Mülheim. Wie geht es für sie weiter, wenn das Werk schließt? Mülheimer Vallourec-Beschäftigte schauten sich auf einer Jobbörse nach Perspektiven um.
Das letzte Rohr ist bereits gefallen, der emotionale Moment wurde auf zahlreichen Videos festgehalten. Am Jahresende ist dann endgültig Schluss mit der Rohrproduktion im Mülheimer Werk zwischen Dümpten und Styrum. Dreieinhalb Monate vor der Werksschließung sind noch immer zahlreiche Beschäftigte auf Arbeitssuche – wie die letzte Jobbörse in der Mülheimer Westenergie-Sporthalle am Samstag belegte.
Die Redaktion hat sich unter den scheidenden Vallourec-Mitarbeitenden umgehört. Das sind ihre Perspektiven, Hoffnungen und auch Sorgen.
Auf 500 bis 1000 Menschen schätzt Herbert Schaaff, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor von Vallourec Deutschland, die Menge derer, die noch immer keine Anschlussbeschäftigung gefunden hat. „Wir haben Wert darauf gelegt, dass die Leute bis zum Schluss bei uns sind. Der Zeitdruck, der jetzt da ist, ist also auch ein Stück weit vom Unternehmen verursacht“, sagt Schaaff.
Nichtsdestotrotz ist er für seine scheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber guter Hoffnung. „Wir haben nach den jüngsten Jobbörsen den Eindruck, dass sich die Prozesse seitens der Unternehmen beschleunigen“, so Schaaff. Der ein oder andere habe innerhalb einer Woche ein Vorstellungsgespräch bekommen, teilweise wurde in der darauffolgenden Woche bereits ein Zweitgespräch vereinbart.
Mülheimer Maschinenschlosser: „Theoretisch habe ich noch ein Jahr Zeit“
Peter Weiß (56) ist seit 39 Jahren bei Vallourec und dort seit 2000 in der Produktion tätig. „Jetzt muss ich ein bisschen gucken, im Grunde habe ich noch keine Ahnung“, sagt der gelernte Maschinenschlosser. „Zehn Jahre muss ich noch arbeiten, da komme ich nicht drum herum.“
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Trotz seiner 56 Jahre ist er noch einmal für alles offen. „Es kann auch was ganz Neues sein, vielleicht Maschinenbediener irgendwo“, sagt er. Druck macht er sich keinen. „Ich habe theoretisch noch ein Jahr Zeit“, sagt er mit Blick auf die Transfergesellschaft, die Kurzarbeitergeld und eine Aufstockung auf 85 Prozent des einstigen Vallourec-Gehaltes verspricht. „Wenn man den Arbeitsmarkt so anguckt, sind da genug Plätze, für die Leute gesucht werden.“
Transfergesellschaft dient als Übergang für ein Jahr
Auch Michaela Lotze (57) wird sich ein Jahr lang der Transfergesellschaft anschließen. Nach verschiedenen Stationen im kaufmännischen und finanziellen Bereich ist sie seit sechs Jahren als Sekretärin beschäftigt. Trotz mehrerer Vorstellungsgespräche hat es bis jetzt noch nicht mit einer neuen Stelle in einem Sekretariat oder als Sachbearbeiterin geklappt.
„Was ich etwas schade fand, war, dass man über eine der Jobbörsen die Chance bekam, eine Bewerbung abzugeben, ohne sich persönlich vorzustellen, und dann doch eine Absage bekam.“ Dennoch bleibt sie optimistisch.
Mülheimer Vallourec-Mitarbeiter: „Nach 38 Jahren fängt man nichts Neues mehr an“
Thomas Schönberg möchte am liebsten in seinem alten Beruf weitermachen. Seit 38 Jahren ist er Instandsetzer bei Vallourec. „Da fängt man nichts Neues mehr an. Ich habe meinen Beruf immer gerne gemacht und den möchte ich nach Möglichkeit auch bis zuletzt weiter ausführen“, sagt der 55-Jährige.
Seit letztem Oktober, als die Schließung bekannt wurde, ist er auf der Suche. „Natürlich war das ein Schock, wir hatten immer gute und schlechte Zeiten, aber mit einer Werkschließung hat, glaube ich, keiner gerechnet. Vor allem, weil mit unserem Unternehmen eine absolute Ära in Deutschland zu Ende geht“, sagt Schönberg.
Seine Herausforderung bei der Jobsuche: „Wir sind über 50 und der Markt ist meistens für solche Leute nicht mehr so attraktiv wie für 20- oder 30-Jährige“, sagt der Mülheimer. Er spreche viele Firmen auch gezielt auf das Thema an. „Offiziell wird es ja nie gesagt, dass es am Alter liegt“, sagt Schönberg, bleibt aber guter Hoffnung: „Der Bedarf ist laut den Firmen da, aber was am Ende dabei herauskommt, wird man sehen.“
Drei Kinder und ein Haus – „da muss man sich alles durch den Kopf gehen lassen“
Ünal Yavuz ist nach mehreren Zeitarbeitsverträgen erst seit 2016 fest als Walzer im Unternehmen.
„Ich habe drei Kinder und ein Haus, das ich abbezahlen muss. Da muss man sich alles durch den Kopf gehen lassen, wie es weitergeht“, sagt der 38-Jährige und fügt durchaus nachdenklich hinzu: „Angst haben wir natürlich alle.“
Aktuell interessiert er sich in erster Linie für eine Anstellung als Immobilientechniker. „Chancen habe ich da, die Schulungen muss man aber erst absolvieren.“
IT-Expertin bleibt trotz Werkschließung in Mülheim positiv gestimmt
Die erste Enttäuschung hat Susanne Fischer offensichtlich gut weggesteckt. „Ich bin sehr positiv gestimmt“, sagt die 54-Jährige, die nach 25 Jahren im Controlling zuletzt in der IT gearbeitet hat und dies auch noch bis Ende 2024 tun wird.
„Dennoch kann man jetzt schonmal Kontakte knüpfen und es ist eine gute Sache, die Vallourec hier auf die Beine gestellt hat. Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht und kann bestätigen, dass der Bedarf auf jeden Fall da ist“, sagt Fischer. Vor allem in ihrem Bereich: „Ich würde gerne weiter in der IT arbeiten und da es genug Bedarf gibt, spricht da ja auch nichts gegen.“