Immunisierung in der Bevölkerung – in den meisten Fällen mit milden Verläufen“, kann Schneider beruhigen.
Ärzte raten dringend zum Corona-Test vor dem Besuch in der Infektionssprechstunde
Ähnliches beobachtet auch der Oberhausener Allgemeinmediziner und örtliche KV-Sprecher Dr. Stephan Becker für seine Gemeinschaftspraxis. „Wir sehen täglich alleine bei uns drei bis vier Corona-Fälle.“ Becker geht allerdings von einer hohen Dunkelziffer „von mindestens 90 Prozent“ aus. „Denn die meisten Leute testen sich überhaupt nicht mehr.“ In den Praxen ließen sie sich nur blicken, wenn es ihnen so schlecht gehe, dass sie einen Krankenschein benötigen. „Wir bitten alle Patientinnen und Patienten mit heftigeren Symptomen vor dem Termin in unserer Infektsprechstunde darum, zu Hause einen Corona-Schnelltest zu machen – und der schlägt fast immer an.“
Für wen eine Grippe- und/oder Corona-Impfung wichtig ist
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Grippe-Impfung für alle ab 60 Jahren, für alle Schwangeren in der Regel ab dem dritten Monat, für Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung durch chronische Krankheiten sowie für Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeitende von Alters- oder Pflegeheimen. Auch Kinder und Jugendliche im Alter ab sechs Monaten können gegen Influenza geimpft werden. Grippe- und Corona-Impfung können zeitgleich verabreicht werden.
Als Corona-Impfung empfiehlt die Stiko allen ab 18 Jahren eine Basisimmunität bestehend aus drei Antigenkontakten (Impfung oder Infektion, aber mit mindestens zwei Impfstoffdosen). Menschen mit erhöhtem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe (alle ab 60 Jahren, Kinder ab sechs Monaten, Erwachsene mit Vorerkrankungen, Bewohner von Pflege-Einrichtungen) sowie Pflegekräften wird zu weiteren Auffrischimpfungen nach jeweils rund zwölf Monaten geraten.
Zeitgleich warnt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte vor einer schweren Grippewelle im Winter. Denn auf der Südhalbkugel, besonders in Australien, sind die Zahlen inzwischen deutlich in die Höhe gegangen. Für Experten ein sicheres Alarmzeichen. Tatsächlich steigen inzwischen auch in NRW die Grippefallzahlen rasant an. Das RKI registriert bereits jetzt viermal so viele Erkrankte wie im gleichen Zeitraum 2022.
Zumindest die Grippewelle scheint um Oberhausen noch einen Bogen zu machen
Noch aber scheint die Influenza um Oberhausen einen kleinen Bogen zu machen. Stephan Becker hat bisher jedenfalls keinen einzigen echten Influenza-Fall behandeln müssen, beobachtet aber ein starkes Interesse an den diesjährigen Grippe-Impfungen. „Gerade bei Menschen über 60 Jahren wird diese Impfung sehr gut angenommen.“ Fast 600-mal sei sie in seiner Praxis bereits verabreicht worden. Die Nachfrage nach dem neuen – an die aktuellen Varianten angepassten – Corona-Impfstoff sei dagegen mit rund 60 Dosen pro Woche eher mäßig, nehme aber ebenfalls an Fahrt auf. „Zuletzt mussten wir sogar Impfstoff nachordern.“
Zwar hat die klassische Grippewelle auch in diesem Jahr schon rund um die 40. Kalenderwoche begonnen. „Doch aus medizinischer Sicht ist es auch jetzt noch sinnvoll, sich dagegen impfen zu lassen“, betont Christopher Schneider von der KV Nordrhein. Denn das Krankheitsgeschehen baue sich in der Regel langsam auf und erreiche seinen Höhepunkt erst zum Jahresanfang im Januar oder Februar 2024. Impfen lassen sollten sich vor allem über 60-Jährige, Risikopatienten und auch Kinder ab sechs Monaten mit Vorerkrankungen. Insbesondere über 60-Jährige und chronisch Kranke sollten zudem dringend zusätzlich mit ihrem Arzt über eine Covid-19-Auffrischungsimpfung sprechen.
Sowohl Becker als auch Schneider raten im Fall von Erkältungssymptomen weiterhin zu Corona-Selbsttestungen und – sofern möglich – zur Homeoffice-Tätigkeit. Bei Bedarf sollte der eigene Haus- oder Facharzt aufgesucht werden. Am besten nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme.