Mülheim. Die Anwohner im Mülheim-Dümptener Viertel sind gespalten über die neue Busführung. Überwiegt Ärger oder die Chance auf bessere Mobilität?

Es ist diesmal nur eine kleine Blechkarawane, die sich am Mittag Rüssel an Schwanz an den 136er gehängt hat. Denn an ihm kommt hier gerade niemand vorbei. Mit Bedacht fädelt sich der Bus durch ein Nadelöhr aus parkenden Autos, um vom Wenderfeld auf die Oberheidstraße zu schwenken. Seit Montag macht die Linie in Dümpten diesen Schlenker über den Sportplatz, Denkhauser Höfe und Borbecker Straße. Seitdem kommt Kritik aus dem Königreich.

Die Dümptener Änderung im Nahverkehrsplan ist nur ein Beispiel von vielen, die in den Mülheimer Stadtteilen für Verunsicherung und Ärger sorgen. Selbst dort, wo eine Neuerung auch Mobilitätsvorteile schaffen kann.

Kritik an neuer Mülheimer Route: schlechte Kommunikation der Ruhrbahn

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Mehrere Kritikpunkte stoßen bei der neuen Teilstrecke des 136er auf: Die veränderte Route führt dazu, dass Anwohner, die die Haltestelle Frintroper Straße an der Oberheidstraße genutzt haben, nun gut 230 Meter weiter ins Wenderfeld laufen müssen. Die Seniorin Rosemarie Rittmann hat es wie ein Schlag getroffen als sie an ihrer gewohnten Haltestelle lapidar lesen musste: „Diese Haltestelle ist für die obengenannte Linie dauerhaft aufgehoben.“

So fährt die Buslinie 136 seit dem neuen Mülheimer Nahverkehrsplan: Die Änderung betrifft den Abschnitt zwischen Frintroper und Agnesstraße.
So fährt die Buslinie 136 seit dem neuen Mülheimer Nahverkehrsplan: Die Änderung betrifft den Abschnitt zwischen Frintroper und Agnesstraße. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Dabei ist die Mülheimerin auch wegen der Anbindung vor der Haustür in eine barrierefreie Wohnung im Neubauquartier „Dümpten 23“ des SWB gezogen. Nun wähnt sie schon, 1,3 Kilometer laufen zu müssen, um zur Straßenbahn 104 an der Aktienstraße zu kommen. Denn ein Hinweis an der alten Haltestelle, dass die neue knapp 230 Meter entfernt liegt? Fehlanzeige.

Die Kommunikation der Ruhrbahn zu der immerhin gravierendsten Umstellung des Mülheimer Nahverkehrs seit Jahrzehnten sei „maximal ausbaufähig“, heißt es inzwischen noch höflich aus politischen Kreisen.

Die neue Haltestelle der Linie 136 an Denkhauser Höfe wird immer wieder zugeparkt – so waren es die Anwohner jahrelang gewohnt.
Die neue Haltestelle der Linie 136 an Denkhauser Höfe wird immer wieder zugeparkt – so waren es die Anwohner jahrelang gewohnt. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Kritikpunkt 2: Gewohnte Parkplätze fallen weg

Kritikpunkt 2: Die veränderte Route führte zur teilweisen Verlegung von Haltestellen an gänzlich neue Orte. Dort fallen Parkplätze weg, wie etwa an der neuen Haltestelle Oberdümpten an der Ecke Denkhauser Höfe, Borbecker Straße. Dort – und auch nicht legal in der Kurve zur Borbecker Straße – haben regelmäßig Fahrzeuge geparkt. Etwa acht Plätze sind nun weg. Gibt es dafür Ersatz? Die Sorge um höheren Parkdruck im Viertel steigt.

Der dritte und wohl größte Kritikpunkt: Die Enge der Straßen, durch die der Bus nun führt. Auf der großzügigen Oberheidstraße war das kein Problem. Doch die neue Route führt auch über Straßen, die bewusst baulich verkehrsberuhigt wurden und wo Tempo 30 gilt.

Ähnliches Bild auch im Bereich der Haltestelle Wenderfeld: Die Umgewöhnung wird wohl noch eine Weile dauern.
Ähnliches Bild auch im Bereich der Haltestelle Wenderfeld: Die Umgewöhnung wird wohl noch eine Weile dauern. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Kritikpunkt 3: Straßen sind zu eng – Rückstau am Morgen

Im Verlauf des Wenderfelds betrifft das hauptsächlich die Einmündung an der Oberheidstraße. Spätestens kurz vor dem Sportplatz besteht ausreichend Platz für den Busverkehr – wenn nicht gerade die neuen Haltestellen zugeparkt werden. Was vorkommt, womöglich aus Gewohnheit.

Das Problem aber soll sich zu Stoßzeiten zeigen, wie Anwohner berichten. Insbesondere morgens vor acht Uhr staue sich der Verkehr im nördlichen Teil der Borbecker Straße rund um die Barbarastraße, wo die Grundschule und eine Kita liegen. Der Rückstau ziehe sich über einen halben Kilometer runter bis zu den Denkhauser Höfen und teils in die Seitenstraßen hinein.

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Auch für den Bus ist dann kein Fortkommen mehr. Verursacher ist aber nicht unbedingt der Nahverkehr, sondern: „Helikopter-Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule oder zur Kita bringen“, sagt Hans-Günter Peters. Der Oberdümptener wohnt seit mehr als 30 Jahren im Quartier und bekommt den Verkehr recht gut mit: „Das fängt gegen 7.20 Uhr an – ist aber nach etwa einer halben Stunde wieder vorbei.“

Was dafür spricht: der Sportplatz und Chance auf weniger Individualverkehr

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Einigen Stau verursachten auch die verschiedenen Baustellen, sagt Peters. Doch eines wird beim Blick zur Mittagszeit ebenso deutlich: Im Viertel sind nicht nur viele Stellplätze, zumindest die zahlreichen Einfamilienhäuser haben jeweils auch eine Garage mit Zufahrt. Sondern auch jede Menge Autos. Pro Haushalt wohl mindestens zwei – vermutet auch Peters, im Extremfall auch fünf: „Es ist kein reiches Viertel wie im Uhlenhorst, aber gehobener Mittelstand.“

Dass der 136er nun den Schlenker über den Sportplatz mache, sei aus Peters Sicht mehr als überfällig, „das ist eine Bezirkssportanlage, die ohne Anbindung an den Nahverkehr war – das muss man sich mal vorstellen“. Mit dem neuen Streckenteil rückt der Nahverkehr aber auch deutlich näher an bislang nicht erschlossene Wohngebiete an den Denkhauser Höfen und Möllhofstraße heran. Wird das die Mobilität im Quartier nachhaltig verändern, den Umstieg vom Auto auf den Bus begünstigen?

Peters wägt ab: Viele stiegen schon an der Haltestelle Oberdümpten ein. Am meisten aber dürfte es den Verkehr zum Sportplatz entlasten, hofft er. „Wenn die Shamrocks spielen, ist alles vollgeparkt – das sollten Sie sich mal anschauen.“ Allein dafür lohne sich die neue Haltestelle.