Mülheim. Zweifel bleiben, ob das Miteinander mit Flüchtlingen in der Nachbarschaft funktioniert. Was Anwohner des neuen Mülheimer Flüchtlingsheims denken.
Die Verunsicherung war groß, als Anfang des Jahres die Nachricht die Runde machte, dass ausgerechnet im kleinen Stadtteil Raadt eine relativ große Anzahl Geflüchteter untergebracht werden soll. Nicht nur die mangelnde Infrastruktur – weit und breit kein Supermarkt und keine direkte ÖPNV-Anbindung in die Innenstadt – waren als Bedenken angeklungen, auch das Miteinander mit Menschen, die eine Fluchterfahrung mitbringen, behagte manchen nicht. Der Tag der offenen Tür in der neuen Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes bot auch für dererlei Sorgen ein Forum.
Auch nach dem Rundgang durch das hergerichtete Gebäude an der Parsevalstraße befürworten einige die Flüchtlingsunterkunft in direkter Nachbarschaft nicht für immer. Viele Anwohner sind sich einig: „Bedingt machen wir das mit, aber nicht auf Dauer.“ Dafür hat Oberbürgermeister Marc Buchholz Verständnis: „Wir wollen die Bürger nicht überfordern, aber es ist momentan eine Ausnahmesituation und wir haben auch eine humanitäre Verantwortung.“
Nachbarschaft des Raadter Flüchtlingsheims: Kontroverse Diskussionen
Die Beweggründe an der Führung teilzunehmen, sind bei den Besuchern unterschiedlich. Manche sind einfach neugierig und wollen die Gelegenheit nutzen, sich die Einrichtung mal von innen anzuschauen. Es gibt viel Verständnis, aber auch Sorgen und Ängste vor der ungewissen Zukunft.
Während des Rundgangs werden immer wieder Fragen von den Besuchern gestellt, die von den Verantwortlichen ausführlich beantwortet werden. Teilweise diskutieren Teilnehmer bei den Rundgängen auch untereinander ihre verschiedenen Standpunkte hitzig und kontrovers.
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Während die einen das angebotene Freizeitprogramm für „übertrieben“ halten, freuen sich andere, dass den Flüchtlingen so die Möglichkeit für einen abwechslungsreichen Alltag gegeben wird.
Anwohner begrüßen Transparenz und sind um Privatsphäre besorgt
Einige wenige sind auch auf das Wohl der Flüchtlinge bedacht. „Haben sie hier genügend Privatsphäre, um zur Ruhe kommen zu können?“, möchte jemand aus der Besuchergruppe wissen. Um das zu gewährleisten, sollen unter anderem Folien an den Fenstern helfen, die in der nächsten Woche noch angebracht werden. „Das sind Menschen, die brauchen unsere Hilfe, das vergessen manche oft“, ruft eine Frau bei ihrem Besuch der ZUE in Erinnerung.
Fotostrecke
Nach der Führung ist man sich in einem einig: „Es wird endlich Transparenz gezeigt: Die verantwortlichen Menschen sind vor Ort und sind auch geblieben. Und sie haben sich den Fragen gestellt und haben sie nicht umgegangen“, schildert ein älterer Herr, der sich endlich verstanden fühlt.
Anwohner in Mülheim Raadt: „Würde mein Haus am liebsten verkaufen“
Doch nicht bei allen Anwohnern sind weder durch die Führung noch durch die Gespräche die Zweifel ausgeräumt. Es gibt auch die Seite derer, die lieber ihr Haus in der Nachbarschaft verkaufen würden. Da dies nicht mehr möglich sei, habe man mit Zäunen und Kameras aufgerüstet, berichtet ein Teilnehmer.
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„Eine Herausforderung für beide Seiten“, schätzt ein junger Anwohner die Lage ein. Der größte Teil der Besuchenden ist und bleibt skeptisch, zeigt sich aber bereit zu helfen und ist froh, nun Ansprechpartner zu haben, stellt sich am Ende der Besichtigungen heraus. „Gemeinsam schaffen wir das schon“, lautet immer wieder das Motto.
„Nach der anfänglich schlechten Kommunikation ist das heute doch ein Schritt in die richtige Richtung“, ist eine junge Frau erleichtert. „Keiner weiß, was die Zukunft bringt, aber wenigstens haben wir nun jemanden, mit dem wir reden können.“