Oberhausen. Mitten in der Nacht liegt ein Mann stark blutend in der Küche einer Oberhausener Wohnung. Sein Leben wird gerettet. Nun ist der Fall vor Gericht.
Um eine lebensgefährliche Messerattacke im Februar 2023 in Oberhausen geht es am Mittwoch, 11. Oktober, über zwei Stunden lang im Saal 126 des Amtsgerichts: Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Alina Hahn hat es mit einer äußerst schwierigen Beweisaufnahme zu tun, denn: Die Hauptbeteiligten schweigen eisern. Angeklagt ist eine Frau (49). Der Tatvorwurf: gefährliche Körperverletzung.
Bei besagten Hauptbeteiligten handelt es sich um ein Ehepaar aus dem südöstlichen Oberhausen: Gegen 2.30 Uhr in der Nacht des 4. Februars 2023 finden die alarmierten Rettungskräfte den lebensgefährlich verletzen Ehemann in der Wohnung des Ehepaars. Er ist Opfer einer heftigen Messerattacke geworden und weist – in einer Blutlache auf dem Fußboden in der Küche liegend – mehrere Schnittwunden auf; die schwerste davon am linken Oberarm, wo eine Arterie durchtrennt ist, was zu einem heftigen Blutverlust geführt hat. Akute Lebensgefahr! Sofort werden auch der Notarzt und die Polizei alarmiert.
Während der Mann notärztlich versorgt wird, versucht die Polizei die Situation mit einer ersten Befragung zu klären: Die Frau gibt an, erst nach ihrem Mann nach Hause gekommen zu sein und ihn schwer verletzt in der Küche aufgefunden zu haben. Der kurzzeitig noch gesprächsfähige Ehepartner sagt der Polizei, er sei auf dem Heimweg von zwei unbekannten Männern, beide Mitte 20, angegriffen worden und dabei so schwer verletzt worden.
Polizistin, Notarzt, Rettungskräfte und Nachbar sagen als Zeugen aus
Sein Leben kann in jener Nacht von den Einsatzkräften gerettet werden. Der Ehemann (50) ist nun bei der Hauptverhandlung im Saal 126 als Zeuge benannt, macht aber von seinem Zeugnisverweigerungsrecht als Ehemann Gebrauch. Auch die Angeklagte, geboren in Tadschikistan, jetzt deutsche Staatsbürgerin, sagt kein Wort zu dem Tatvorwurf. Keine einfache Situation für das Schöffengericht, das eine akribische Beweisaufnahme startet. Als Zeugen sagen eine Polizistin, der alarmierte Notarzt, zwei Rettungskräfte der Feuerwehr Oberhausen und ein Nachbar aus.
Was ist in jener Nacht geschehen? Hat es tatsächlich außerhalb des Hauses einen Angriff von noch unbekannten Männern auf den Ehemann gegeben? Oder hat die Ehefrau ihren Ehepartner nach einem Streit mit dem Messer attackiert? Oder hat sich der Ehemann die Verletzungen eventuell selbst zugefügt?
Vor diesen Fragen steht das Schöffengericht. Der besagte Nachbar sagt als Zeuge aus und gibt an, er habe in jener Nacht auf der Terrasse geraucht und dabei mitbekommen, dass sich das Ehepaar in der Nachbarwohnung verbal gestritten habe. Er habe ein lautes, konsequentes „Nein“ des Mannes gehört; und er habe gehört, dass die Frau mit einem heftigen Schimpfwort geantwortet habe. Dann habe er sich schlafen gelegt und sei erst aufgewacht, als die Polizei frühmorgens bei ihm geklingelt habe, um zur möglichen nächtlichen Gewalttat in der Nachbarwohnung zu ermitteln.
Rechtsmedizin geht davon aus, dass die Küche der Tatort ist
Beide Ehepartner waren in jener Nacht alkoholisiert. Das haben die Ermittlungen ergeben und das wird auch in den diversen Zeugenaussagen immer wieder bestätigt. Bei der Ehefrau ist ein erheblicher Alkoholwert von rund drei Promille amtlich festgestellt worden.
Die Experten der Rechtsmedizin gehen davon aus, dass es nicht plausibel ist, dass der Mann so schwer verletzt eigenständig in die Wohnung zurückgekehrt ist. Aus ihrer Sicht sind dem Mann in der Küche die teils lebensgefährlichen Stichverletzungen beigebracht worden. Im Hausflur sind danach keinerlei Blutspuren entdeckt worden. Auch das spricht für einen Tatort in der Wohnung.
Nach über zweistündiger Verhandlung inklusive Beratungs-Unterbrechung verkündet Richterin Alina Hahn das weitere juristische Vorgehen. Das Schöffengericht könne zum jetzigen Zeitpunkt kein Urteil fällen, auch wenn aus gerichtlicher Sicht viel dafür spreche, dass der Tatvorwurf gegen die Frau bestätigt werden könne. Vor einem Urteil sei noch ein Gutachten nötig, das die Frage klären soll, ob der Mann sich die schweren Verletzungen selbst zugefügt haben kann. Damit wird die Rechtsmedizin Duisburg beauftragt. Zugleich soll die Rechtsmedizin Essen ermitteln, wie hoch der Blutalkoholwert des Mannes zur Tatzeit war.
Nach Vorliegen dieses umfassenden Gutachtens wird es einen neuen Prozesstermin geben. Dazu wird auch der Ehemann wieder als Zeuge geladen. Bricht er dann doch noch sein Schweigen?
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