Mülheim. Rutsche kaufen oder Regenwald? Für die Kinder der Mülheimer Schule am Dichterviertel am Ende keine Frage mehr. Welches Argument sie überzeugt hat.

Just sprechen Bundeskanzler Olaf Scholz und Brasiliens Präsident Luiz Lula viel über Handel und irgendwie auch über den Erhalt des Regenwaldes. In Mülheim sind 240 Kinder der Mülheimer Grundschule am Dichterviertel dagegen mit beidem schon einen Schritt weiter: dem Handeln und dem Regenwald: Sie haben 200.000 Quadratmeter Regenwald gekauft. Und ihn gleich wieder verschenkt.

Und zwar an die Huni Kuin, das indigene Volk im westlichen Teil Brasiliens (Acre). „Der Regenwald ist unsere Wohnung, unser Supermarkt und unsere Apotheke. Hier leben Jaguar, Tapir und Aras. Deshalb dürfen wir unseren Wald nicht verlieren. Ich möchte euch von ganzem Herzen danken“, spricht die 13-jährige Bimi am Montagmorgen vom Amazonas zu den Eulen, Drachen, Zebras und Schildkröten – das sind die Klassennamen der Grundschule am Dichterviertel. Und sie verabschiedet sich dann mit dem Gruß der Huni Kuin: „Hausch hausch!“

„Hausch hausch!“ grüßen Kinder von Mülheim nach Brasilien

„Hausch hausch!“ schallt es auch direkt zurück von den Kindern der Dichterschule – obwohl Bimis Dank natürlich nur eine Aufzeichnung per Video ist. Denn zwischen den beiden Heimatorten auf der nördlichen und südlichen Halbkugel liegen nicht nur gut 9000 Kilometer Luftlinie, sondern auch einige Zeitzonen.

Aufmerksam verfolgen die Schülerinnen und Schüler per Video die Dankesrede der 13-jährigen Huni Kuin „Bimi“ aus dem brasilianischen Regenwald.
Aufmerksam verfolgen die Schülerinnen und Schüler per Video die Dankesrede der 13-jährigen Huni Kuin „Bimi“ aus dem brasilianischen Regenwald. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Und doch ist den Mülheimer Kindern der Regenwald ganz nah geworden. „Er ist wie ein Haus für die Huni Kuin. Aber wir brauchen den Regenwald ja auch zum Leben“, argumentiert Viktoria (10). „Weil der Wald Sauerstoff produziert“, ergänzt Freundin Victoria (8) – „mit C“. Den Regenwald abzubrennen, um dort Rinder zu züchten oder Soja anzubauen, um es in andere Länder zu verkaufen, finden beide seltsam.

Gemeine Wahl: Rutsche oder Regenwald?

Doch allen Klima-Argumenten zum Trotz: Die Kinder mussten auch untereinander ganz schöne Überzeugungsarbeit leisten, als Philipp (9) und Emma vor einem Jahr den Vorschlag machten, Geld für den Erhalt des Regenwaldes zu sammeln. Denn der große Gegenspieler war: eine neue Rutsche. Fiese Entscheidung.

Doch das Kinderparlament der Grundschule stellte sich dieser Herausforderung und organisierte eine Debatte. Philipp, Nele (9), Giuliano (8), Viktoria und Victoria sammelten die Argumente und trugen sie vor. Die Abstimmung später in den einzelnen Klassen erfolgte nach den Regeln demokratischer Kunst. Und war auch eine knappe Sache, gibt Philipp zu. Immerhin ging es ja um eine Rutsche. Doch am Ende überzeugte sein bestes Argument für den Verzicht auf eigenen Luxus: „Wir haben doch genug Spielgeräte.“

„Das stimmt: Klettergerüst, Schaukel, Trampolin …“, zählt Viktoria mit „K“ auf und meint: Ne, Rutsche könne man bestimmt immer noch kaufen, „aber wenn der Regenwald weg ist …“

Beim Spendenlauf kaum zu bremsen

Gesammelt hat man den stolzen Betrag von 1000 Euro übrigens mit viel Schweiß und Anstrengung – und einem Spendenlauf im Mülheimer Wald Witthausbusch. 400 Meter mussten die Kinder pro Stempel laufen, dafür gab es in der Regel einen Euro. „Die meisten hatten 32 und mehr. Wir mussten sie richtig bremsen“, sagt Schulleiterin Nicola Küppers mit viel Stolz in der Stimme.

Sie haben ihre Klassen davon überzeugt, für den Erhalt des Regenwaldes zu spenden (v.l.): Philipp, Nele, Viktoria, Victoria und Giuliano.
Sie haben ihre Klassen davon überzeugt, für den Erhalt des Regenwaldes zu spenden (v.l.): Philipp, Nele, Viktoria, Victoria und Giuliano. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Was passiert nun mit der Spende? Sie geht an den gemeinnützigen Verein Living Gaia, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Land für die Huni Kuin zu kaufen, um es zu erhalten. Der Verein ist Teil eines Gute-Taten-Kalenders, den die Schule zu Weihnachten so aufbereitet, dass die Kinder ihn umsetzen können. Da geht es mal um die Vermeidung von Plastikmüll in den Ozeanen, den Schutz von kasachischen Wildeseln oder um ein Café für Obdachlose. „Es sind alle geprüfte Organisationen“, hat sich Küppers versichert.

Schulleitung Küppers: „Wichtig für die Kinder sind originäre Kontakte“

Denn die Spende soll ja zum einen dort helfen, wo es nötig ist, und zum anderen sei es für die Kinder wichtig, einen „originären Kontakt“, also möglichst direkten Bezug zu ihrem Engagement zu bekommen, sagt Schulleiterin Küppers. So nahm die Schule Kontakt zu Simon Knoop auf. Als Projektmanager bei Living Gaia hat er selbst in einer indigenen Gemeinschaft in Brasilien gelebt und gearbeitet. Er stellte den Kontakt zur 13-jährigen Bimi her.

Rund 16.000 Hektar Land will Living Gaia für die Huni Kuin kaufen, die dort regenerative Agroforstwirtschaft betreiben wollen, also davon leben, ohne ihre Lebensgrundlage zu zerstören. Für 1000 Euro könne man 200.000 Quadratmeter Wald erstehen, sagt Knoop – das sind immerhin 20 Hektar der Gesamtgröße. Die nun, dank der Kinder in der Dichterviertel-Schule, auch ein ideeller Teil Mülheims sind.

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