Mülheim. Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt: Nicht nur ältere Menschen haben damit zu kämpfen. Was eine Mülheimer Ärztin rät – gerade auch Jüngeren.
Die Hitzewellen des Sommers macht nicht nur alten und kranken Menschen zu schaffen. Die hohen Temperaturen führen auch in der Zentralen Notaufnahme des Evangelischen Krankenhauses in Mülheim zu mehr Patienten. Eine Mülheimer Medizinerin gibt Tipps – etwa auch Jüngeren, die Sport treiben oder SUP fahren.
Gerade wenn die Temperaturen mehrere Tage die 30 Grad-Marke überschreiten, kommt es in den Notaufnahmen der Krankenhäuser vermehrt zu Patienten, die unter der Hitze leiden. Dabei handelt es sich nicht nur um ältere, sondern oft auch um junge Menschen. Annette Friese (54) arbeitet seit 2010 im Evangelischen Krankenhaus zunächst als Oberärztin der Kardiologie und seit 2019 als Chefärztin der Zentralen Notaufnahme. Sie gibt einen Einblick in die Arbeit der Zentralen Notaufnahme an heißen Tagen.
Bei Blitzeis im Winter Knochenbrüche, bei Hitze im Sommer Sonnenstich
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Auch wenn die Sommermonate bislang in der Zentralen Notaufnahme noch nicht die dramatischen Auswirkungen des Hitzesommers von 2021 erreicht hatten, kann sie bereits mehr Patienten verzeichnen. „Immer, wenn es saisonale Extreme gibt, kommt es zu einem Mehranfall von bestimmten Patientengruppen“, erklärt Annette Friese den Anstieg. Während im Winter bei Blitzeis hauptsächlich vermehrt Knochenbrüche behandelt werden, ist es im Sommer bei einer Hitzewelle die Austrocknung.
„Viele Patienten erkennen die Warnzeichen nicht“, mahnt sie. „Gerade im Alter nimmt das Durstgefühl ab und es kommt zu vermindertem Trinken. Dazu spielen auch noch verordnete Medikamente eine Rolle. Ein entwässerndes Herzmedikament kann zum Beispiel eine Imbalance auslösen. Ein bis zwei Tage kann der Körper das aushalten, doch bei einem Zeitraum von mehreren Tagen wird es gefährlich.“ Die Ärzte der Zentralen Notaufnahme erkennen durch Symptome wie ausgetrocknete Haut und Verwirrtheit eine Reaktion auf die Austrocknung. Die Patienten sind in ihrer Wahrnehmung und Orientierung beeinträchtigt. Dann heißt es schnell, aber bedacht zu handeln.
Mülheimer Ärztin: Nicht nur Älteren schlägt Hitze auf die Gesundheit
Bei der Aufnahme in die Zentrale Notaufnahme bekommen die Patienten Blut abgenommen und einen Zugang, über den sie eine Infusionslösung erhalten. „Jedoch kann man nicht innerhalb von ein, zwei Stunden ausgleichen, was in einer Woche zu wenig zugeführt wurde“, erklärt Annette Friese. Deshalb werden ältere Menschen oft stationär aufgenommen und müssen länger behandelt werden. „Wenn man zu schnell den Flüssigkeitsverlust ausgleichen möchte, kann es zu Komplikationen kommen, wie Wassereinlagerungen im Gewebe und Schwellungen im Gehirn“, so die Chefärztin. „Der Elektrolythaushalt muss kontrolliert aufgefüllt werden, ansonsten kann es zu lebensbedrohlichen Situationen kommen.“
Doch nicht nur Alte und Schwache sind von der Hitzewelle betroffen, sondern auch viele junge, gesunde Menschen überschätzen sich. Beispielsweise empfindet der Sportler bei einer Fahrradtour durch den Fahrtwind eine angenehme Kühlung und bemerkt nicht, dass er dadurch noch mehr austrocknet. Die Folge ist eine Überhitzung, die im Hitzschlag oder einem Sonnenstich enden kann. Doch die Behandlung dieser Patienten ist einfacher und schneller. „Wenn ein junger Mensch zu lange in der Sonne gesessen hat und sich durch zu hohen Flüssigkeitsverlust nicht wohlfühlt, kann er meist nach zwei bis drei Flüssigkeitszufuhr in der Zentralen Notaufnahme wieder entlassen werden“, bestätigt Annette Friese.
Mülheimer Krankenhaus: Auch ein Zuviel an Flüssigkeit kann schaden
Wie kann jeder dem vorbeugen?„Die meisten Menschen wissen bereits sehr vernünftig mit der Hitze umzugehen“, erklärt Annette Friese. „Wenn es ein oder zwei Tage über 30 Grad warm ist, bleiben die meisten zu Hause, verdunkeln die Zimmer und meiden überflüssige Bewegung. Doch bei mehreren Tagen müssen die Menschen trotzdem raus.“ Auch die Nächte sind für eine Regeneration des Körpers wichtig. Sobald es abends abkühlt, sollte man gut durchlüften, um nachts für angenehme Temperaturen zu sorgen. „Bei tropischen Nächten über 20 Grad werden Schlaf und Erholung jedoch eingeschränkt.“
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Welchen Ratschlag hat sie? „Natürlich ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von etwa zwei Litern am Tag sehr wichtig“, empfiehlt Annette Friese. „Geschwächte und vorerkrankte Menschen sollten das aber immer in enger Absprache mit dem Hausarzt oder ihrem betreuenden Kardiologen oder Nephrologen machen.“ Auch das tägliche Wiegen kann helfen, den Wasserhaushalt zu kontrollieren und dazu beitragen, Anzeichen für eine Austrocknung zu erkennen. „Wenn ich innerhalb einer Woche ca. zwei Kilo abnehme, fehlt mir Flüssigkeit“, so die Chefärztin. „Auch die direkte Sonne an besonders heißen Tagen zu meiden und dann auf körperliche Anstrengung zu verzichten, ist hilfreich.“
Mülheimer Medizinerin: Schwimmen ja, aber Vorsicht vor dem Temperaturschock
Eine Warnung möchte die Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie, Intensivmedizin und Akut- und Notfallmedizin noch allen für einen gelungenen Sommertag mit auf den Weg geben: „Schwimmen ist toll und kühlt uns ab. Aber bitte langsam an das Wasser gewöhnen.“
Gerade wenn man lange in der Sonne lag und aufgeheizt ist, kann auch bei jungen Leuten der Sprung ins kalte Nass verheerende Folgen haben. „Der Temperaturschock verlangsamt den Pulsschlag.“ Dann kann es zu folgenschweren Badeunfällen kommen. Besser sei es erst einmal knietief in das Wasser zu gehen und sich daran zu gewöhnen.
Besonders gilt ein Tipp für die Benutzer von Stand-Up Paddels (SUP). „Bitte verwendet euren Fußgurt und lasst auch mal im Sitzen die Beine im Wasser baumeln.“ Viele Sportler heizen auf dem Board regelrecht auf, mahnt die Medizinerin. „Wenn sie dann doch in das Wasser fallen, ist der Temperaturschock enorm und die Gefahr, nicht an das rettende Board zu gelangen, ist groß.“