Oberhausen. Erst Stephen King, dann „Der Fall der Götter“: Zu den kommenden Kino-Höhepunkten zählt sogar ein Film, der nachts im Hauptbahnhof gedreht wurde.

Erst „Die Verurteilten“, dann „Die Verdammten“ – mit solchen Filmtiteln können einen die Veranstalter des Sommernachtskinos auf dem Museumsbahnsteig im Oberhausener Hauptbahnhof schon aufs falsche Gleis setzen. Denn zu später Stunde geht’s zwischen Gleis 4 und 5 nicht etwa zweimal um Uralt-Western oder um hartgesottene Krimis. Vielmehr meint „Die Verdammten“ Luchino Viscontis Meisterwerk von 1969 um die Verstrickungen deutscher Stahlindustrieller während der NS-Zeit. Wer dabei an die Krupps denkt, liegt richtig.

Doch zunächst zeigen das LVR-Industriemuseum Zinkfabrik Altenberg und die Lichtburg, Oberhausens innerstädtischer Filmpalast, an ihrem Außenschauplatz mit den gelegentlichen Zug-Ansagen und Bremsgeräuschen am Freitag, 25. August, um 21.30 Uhr eine Stephen King-Verfilmung, die eben keinen übersinnlichen Horror auffährt. „Die Verurteilten“ von 1994 basiert auf der Novelle „Rita Hayworth and Shawshank Redemption“, die auf für King’sche Maßstäbe außerordentlich wenigen Seiten von den Haftjahren des Andy Dufresne (Tim Robbins) erzählt.

Einer der beliebtesten Filme aller einschlägigen Rankings

Der frühere Bankmanager, 1947 verurteilt zu zweimal lebenslänglich für den Mord an seiner Frau und deren Liebhaber, trifft im Gefängnis von Shawshank in Maine auf korrupte Aufseher und übergriffige Mithäftlinge. Doch Andy gewinnt das Vertrauen von Red (Morgan Freeman), des für alle unverzichtbaren Schmugglers von Waren und Nachrichten. Gefängnisdramen waren „out“, als Regisseur und Autor Frank Darabont die Saga von Andy und Red zu seiner Herzenssache machte – und sein langer Atem wurde belohnt. Zwar spielte „Die Verurteilten“ vor 29 Jahren zunächst kaum die Produktionskosten ein, avancierte aber mit den Jahren zu einem der beliebtesten Filme aller einschlägigen Rankings.

Für die Theaterbühne wurde das Drehbuch zu Viscontis Skandalfilm im 21. Jahrhundert wiederentdeckt: Regisseure wie Stephan Kimmig inszenierten
Für die Theaterbühne wurde das Drehbuch zu Viscontis Skandalfilm im 21. Jahrhundert wiederentdeckt: Regisseure wie Stephan Kimmig inszenierten "Der Fall der Götter" als grelle Revue. © Ruhrfestspiele | Sebastian Hoppe

Zur Einstimmung gibt’s das 15-minütige Kurzfilmdrama „Gleißendes Licht“, das Regisseurin Joelle Fatima Fuchs als Bachelor-Abschlussfilm im Mai 2022 auf dem Museumsbahnsteig im Oberhausener Hauptbahnhof gedreht hat. Dort begegnen sich Jason und Konstantin, der sein Gegenüber rassistisch beleidigt und so beide in eine lebensbedrohliche Situation bringt.

Filmkritiker: „Nicht mehr als ein Katalog der Perversionen"

Mit zweieinhalb Stunden lässt Luchino Viscontis „Fall der Götter“ (so die Übersetzung des Originaltitels „La caduta degli dei“) am Freitag, 1. September, um 21.30 Uhr keine Zeit für Vorfilme. Vielmehr sollte man bei diesem Kinoabend bis Mitternacht an warme Sachen denken – obwohl ein gewisses Frösteln durchaus im Sinne des Regisseurs sein dürfte. Kurz nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 wird der Großindustrielle Joachim von Essenbeck ermordet. Jeder seiner Hinterbliebenen sucht den eigenen Profit als Kollaborateur des NS-Regimes – teils aus ideologischer Überzeugung, teils aus reinem Opportunismus.

„Die Verdammten“, zu dessen Staraufgebot Helmut Berger und Dirk Bogarde zählen, Ingrid Thulin und Charlotte Rampling, ist ein bis heute kontrovers diskutierter Film Viscontis. Sein Melodrama vom Niedergang einer Industriellenfamilie überzeichnet auf opernhafte Weise. Angesichts der gewollten Parallelen zwischen den von Essenbecks und der Krupp-Dynastie fragte sich schon der Filmhistoriker David Shipman: „Warum hat Visconti aus diesem Stoff nicht mehr gemacht als einen Katalog der Perversionen?“

Spezialwaggons als Relikte aus GHH-Glanzzeiten bilden die denkbar stimmigste Kulisse für Viscontis „Die Verdammten
Spezialwaggons als Relikte aus GHH-Glanzzeiten bilden die denkbar stimmigste Kulisse für Viscontis „Die Verdammten". © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Vielleicht, weil diese „Götterdämmerung“ – in der Helmut Berger in Strapsen tanzt, später ein Mädchen und noch dazu seine eigene Mutter vergewaltigt – eben doch nicht die Geschichte der Krupps erzählt. Die hatten zwar Tausende Zwangsarbeiter auf dem Gewissen – aber ihre eigene dynastische Nachfolge regelten sie nicht mit der Handfeuerwaffe. Luchino Visconti (1906 bis 1976), der Regisseur aus uraltem lombardischem Adel, erzählt hier ebenso gut die Chronik einer Renaissance-Fehde wie jene der Prostitution der Großindustrie vor dem Faschismus.

Dank Helmut Bergers Verruchtheiten gilt FSK 18

So oder so: Mit dem Transportwaggon für Flüssigstahl und weiteren Requisiten aus den Glanzzeiten der Gutehoffnungshütte präsentiert sich dieser Sommernachtsfilm vor einer einzigartig stimmigen Kulisse. Und weil für Helmut Bergers (1944 bis 2023) Verruchtheiten nach wie vor FSK 18 Jahre gilt, behält man sich am Museumsbahnsteig eine Personalausweiskontrolle vor.

Karten für die Spielfilme am Freitag, 25. August, um 21.30 Uhr und am Freitag, 1. September, um 21.30 Uhr, kosten 6 Euro, im Vorverkauf erhältlich im Peter-Behrens-Bau, Essener Straße 80, und an der Abendkasse des Museumsbahnsteigs.