Oberhausen. In den Schulen wird auch einen Monat nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel diskutiert. Lehrerin berichtet von Erfahrungen.

Plötzlich stand das Sophie-Scholl-Gymnasium in Sterkrade unfreiwillig im Mittelpunkt. Unbekannte hatten in der Nacht die Schule mit Hassparolen beschmiert. Das Gymnasium sei eine „Mörder-Schule“, eine Schule von Zionisten. Der Schulleiter reagiert umgehend mit einem öffentlichen Statement auf Facebook. Unterstützung bekommt er aus der Politik, vom Oberbürgermeister Daniel Schranz. Die SPD verurteilt die antiisraelischen Schmierereien. „Es ist in keiner Weise akzeptabel, dass das Sophie-Scholl-Gymnasium, die Schülerschaft und das Lehrerkollegium für ihre Solidarität mit den Menschen in Israel auf diese Weise verunglimpft und beleidigt werden“, sagt Denise Horn.

Schülerinnen und Schüler hatten in den vergangenen Wochen die Initiative ergriffen und das Thema in den Vordergrund gebracht. Sie waren im Sommer in Jerusalem und stehen weiterhin mit ihren Gastfamilien in Kontakt. Die Oberstufe organisierte einen Kuchenverkauf, um Geld für zivile Opfer auf beiden Seiten zu sammeln. „Wir haben das Thema sehr intensiv behandelt“, sagt Schulleiter André Remy.

NRW-Schulministerium schickt Info-Broschüren

Das Bertha-von-Suttner-Gymnasium im Oberhausener Bismarckviertel.
Das Bertha-von-Suttner-Gymnasium im Oberhausener Bismarckviertel. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Der Nahostkonflikt schlägt an den Schulen hohe Wellen. Schülerinnen und Schüler mit palästinensischen, muslimischen oder jüdischen Wurzeln treiben die schrecklichen Bilder und Schilderungen des Krieges um – genauso wie die anderen, die wissen wollen: Was ist da los?

Das NRW-Schulministerium verschickte nach dem brutalen Angriff der Hamas, der über 1400 Menschen in Israel das Leben kostete, Info-Material an die Lehrkräfte. Doch das war nur eine Basis, berichtet Lina Kindermann, Lehrerin am Bertha-von-Suttner-Gymnasium. Die Recklinghäuserin ist zuständig für die Demokratie-Bildung an ihrer Schule und recherchiert seit dem Angriff im Internet. Sie stellt Linklisten zusammen, wühlt sich durch Texte und Podcasts, spürt lehrreiche Videos auf – für ihre Kolleginnen, aber auch ihre Schülerinnen. „In den ersten Tagen gab es sehr, sehr viele Nachfragen“, berichtet Kindermann. „Das ist eine große Herausforderung für eine Schule.“

Soziale Netzwerke sind ein Problem: Was ist echt? Was nicht?

Ein Problem: Die sozialen Netzwerke. Schülerinnen und Schüler sehen auf TikTok und anderen Plattformen kurze Videos und Bilder aus dem Gaza-Streifen oder aus Israel. Doch eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten findet oftmals nicht statt, berichtet Kindermann. Sie versucht deshalb ihren Schülern zu erklären, wo sie Fakten finden können und Artikel, die den geschilderten Sachverhalt kritisch beleuchten – etwa nach dem Angriff auf ein Krankenhaus. Die Behauptung der Hamas, Israel habe das Krankenhaus zerstört, breitete sich in Windeseile in der Welt aus.

Ein anderes Problem: Schülerinnen und Schüler bekommen von zu Hause mit, dass bei dem Angriff auch Babys und Kleinkinder gestorben seien. „Sie wollen dann in der Schule wissen, warum, oder erzählen, was sie gehört haben.“ In den Klassen fünf oder sechs sei dies kaum zu vermitteln, sagt Kindermann.

Die Abi-Klausuren drängen: Kurse haben zu wenig Zeit zum Reden

Lina Kindermann kümmert sich am Oberhausener Bertha-von-Suttner-Gymnasium um die Demokratiebildung der Schülerinnen und Schüler. Während der Pandemie war der Ukraine-Krieg ein großes Thema.
Lina Kindermann kümmert sich am Oberhausener Bertha-von-Suttner-Gymnasium um die Demokratiebildung der Schülerinnen und Schüler. Während der Pandemie war der Ukraine-Krieg ein großes Thema. © Funke Foto Services | Olaf Fuhrmann

Das Bertha-von-Suttner-Gymnasium veranstaltet regelmäßig politische Diskussionen, setzte im Ukraine-Krieg Zeichen. Allerdings sprengt der hoch komplexe Nahostkonflikt den schulischen Rahmen. Kindermann nennt ein Beispiel: In Sozialwissenschaften könnte das Thema diskutiert werden, der Stoff für die Abiturklausuren sei aber so dicht, dass gar keine Zeit bleibe. „Das ist sehr schade.“

Kindermann beruft sich in ihrem Unterricht auf das Wesentliche: Vermitteln, dass in Debatten Zuhören wichtig ist. Manchmal stößt sie mit ihren Schülern aber auch an ihre Grenzen. „Einmal sagte ein Schüler: „Frau Kindermann, dieser Konflikt lässt sich doch gar nicht lösen.“