Mülheim. Mülheim mit einem Hauch Venedig: Der Architekt Martin Pawlik entwickelt eine Vision für die übrigen Ruhrbania-Baufelder. Kann sie wahr werden?
Ein Block mit vielen Fenstern, flacher Fassade, flachem Dach. Kein Blick bleibt an dieser eintönigen Fläche hängen – quadratisch, praktisch, aber gut? Auf dem Radschnellweg steht Architekt Martin Pawlik gewissermaßen an einem entwicklerischen Scheideweg: funktionales Ruhrbania rechts, variantenreiche Altbaufassade links. Und angrenzend die noch nicht entwickelten Baufelder. Wohin führt hier die Reise? Ginge es nach Pawlik, könnte auf dem alten Gelände ein Sehnsuchtsort entstehen, ein Mülheim in modern gewandelter Tradition mit einem Hauch Venedig.
Ein florentinischer Palazzo mit einem beeindruckenden Brunnen, Arkaden, unter denen man am Ufer verweilen kann und die den Blick auf die Ruhr freigeben, ein Park zur Erholung, abwechslungsreiche Wohnhäuser – schaut man durch die Augen des Architekten, entsteht im bisherigen Nirgendwo am Fluss ein nahezu märchenhafter Wohn- und Erholungsort mit einer Baukultur, die an den Gründerzeit- und Jugendstil des 20. Jahrhunderts erinnert.
Architekt will eine Kehrtwende beim Bauen: markante Fassaden in Mülheimer Tradition
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So fantastisch es klingen mag, das ist es nicht einmal. Denn ganz ähnlich gibt es schöne Gebäude bereits gegenüber an der Friedrich-Ebert-Straße. Nur kommt der filigrane Variantenreichtum dieser Fassaden gerade wegen der wuchtigen Bauten auf den unentwickelten Ruhrbania-Feldern kaum zu Geltung.
Pawliks Entwurf schlägt deshalb für die übrigen Ruhrbania-Baufelder eine bauliche Kehrtwende vor, die sich an solchen Vorbildern und ebenso am Stil der Stadthalle, des Rathauses und Stadtbads anlehnt: Bloß nicht so, wie es das „Stadtquartier“ bisher vorgegeben hat.
Im Osten entlang der Friedrich-Ebert-Straße sollen Wohnhäuser im Gründerzeitstil mit markanten Fassaden entstehen, deren Erker, Gauben, Türmchen, Gesimse und Farben das Auge auf Entdeckungsreise schicken. Im Erdgeschoss könnten Bäcker, Buchhandel, ein Restaurant weitere Anziehungspunkte für die Flaniermeile von Süden nach Norden bilden. Oder ein Café wie das historische Café Heinrich Lohscheidt.
Wohnen und Leben zwischen Venedig und Disneyland
„Ein bisschen Disneyland“, lacht Pawlik – aber nur im halben Ernst, weil solche Architektur nicht nur in Mülheim selten geworden ist, inzwischen fast fremd erscheint. „Dabei schlägt klassische Architektur die moderne jedes Mal. Wir sehnen uns nach schönen und besonderen Orten mit Harmonie“, erwidert Pawlik. Könnten Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden, würden die allermeisten der Architektur von Altbauten den Vorzug geben – so belegen es Umfragen. Warum also sollte man immer weit nach Venedig reisen müssen, um schöne Orte zu besuchen? Ein „Ruhr-Venedig“ – so nannte man den Bereich an der Mülheimer Stadthalle schließlich auch einmal – könnte Urlaubsgefühle auch hier schaffen.
Deshalb hat der Architekt hinter den schönen Fassaden einen großzügigen Park mit vielen Bäumen entworfen, wo derzeit eine Straße und Parkbuchten liegen. Von der Innenstadt aus ist er zu betreten, bietet im Süden einen Spielplatz. Im Norden, aktuell ist dort eine Wiese mit ein paar Bäumen, hat der Park sein Gegenüber: ein großer öffentlicher Platz mit einem Brunnen, zu dem von der Friedrich-Ebert-Straße aus ein Wasserlauf führen könnte.
Architekt Pawlik: „Ich will den Geist wecken“
Das angrenzende Kulturforum soll einen Raum für Musik-, Literatur- und Kunstveranstaltungen bieten. Der florentinische Palazzo aus Ruhrsandstein mit einem Türmchen will die Architektur des Rathauses aufgreifen und gleichzeitig einen Gegenpol zur „Monsterkreuzung“ an der Konrad-Adenauer-Brücke bilden. Drinnen: ein Museum, vielleicht zur Baukunst und Geschichte? „Ich will inspirieren und den Geist wecken“, erläutert Pawlik. Zur Brücke im Norden hin bildet ein Rundbau den Abschluss, der an eine römische Therme erinnern soll. Hier gibt es mehrere große Wasserbecken, die der Regenrückhaltung dienen und im Sommer für Bewässerung und Abkühlung sorgen.
Eine hohe Wohnqualität will der Architekt erreichen, kaum versiegelte Flächen, viel Grün, und alle Wohnungen entlang der Friedrich-Ebert-Straße sollen zur Ruhr ausgerichtet sein. Durch ihre kammartige Anordnung bilden sich halb-öffentliche Hinterhöfe, die sich zum Park hin öffnen können.
Die bloßen Zahlen: zwei Drittel Wohnen, ein Drittel Grün
Man könnte Martin Pawliks Vision auch ganz nüchtern fassen: 13.600 Quadratmeter sind für das Wohnen und den Handel reserviert – knapp 40 Wohneinheiten. 4900 qm hat der Palazzo, 450 die Arkaden – macht 18.950 qm. Ein Drittel der Fläche hingegen fällt dem Grün zu: 1100 qm für Hinterhöfe, 5000 für das Kulturforum mit Brunnen und Platz, für den Park sind 4300 qm reserviert.
Dass sein Entwurf von einem Wohnen und Verweilen an der Ruhr dennoch wie ein fantastischer Traum wirkt – und gerade nicht der quadratisch-praktische von renditeorientierten Investoren –, weiß Pawlik auch, aber warum eigentlich? „Dabei macht die Fassade nur zehn Prozent der Baukosten aus.“ Und doch gebe es ein Scheuklappendenken auch unter Architekten. Das Bauen wie früher werde kaum noch gelehrt, meint Pawlik. Die Altbauweise habe er sich deshalb autodidaktisch beigebracht, weil sie ihn fasziniere.
Ob seine Vision wahr werden kann? Das ist für ihn nicht das Wichtigste, sondern der Impuls: „Ich will mich mit diesem Entwurf bewusst von den üblichen Zwängen lösen, die momentan immer und überall gebaut werden.“
So ist der aktuelle Stand auf den Baufeldern 3 und 4
Aktuell muss man für Martin Pawliks Vision noch einige Vorstellungskraft aufbringen, denn auf den unentwickelten Baufeldern zwischen Radschnellweg und Konrad-Adenauer-Brücke stehen das alte AOK-Gebäude und Gesundheitsamt seit geraumer Zeit in der Abrissschleife.
Eine Idee, wie das Gelände einmal schöner aussehen könnte, gab es zuletzt vor sieben Jahren, 2016, im Planungsausschuss: verschiedene Stadthaustypen um einen grünen Mittelpunkt wie in englischen Städten, ein Bürogebäude zur verkehrsreichen Brücke hin. Einen begeisterten Investor fand man dafür bislang nicht, im vergangenen Jahr aber hat die Stadt zumindest das AOK-Grundstück erworben.
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