Mülheim. Zivilcourage, Engagement im Sozialen und der Politik oder schlicht großer Wissensdurst: In Mülheim sind nun junge Menschen ausgezeichnet worden.
Sie heißen Ebru, Fatma, Charlotta, Miriam und Mark. Was sie gemein haben? Sie alle sind von der Bürgerstiftung für außerordentliche schulische Leitungen und Zivilcourage geehrt worden. In Zeiten, in denen Deutschland zuletzt mit unterdurchschnittlichen Lese-, Mathematik- und Naturwissenschafts-Kompetenzen im internationalen Vergleich Negativ-Schlagzeilen gemacht hat, setzte die Bürgerstiftung mit der Auszeichnung ausgezeichneter, weil außerordentlich engagierter Schülerinnen und Schüler, einen Hoffnung machenden Kontrapunkt.
Zwei von ihnen sind Ebru Cakici (24) und Fatma Eyrice (22) vom Berufskolleg Stadtmitte. Die beiden angehenden Erzieherinnen sind mit dem Preis für Zivilcourage der Bürgerstiftung ausgezeichnet worden, weil sie einem Lehrer geholfen hatten, einen gewalttätigen Konflikt zweier Mitschüler zu beenden.
Mülheimerin sieht Preis als „Mega-Wertschätzung“
„Der Preis ist eine Mega-Wertschätzung für uns und ich bin begeistert von meinen engagierten Mitmenschen, denen ich hier begegnet bin und deren Einsatz man im Alltag nicht mitbekommt“, sagt Ebru Cakici. „Ohne den beteiligten Lehrer, der uns vorgeschlagen hat, wären wir nicht ausgezeichnet worden. Wir selbst haben damals automatisch eingegriffen, weil wir gesehen haben: Wir müssen jetzt was tun, um Schlimmeres zu verhindern.“ Wie könnte unser Zusammenleben friedlicher und entspannter werden? „Wir müssen uns mehr zuhören, um uns besser zu verstehen, statt im Tunnelblick nur uns selbst zu sehen“, glaubt Ebru Cakici.
„Eine aktive und interessierte Jugend tut einer Stadtgesellschaft gut, wenn sie auf eine Anerkennungskultur trifft, die dadurch möglich wird, dass bürgerschaftliche Akteure dafür ihre Potenziale einbringen“, erklärt Oberbürgermeister Marc Buchholz während seiner Rede im Styrumer Aqua Max der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft und stimmt damit der couragierten Ausgezeichneten zu.
Laudationen von Mülheimer Unternehmern
Weitere Laudationen des Abends kamen von der neuen Vorsitzenden der Bürgerstiftung, Bettina Gosten, MWB-Vorstand Frank Esser, Bernd Jotzo, Aufsichtsrat der Isam AG, und MEG-Geschäftsführer Timo Juchem. Sie stellten weitere beeindruckende Beispiele für junges Engagement in Mülheim vor. Von Zivilcourage und sozialem Einsatz über naturwissenschaftlichen Entdeckergeist bis hin zu literarischen und künstlerischen Aktivitäten sind in diesem Jahr sehr unterschiedliche Verdienste honoriert worden. Einen Sonderpreis erhielt die Schülerzeitungsredaktion der Broicher Pestalozzi-Grundschule.
Wie jedes Jahr zeichnete die Bürgerstiftung in mehreren Kategorien aus: besondere Leistungen in den Naturwissenschaften, besondere Leistungen in den Geisteswissenschaften, Zivilcourage und soziales Engagement, berücksichtigt aber auch die privaten Interessen der Preisträger. Das Preisgeld, 3000 Euro, ist für die Ausgezeichneten dabei aber längst nicht das, was für sie im Vordergrund steht.
Mülheimerin (17) will nach dem Abi Medizin studieren
„Die Leistungen der anderen Preisträger lassen mich positiv in die Zukunft blicken und geben mir die Zuversicht geben, dass wir als Gesellschaft weiterhin gut bestehen werden und als Menschen noch weit kommen können“, sagt die 17-jährige Charlotta Nyström vom Gymnasium Broich. Sie ist für ausgezeichnetes und weit über den Unterricht hinausgehendes Interesse an der Naturwissenschaft geehrt worden. „Ich bin neugierig auf viele Dinge, weil unsere Welt komplex ist und wir viele Informationen brauchen, um die Welt zu erklären.“ Die junge Mülheimerin möchte nach ihrem Abitur Medizin studieren.
Für ihr soziales und politisches Engagement ist in diesem Jahr die Jugendstadträtin Miriam Owusu Afriye vom Gymnasium Broich ausgezeichnet worden. Die 18-Jährige stammt aus Ghana und lebt seit 2015 in Deutschland. Aktuell plant sie ein Jugendinformationsprojekt zur bevorstehenden Europawahl. „Es ist schön, dass mein Engagement gesehen und wertgeschätzt wird“, sagt Miriam Owusu Afriye, die nach ihrem Abitur Jura und Volkswirtschaft studieren möchte.
„Jeder ist dazu aufgefordert, mitzuhelfen, wo und wie er kann“
Was treibt sie an? „Ich sehe unsere Demokratie als gefährdet und als nicht selbstverständlich an. Deshalb ist es mir wichtig, Jugendliche zu ermutigen, ihre Stimme und ihre Interessen in unsere Gesellschaft einzubringen, damit wir viele Mitstreiter finden und das, was in unserer Gesellschaft schlecht läuft, gemeinsam verbessern, damit es allen Menschen besser geht. Das ist sehr bereichernd, aber auch fordernd. Und deshalb ist jeder dazu aufgefordert, mitzuhelfen, wo und wie er kann.“
Gleich in mehreren Bereichen hervorgetan hat sich laut Bürgerstiftung der fünfte Preisträger: Mark Niemann. Der 18-jährige Luisenschüler wurde für sein naturwissenschaftliches, soziales und sportliches Engagement ausgezeichnet. „Es tut gut, wenn man für etwas, in das man viel Arbeit, Zeit und Energie investiert, Wertschätzung zurückbekommt, die einem zeigt: Es ist nicht falsch, was du machst.“ Mark Niemann, der nach seinem Abitur Maschinenbau studieren möchte, sagt über seine Motivation: „Es ist vor allem meine Neugier und das Bewusstsein dafür, dass man Selbstwertschätzung braucht, um die Kraft zu haben, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln und dann zu sehen, was dabei herauskommt.“
Veränderungen bei der Bürgerstiftung
Patrick Marx hat den Vorsitz der Bürgerstiftung an seine bisherige Stellvertreterin Bettina Gosten abgegeben und ist in den Stiftungsrat gewechselt. Neu in den Vorstand ist der Steuerberater Thorsten Packross.
Nach dem Tod der Unternehmerin und Ehrenvorsitzenden Gabriele Grillo finanzierte die Bürgerstiftung das Preisgeld für den aktuellen Preis Zivilcourage aus eigenen Rücklagen.
Für 2025 ist man im Gespräch mit einem möglichen Sponsor. Die Veranstaltungsteilnehmer gedachten mit einer Schweigeminute Gabriele Grillo und dem ebenfalls kürzlich verstorbenen Stiftungsratsmitglied Barbara Lindgens.
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