Oberhausen. 1500 Nachtschwärmer haben in der Turbinenhalle abgetanzt. Schlagermusik wurde zur „30-up-Party“ bewusst ausgespart. Das sagen Macher und Gäste.

Die Lobby der Turbinenhalle war über viele, viele Jahrzehnte alles. Überfüllt. Verraucht. Schmierig. Mit knutschenden Pärchen besetzt. Aber niemals lila. Am Eingang der ehemaligen Industriehalle und Großraumdiskothek haben Samstagnacht die Scheinwerferfarben der „30-up-Party“ für eine ungewohnte Grundstimmung gesorgt.

Die kultige Veranstaltungshalle zeigt sich schick wie selten. Sogar ein roter Teppich geleitet Nachtschwärmer zur noch recht jungen Sause für Menschen oberhalb der Dreißiger. Auch in der Halle hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Die Toiletten sind modern umgebaut, neue Theken mit schnellen Zapfautomaten stehen neben den Tanzflächen.

Wahrscheinlich haben sich die Malocher der 1909 erbauten Industriehalle, die zur Energiegewinnung der benachbarten Gutehoffnungshütte diente, nie Träumen lassen, dass sich in ihren Arbeitsgängen einmal Tanzfreunde mit Sektgläser zuprosten. Oder dass jemand an einer breiten Cocktail-Theke an einem bunten Strohhalmdrink schlürft.

„Das ist wirklich schön hergerichtet“, findet Besucherin Yvonne Jäger. „Ich kenne die Turbinenhalle noch aus der Diskozeit. Da sah alles anders aus.“ Und ihre Freundin Michaela ergänzt: „Wir waren ziemlich neugierig - und wollen endlich mal wieder etwas tanzen.“

Turbinenhalle: Viel los im Steffys - House-Musik trifft den Geschmack

Kellnerinnen tragen am Eingang Tabletts umher - und bieten Gästen kleine Häppchen an. Von links schwappen schon die Scheinwerfer der Haupthalle durch die offen stehende Metalltür. Hier warten Charts-Hits und Klassiker aus den 1980er- und 1990er- und 2000er-Jahren auf abnehmende Tanzbeine. „Ein bisschen was aus unserer Jugend kann gerne noch kommen. Snap oder die Backstreet Boys“, ist man sich an einem Stehtisch mit Mädels einig. Doch erst einmal einen Drink! Ein schrilles "Cheeeers..." misst sich mit den Beats. Heute wollen sie nicht zeitig nach Hause. Klar, die Zeitumstellung spendiert allen eine unsichtbare Bonusstunde. Willkommen im Tanznirwana.

Nebenan im neuen T-Club krachen Latin-Klänge mit Dancehall und Reggaeton und im ehemaligen T-Club und heutigen Steffys messen sich House und Black Music. Was aber völlig fehlt ist: Schlagermusik. Das wirkt bei einer klassischen Ü30-Party unüblich, da reifere Semester oft auf Andrea Berg und Helene Fischer stehen. Gerade im Revier.

„Wir haben uns bewusst so entschieden“, sagt Veranstalter Michael Neumann. „Latin-Hits sind derzeit sehr angesagt, darum haben wir hierzu eine eigene Area eröffnet. Schlager-Songs spielen häufig in einer eigenen Welt.“ Diese würden oft nicht in einen breiten Mix passen. Darum wolle man beim Ü30-Clubbing die Schlager-freie Variante ausprobieren.

Das kommt beim Publikum recht unterschiedlich an. „Schlager sind gar nicht meins. Darum vermisse ich diese auch nicht“, sagt Jessica. „Keiner gibt es zu, aber alle hören es“, findet dagegen Mike.

Dabei sind Schlagerfeten in der Turbinenhalle sonst häufiger zu finden. Am Freitag, 3. November 2023, startet Genre-Queen Mia Julia hier sogar ihre Tour. Auf der anderen Seite haben Fans der Revival-Fete von Music Circus Ruhr und Blue Moon zuletzt auch keine Zicke-Zacke-Hymnen vermisst - die, zugegeben, auch nicht zur damaligen Ausrichtung der Kult-Diskotheken gepasst hätten.

Die gespielte Musik findet in dieser Nacht auch ohne Schlager ihre Abnehmer. Die Tanzflächen sind schon früh gut gefüllt. Die Leute lachen. Die Atmosphäre ist entspannt.

Turbinenhalle: Tischfeuerwerk sprüht neben Wodka-Flaschen

Im Steffys legt DJ Salvatore Mancuso auf. Es zischen Feuereffekte neben der Tanzfläche von hohen Dekosäulen. Eine Fetengruppe, wahrscheinlich Anfang 40, hat sich gerade eine Pulle Wodka bestellt. Die Kellnerin serviert den Eimer samt sprühendem Tischfeuerwerk. Handys schalten schnell auf den Kameramodus. Ein bisschen Bling Bling muss sein, während zu Hause mancher Babysitter wahrscheinlich gerade die Nachtlampe im Kinderzimmer einschaltet. Das Alter ist recht gemischt: Mitte 30 bis Anfang 50 dürfte es im Schnitt sein.

Ansonsten wirkt die Party angenehm schnörkellos. Es gibt keinen Dresscode. Einige kommen mit der Lederjacke, andere haben sich ein akkurates Hemd angezogen. Kapuzenpullover und T-Shirts treffen auf stilvolle Jackets. Hauptsache, der Stoff stört nicht auf der Tanzfläche. Alles geht, nichts muss.

600 Tickets gingen im Vorverkauf weg. Ein guter Wert, finden die Veranstalter. Bis zum finalen Song gegen 4 Uhr morgens melden die Macher immerhin mehr als 1500 Nachtschwärmer. Schon jetzt reisen viele Gäste aus den Nachbarstädten an. Und der Schlager-Kosmos? Der ist noch nicht ganz verloren. „Wir wollen die Reaktionen der Gäste auswerten und uns dann entscheiden.“ Ein Comeback in einer eigenen Area ist also möglich.

>>> 30-up-Party: Nächster Termin steht fest

Die 30-up-Party soll ein fester Bestandteil im Terminkalender der Turbinenhalle werden. Veranstalter Michael Neumann peilt pro Jahr drei bis vier Partys an.

Die nächste Sause steht bereits fest. Am Samstag, 20. Januar 2024, wird das Ü30-Clubbing wieder mit drei Areas im Lipperfeld 23 starten. Die Preise sollen stabil bleiben. Im Vorverkauf kostet die Sause dann 12 Euro und 15 Euro an der Abendkasse.