Mülheim. Sie schlägt sich in Deutschland mit kleinen Jobs durch. Jetzt muss sie wegen der Gräber ihrer Eltern zurück in ihre Heimat – hier hilft Jolanthe.

Sie muss, sie will zurückkehren in ihr Heimatland, um sich um die Gräber ihrer Eltern zu kümmern – doch die Reise dorthin wird sie nicht nur Nerven kosten, sondern auch eine Stange Geld. Geld, das die Alleinstehende, die auch mit 67 Jahren unermüdlich arbeiten geht, nicht hat. Hier setzt unsere Benefiz-Aktion Jolanthe an, für die zahlreiche Mülheimerinnen und Mülheimer großzügig gespendet haben.

Endlich wieder am Grab ihrer Eltern stehen können, Kerzen anzünden, Blumen niederlegen – und wissen, dass nun alles geklärt ist, dass sie alle Dokumente hat, um die Ruhestätten ihres Vaters und ihrer Mutter bewahren zu können. Nichts wünscht sich Petra N. sehnlicher, doch der Weg dahin ist buchstäblich ein weiter. Petra N. heißt eigentlich anders, stammt aus einem osteuropäischen Land und arbeitet mit ihren 67 Jahren noch immer, um ihre schmale Rente aufzustocken. Woher sie genau stammt, das will Petra N. nicht sagen, zu sehr schämt sie sich für ihre Landsleute, die, so sagt sie, in Deutschland verrufen seien.

20 Jahre schuftete Mülheimerin in einer Pommesbude – dann wurde ihr gekündigt

Seit rund 30 Jahren lebt sie in Deutschland, hatte zuvor in ihrer Heimat als technische Zeichnerin gearbeitet. Hier aber wurde ihre Ausbildung nicht anerkannt, also machte sie andere Jobs. „Ich bin keine Prinzessin auf der Erbse“, stellt Petra N. klar. Also stand sie tagein, tagaus in einer Pommesbude, 20 Jahre lang – dann wurde ihr gekündigt, unter übelsten Umständen, wie Beraterin Gabi Spitmann vom Mülheimer Arbeitslosenzentrum weiß, die Petra N. seit über zehn Jahren begleitet. „Als sie arbeitslos wurde, war sie Anfang 50 – da musste sie sich einiges anhören, als sie sich auf neue Jobs beworben hat“, hat die Malz-Beraterin mitbekommen.

Unterkriegen aber ließ sich Petra N. nie. Die zierliche Frau, Mitte 60, mit den blond gefärbten Haaren, dem dezenten Make-up und der schicken roten Steppjacke sagt resolut: „Ich möchte auf eigenen Beinen stehen, Arbeit bedeutet Freiheit.“ Ihr Vater sei ihr da ein großes Vorbild gewesen: „Er hat immer gearbeitet, das hat mich geprägt.“ Als die Pommesbudenbetreiberin sie auf die Straße setzte, suchte sich Petra N. andere Jobs, in einer Bäckerei, in einem Café, in einer Boutique. Über diese Zeit sagt Petra N.: „Das war mein großes Glück! Ich hatte nicht nur Arbeit und Geld, ich habe auch die Sprache gelernt und bin Menschen begegnet.“

Mülheimerin will das Versprechen einlösen, das sie ihrem Vater vor seinem Tod gab

Vor diesem Optimismus zieht Gabi Spitmann den Hut. „Wenn ein Job endete, hatte sie schon einen neuen – aber immer unter dem Mindestlohn“, schildert die Malz-Beraterin das Bemühen der Mülheimerin unabhängig zu sein. Zum Amt gehen, um Sozialleistungen bitten, das kommt für Petra N. absolut nicht in Frage. Auch jetzt nicht, wo ihre Rente trotz rund vier Jahrzehnten Arbeit so gering ist, dass sie eigentlich Grundsicherung im Alter beantragen könnte, wie Malz-Beraterin Spitmann betont. Zu sehr sei sie durch den Einsatz ihres Vaters geprägt, unterstreicht Petra N.: „Er war mein Fundament.“

Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), unterstützt Menschen, die arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Viele ihrer Klienten sind sogenannte Aufstocker – Geringverdiener, die ohne zusätzliche Sozialleistungen nicht über die Runden kommen.
Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), unterstützt Menschen, die arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Viele ihrer Klienten sind sogenannte Aufstocker – Geringverdiener, die ohne zusätzliche Sozialleistungen nicht über die Runden kommen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ihr Vater sei es auch gewesen, dem sie vor seinem Tod versprochen habe, das Familiengrab zu erhalten. „Die Gräber meiner Eltern müssen verlängert werden, damit sie nicht eingeebnet werden“, erzählt Petra N.. Um das zu beantragen, muss sie zurück in ihre Heimat, dort bestimmte Dokumente anfordern. Das sei kompliziert und zeitaufwendig, weil einige ihrer Papiere noch auf ihren Mädchennamen liefen, einiges sei über die Jahre auch verloren gegangen und muss neu beschafft werden. „Das kostet alles Geld“, weiß die 67-Jährige, die auf sich allein gestellt ist und derzeit als Haushaltshilfe arbeitet. Solange es gesundheitlich geht, wolle sie arbeiten, daran lässt sie keinen Zweifel: „Warum auch nicht, ich hab zwei Hände und zwei Beine – und keinen falschen Stolz.“

Bedürftige Mülheimerin: „Ich hab immer gekämpft.“

„Wenn ich es geschafft habe, die Dokumente zu bekommen, gehe ich zum Grab meiner Eltern und erzähle ihnen davon“, sagt die Mülheimerin mit einer Mischung aus Nervosität und Vorfreude in der Stimme. Wie um zu unterstreichen, dass ihr Plan sicher gelingen wird, schiebt sie vehement hinterher: „Ich hab immer gekämpft.“

Damit sie ihren sehnlichsten Wunsch umsetzen und sich um die Gräber ihrer Eltern kümmern kann, erhält Petra N. finanzielle Unterstützung aus den Spenden, die Mülheimerinnen und Mülheimer für unsere Benefiz-Aktion Jolanthe gegeben haben. Doch nicht nur sie allein wird davon profitieren, so viel steht für Petra N. fest. Wie es Tradition in ihrer Heimat ist, wird sie an die Obdachlosen und Hilfesuchenden, die rund um den Friedhof in ihrem Heimatdorf leben, bei ihrem Besuch im Namen der Verstorbenen Nahrungsmitteln verteilen und sagen: „Das ist von meinem Vater und von meiner Mutter.“

Kontakt zum Mülheimer Arbeitslosenzentrum: 0208/32 521

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