Mülheim. Dicht zugewuchert mit Pflanzen ist der Balkon des Mülheimers André Nowatzki. Hinter dem grünen Vorhang geht es nicht weniger interessant weiter.

Wenn es in Mülheim ein Wunderland gibt, dann ganz sicher am Springweg. Schon beim Vorbeilaufen sieht man, dass an der Wohnung von André und Jenny Nowatzki etwas anders ist. Der Balkon der beiden ist ein Dschungel. Oder wie uns ein Leser und Nachbar der Nowatzkis schrieb: „Das ist der schönste Balkon in ganz Mülheim!“ Dass man hier auf einen Balkon blickt, muss man erst einmal realisieren. Wo normalerweise eine Brüstung und vielleicht noch ein paar Gartenstühle zu sehen sind, blickt man bei Nowatzkis auf eine grüne Wand aus Wein, Prunkwinde, Sonnenblume und sogar einer Kiwipflanze. Noch erstaunlicher ist der Blick hinter den grünen Vorhang.

Wer auf dem Balkon der Nowatzkis Platz nimmt, kann nicht nur die Kühle genießen und das Gefühl, mitten im Grünen zu sitzen. Dank der Vogel- und Insektentränke und der Vogelhäuser schaut auch ab und zu tierischer Besuch vorbei. „In diesem Jahr haben Blaumeisen bei uns genistet. Die haben sich hier ganz entspannt bewegt und ihre Jungen gefüttert, während wir dabeisaßen“, erzählt André Nowatzki. Seine Frau Jenny zeigt Handyfotos von einem Eichhörnchen, das in der grünen Laube eine Pause einlegte.

Der Balkon ist nur der Eingang zum Wunderland des Mülheimers

Hinter dem grünen Vorhang ist es angenehm kühl und gar nicht so dunkel wie gedacht. Die Nowatzkis bekommen regelmäßig Besuch von Vögeln, Eichhörnchen und Insekten.
Hinter dem grünen Vorhang ist es angenehm kühl und gar nicht so dunkel wie gedacht. Die Nowatzkis bekommen regelmäßig Besuch von Vögeln, Eichhörnchen und Insekten. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Doch der Balkon zeigt längst noch nicht das gesamte Ausmaß der Pflanzenliebe. Wenn man zur Wohnungstür hereinkommt, stellt man fest: Der Balkon ist erst der Anfang. Denn in der Wohnung der Nowatzkis blüht es auch an jeder Ecke - nur anders. Dort nämlich entstehen in liebevoller Kleinstarbeit Draht-Bonsais, die den echten Exemplaren so genau nachgebildet sind, dass man nur staunen kann. „Mein neuester Baum hatte 4500 Blüten. Das waren 50 Stunden Arbeit“, sagt André Nowatzki.

Vor etwa einem Jahr erst hat Nowatzki mit diesem Hobby begonnen. Kreativ war er schon immer, das sieht man ebenfalls auf den ersten Blick. Das Sideboard im Wohnzimmer besteht aus einem Naturholzbrett und einer in der Mitte geteilten Vespa-Karosserie. Die andere Hälfte hängt als beleuchtetes Regal im Zimmer des Sohnes. Sämtliche Bilder an den Wänden sind selbst gemalt, häufig mit Airbrush. Aber die Drahtbäume ziehen mit ihrer Detailtreue jeden Blick auf sich.

„Angefangen hat alles damit, dass meine Frau einen Drahtbaum im Internet gesehen hat, der 1800 Euro kosten sollte. Da habe ich gedacht: Das kann ich selber.“ Und das konnte er in der Tat. Allerdings startete der 40-Jährige damals mit dickem Weidedraht. „Das war auf Dauer ein wenig schmerzhaft für die Finger“, scherzt er. Inzwischen arbeitet er mit dünnerem Draht, den es in allen Farben des Regenbogens gibt. Und seine Frau bekam nicht einen Drahtbaum, sondern gleich eine ganze Plantage.

Auf den ersten Blick nicht von einem echten Bonsai zu unterscheiden, auf den zweiten Blick ein faszinierendes Kunstwerk: In die Drahtbäume des Mülheimers fließt stundenlange Kleinstarbeit.
Auf den ersten Blick nicht von einem echten Bonsai zu unterscheiden, auf den zweiten Blick ein faszinierendes Kunstwerk: In die Drahtbäume des Mülheimers fließt stundenlange Kleinstarbeit. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Der Mülheimer gehörte zur Vallourec-Belegschaft - die Zukunft ist ungewiss

Metall ist ein Werkstoff, der Nowatzki liegt. Er war als Materialprüfer bei Vallourec beschäftigt. Als klar war, dass das Mülheimer Werk geschlossen wird, wurde er in eine Zeitarbeitsfirma ausgegliedert und arbeitet seitdem bei Europipe. Aber auch dort endet seine Arbeit Ende September. „Ich bin auf der Suche“, sagt der Familienvater. Sein Hobby lenkt ihn ab, gibt ihm zu tun. „Wann immer ich die Hände frei habe, bastel ich rum.“

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Das war schon immer so. Mit fünfzehn bekam André Nowatzki von einem Pizzabäcker ein selbst gebautes Aquarium geschenkt. Damals entstand seine Liebe zu Pflanzen - Unterwasserpflanzen. Auch heute noch stehen Aquarien in der Wohnung der Familie, in denen es unter Wasser blüht. Sein neuester Coup ist das Züchten von Orchideen. Dafür hat er sich extra Zahnarztbesteck besorgt.

Ob Bilder oder Möbelstücke - André Nowatzki hat seine selbst gestalteten Kunstwerke noch nie öffentlich ausgestellt. Bei den Drahtbäumen könnte er sich jedoch vorstellen, den Schritt an die Öffentlichkeit zu wagen. „Ich weiß nur noch nicht wie“, sagt er und ist für Ideen offen.

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