Mülheim. Die erste Mobilstation in Mülheim-Saarn ist eröffnet. Sie soll den Umstieg zwischen Bus, Fahrrad und Leihwagen einfacher machen. Wie geht das?
Auf ein eigenes Auto zu verzichten, ist für viele schwierig. Vor allem der Wechsel vom Rad zum Bus oder Leihwagen ist kompliziert. In Mülheim will man schon seit Jahren den Stein aus dem Weg räumen mit Mobilstationen: Die Ruhrbahn hat nun die erste in Saarn fertiggestellt und verknüpft Leih-Fahrräder, Scooter, Buslinien und auch Leihwagen an einem Ort. Wie praktisch ist das? Und kann man nun ohne ein eigenes Auto auskommen?
Vom Prinzip her kann man zwar schon jetzt einfach planen, wie man von A nach B kommen will: Mit der „Zäpp“ – die App der Ruhrbahn – sieht man auf einer Karte nicht nur in Echtzeit, wo der nächste Bus gerade unterwegs ist und wie viele Leute darin sind. Sie zeigt auch an, wie viele Leihräder gerade wo und in welcher Entfernung verfügbar sind, wo E-Scooter stehen und wie deren Ladestand ist, und auch, wo Leihautos bereitstehen.
Wechseln zwischen Bus, Rad oder Auto ohne lange Wege
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Doch die neue Mobilstation am Saarner Dorfeingang (Düsseldorfer Straße) bringt alle Verkehrsmittel geordnet und gut sichtbar an einem Ort zusammen, ohne dass man in die technischen Tiefen von Smartphone-Applikationen eintauchen muss. Und ohne lange Wege. Am Platz halten vier Buslinien Richtung Mülheim Hauptbahnhof, Selbeck (Düsseldorf, Ratingen), Essen-Kettwig und Speldorf. Überdacht sind nun auch die Leihfahrräder sowie Ständer für das eigene Fahrrad entlang des Parkplatzes. E-Scooter stehen nebenan in einem eigenen, grün umzeichneten Abstellfeld. Und auch die weißen E-Autos des Carsharing-Unternehmens „Stadtmobil“ haben zwei reservierte Stellplätze bekommen.
Freilich: Ohne sich vorher bei dem jeweiligen Betrieb angemeldet zu haben, geht es nicht. Auch das kann oft per App laufen.
Mülheim setzt auf Mobilstationen als Baustein
Viel Hoffnung auf einen Verkehr mit besserer Klimabilanz, mit weniger privaten Autos und mehr Fahrrädern auf der Straße, auch eine Stärkung des ÖPNV ist mit den Mobilstationen verknüpft. „Der ÖPNV bietet für viele Wege ein gutes Mobilitätsangebot, aber eben nicht für alle“, meint Umwelt- und Verkehrsdezernent Felix Blasch. Die Mobilstationen sollen den Baustein bilden für eine Verkehrswende mit viel Auswahl.
Für Ruhrbahn-Chef Michael Feller sollen sich die unterschiedlichen Verkehrsmittel ergänzen und solche Stationen einen schnellen, unkomplizierten Wechsel vom Rad zum Bus oder zum Leihwagen möglich machen. Damit böte man eine „echte Alternative zum privaten Auto“.
Vier Stationen in Mülheim sind seit Jahren geplant
Vier Stationen für Mülheims klimafreundlichen Verkehr sind schon seit Jahren geplant. Bezirksbürgermeisterin Elke Oesterwind ist froh darüber, dass Saarn jetzt den Auftakt gemacht hat, und hofft auf die baldige Umsetzung auch in der Broicher Mitte. Bisher lief die Umsetzung allerdings mehr als nur schleppend. Auf Stationen in der Broicher Mitte, an der Von-Bock-Straße und am Evangelischen Krankenhaus wird man wenigstens noch bis 2024 warten müssen. Dabei hatte eine Studie des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr längst etliche mehr – rund 20 Orte – für Mobilstationen ausgemacht.
Timo Spors, grüner Vorsitzender des Mobilitätsausschusses, wäre dafür, möglichst in allen Quartieren zügig zentrale Stationen zu bauen. Denn für die Grünen sind sie wichtige Elemente, um in Mülheim doch noch die Klimaneutralität bis 2035 hinzubekommen.
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Doch das Ausbautempo wird vor allem durch die Wirtschaftlichkeit entschieden – auch deshalb fiel die Wahl auf vier vielversprechende Orte. Und nicht zuletzt durch die Nachfrage. Edgar Augel, Vertriebsleiter von Stadtmobil, hat ermittelt, dass rund 80 Prozent der Fahrten mit dem Leihwagen für kurze Strecken genutzt werden. Zum Beispiel Einkäufe werden damit gemacht. Die Fahrt mit dem Kombi kostet für zwei Stunden und zehn Kilometer regulär 12,14 Euro, wer das häufig nutzt, spart rund 20 Prozent und zahlt 9,71 Euro.
80 Prozent der Leihwagen-Fahrten dienen kurzen Strecken, etwa zum Supermarkt
Viel Geld? Doch wer völlig auf das Auto verzichtet, soll laut Augel damit aufs Jahr gerechnet immer noch günstiger und vor allem klimafreundlicher fahren als mit dem Unterhalt eines privaten Pkw. Und der steht bekanntlich mehr herum, als er fährt. Ein „free floating“-System, bei dem man – ähnlich wie bei den E-Scootern – den Leihwagen frei in Hausnähe abstellen kann, ist vorerst nicht geplant. Erste Erfahrungen, die Stadtmobil in Essen machte, deuten aber auch an, dass feste Stationen durchaus Vorteile haben: „Man kann sich auf einen Parkplatz verlassen und muss nicht auf Parkplatzsuche lange um den Block fahren“, meint Augel.
Das Leihrad und der E-Scooter sollen daher die letzte Meile zwischen Haustür und Mobilstation bedienen. Die Scooter erfüllen das längst und stehen aktuell in Mülheim - anders als etwa in Paris oder Düsseldorf – nicht so im kritischen Fokus. Mit definierten Zonen in der Innenstadt und in Stadtteilzentren habe man die anfängliche Problematik abgemildert, sagt Friedrich Brors vom Anbieter Tier. Er begrüßt die Zusammenarbeit mit der Ruhrbahn, denn so erreiche man auch die Nichtkunden.
Metropolrad profitiert in Mülheim von der Verbindung zum Nahverkehr
Und nicht zuletzt profitiert auch das Metropolrad von dem Anschluss an mobile Knotenpunkte: 120 Räder stehen in Mülheim an 35 Stationen. 2022 gab es rund 30.000 Ausleihen und in diesem Jahr hat man bereits die 20.000er Marke überschritten. Der Standort Saarn, den es schon vor der offiziellen Eröffnung der Mobilstation gab, liegt im Jahresschnitt unter den Top-10-Stationen in der Stadt hinter dem Hbf und den Standorten an der Hochschule Ruhr West.