Mülheim. Wer will schon Fleischer werden? Viele Metzgereien stöhnen unter Nachwuchssorgen. Azubi Moutaz aus Syrien füllt die Lücke gern - mit 36 Jahren.

In seiner Heimat, dort, wo Moutaz Albeiruty vor 36 Jahren geboren wurde, sah er keine Zukunft für sich. Mehr noch: Zu bedrohlich sei das Leben dort in Syrien durch den Bürgerkrieg geworden. Er habe keine andere Möglichkeit gehabt, als alles zurückzulassen und zu fliehen, schildert Moutaz Albeiruty seine Vergangenheit: „Da ist alles kaputt.“ Rund sieben Jahre liegt seine Flucht zurück, erzählt der Mann mit den schwarzen Haaren und dem freundlichen Lächeln im Gesicht. Wenn er still wird, die Augen niederschlägt, kann man nur erahnen, was er erlebt haben muss.

Zufrieden wirkt er nun und angekommen in seinem neuen Leben. Dazu trägt zu einem großen Maße auch bei, dass er einen Job gefunden hat, der ihm gefällt und der ihn fordert, sagt der 36-Jährige. Denn für die nächsten Jahre nur Küchenhilfe zu bleiben, das war dem Syrer zu wenig. Deshalb ergriff er seine Chance, eine Ausbildung zu machen: Moutaz Albeiruty wird Fleischer, lässt sich bei Edeka Kels und der Metzgerei Nieß ausbilden.

Edeka-Chef sucht händeringend Fachkräfte: „Wer will schon Fleischer werden?“

Für die Chefs der beiden Geschäfte, Felix Kels und Alexander im Brahm, der die Heißener Traditionsmetzgerei Nieß vor rund einem Jahr übernommen hat, ist der Syrer ein wahrer Glücksgriff. Denn, fragt Felix Kels eher rhetorisch: „Wer will schon noch Fleischer werden.“ Der Geschäftsführer der Edeka-Supermärkte, die neben der Kleiststraße auf der Heimaterde in Essen und Ratingen liegen, würde sich wünschen, dass mehr junge Menschen traditionelle Handwerksberufe lernen. „Viele, die sich bei uns bewerben, kennen nur die Ausbildungen im Büro oder im Verkauf.“ Gleichwohl aber benötige er in seinen Supermärkten dringend Fachkräfte wie Fleischer, um entsprechende Speisen anbieten zu können.

Wie Fleisch zerlegt wird, lernt Moutaz Albeiruty unter anderem bei seinen Ausbildungseinsätzen in der Mülheimer Metzgerei Nieß.
Wie Fleisch zerlegt wird, lernt Moutaz Albeiruty unter anderem bei seinen Ausbildungseinsätzen in der Mülheimer Metzgerei Nieß. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Ich bereite auch Fleischpfannen zu“, erzählt Moutaz Albeiruty mit leuchtenden Augen, dessen ursprünglicher Berufswunsch Koch war. Mit Blick auf das saftige Kotelett auf der Theke sagt er: „Ich esse sehr gern Fleisch.“ Bei ihm komme alles auf den Teller, religiös sei er nicht: „Daher bin ich nicht eingeschränkt.“ Das Kochen sei schon immer sein Hobby gewesen. Gestartet war er daher auch in sein Berufsleben in Deutschland als Küchenhilfe. Gut, um den Betrieb kennenzulernen, zieht der 36-Jährige rückblickend eine Bilanz, doch mit zu wenig Perspektiven für die Zukunft. Als Kels ihm die Ausbildung zum Fleischer vorschlug, musste Albeiruty nicht lange überlegen.

Die Flucht führte den Syrer über Griechenland nach Deutschland - und zur Ausbildung in Mülheim

„Ich bin nach Deutschland gekommen, weil man hier bessere Zukunftsaussichten hat als in meinem eigenen Heimatland, denn ich möchte auch Karriere in Deutschland machen.“ Hier in dem Bereich weiterzuarbeiten, mit dem er in Syrien sein Geld verdient hat, war für Moutaz Albeiruty nach einer Beratung bei der Arbeitsagentur schnell Geschichte, erzählt der angehende Fleischer augenzwinkernd: „In Syrien war ich DJ und habe damit gut verdient, aber ich habe schnell verstanden, dass das hier kein richtiger Beruf ist.“

Dass sein Weg ihn nach der Flucht 2016 nach Deutschland führen soll, nachdem er zunächst in Griechenland untergekommen war, war für den Syrer früh klar, denn sein Bruder lebt schon länger hier, hat in Deutschland Medizin studiert und arbeitet nun in einem Ratinger Krankenhaus. In der Nachbarstadt hat auch Moutaz Albeiruty sein neues Zuhause gefunden.

Mülheimer Metzgerei Nieß zeigt syrischem Azubi, wie man Fleisch zerlegt

Von dort aus pendelt er zu seinen Ausbildungsstellen in Essen und Mülheim. Denn alles, was ein Fleischer wissen muss, kann er im Supermarkt bei Kels nicht lernen. „Wir zerlegen beispielsweise das Fleisch nicht selbst, sondern bekommen es bereits so angeliefert“, erklärt Felix Kels.

Alexander im Brahm (l.), Inhaber der Metzgerei Nieß, der Auszubildende Moutaz Albeiruty (M.) und Felix Kels, Geschäftsführer von Edeka Kels in der Heißener Metzgerei Nieß.
Alexander im Brahm (l.), Inhaber der Metzgerei Nieß, der Auszubildende Moutaz Albeiruty (M.) und Felix Kels, Geschäftsführer von Edeka Kels in der Heißener Metzgerei Nieß. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Um aber auch grundlegende Fähigkeiten wie diese zu lernen und zu erfahren, wie man Wurst herstellt, durchläuft der Syrer Teile seiner Ausbildung bei der Heißener Metzgerei Nieß. Hier ist Alexander im Brahm seit gut einem Jahr der Chef. Über den Azubi, den er sich mit Edeka Kels teilt, sagt der Geschäftsführer: „Er fragt viel, ist wissbegierig und motiviert.“

Essener Edeka-Markt und Mülheimer Metzgerei teilen sich einen Azubi

Dass er Wissen an Moutaz Albeiruty weitergibt, das der Syrer schließlich nicht in seiner Metzgerei, sondern in einer Edeka-Filiale von Felix Kels zum Einsatz bringen wird, ist für im Brahm kein Problem: „Wir sind Partner, arbeiten schon länger zusammen und unterstützen uns auch auf diese Weise.“ Denn auch im Brahm weiß: Azubis fürs Fleischer-Handwerk sind mehr als rar. Er wiederum profitierte bereits mehrfach von Personal, das sich wegen der langen Öffnungszeiten vom Supermarkt verabschiedete und stattdessen in seinem Heißener Geschäft Arbeitsbedingungen fand, die besser zur persönlichen Lebenssituation passten.

Für den 36-jährigen Azubi Moutaz Albeiruty passt derzeit alles, er hat seine Zukunft bereits ganz klar vor Augen: „Im März habe ich Zwischenprüfung. Und nach der Ausbildung will ich auf jeden Fall weiter lernen und meinen Meister machen.“

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