Neukirchen-Vluyn. Nach der Abberufung von Lutz Reimann demonstrierten Mitglieder der Feuerwehr in Neukirchen-Vluyn vor dem Rathaus. Was sie scharf kritisieren.

„Schock“, „unverständlich“, „absolut unverhältnismäßig“: Es waren Kommentare wie diese, die am Dienstagabend das Geschehen vor dem Rathaus in Neukirchen-Vluyn dominierten. Der Streit zwischen Feuerwehr und Stadtverwaltung ging in die nächste Runde. Die Feuerwehrleute hatten eine Demonstration angemeldet, zahlreiche Mitglieder sowie Bürgerinnen und Bürger sind erschienen.

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Hintergrund der Versammlung ist die Abberufung des langjährigen Chefs der Freiwilligen Feuerwehr, Lutz Reimann. Der Stadtrat hatte am vergangenen Mittwoch entschieden, Reimann aufgrund von Streitigkeiten um die Besetzung der Stelle „Steuerungsunterstützung Feuerwehr“ von seinen Aufgaben zu entbinden. Dieser Beschluss stößt bei vielen Neukirchen-Vluyner Wehrleuten auf Unverständnis (wir berichteten).

Feuerwehr Neukirchen-Vluyn demonstriert: „Wir möchten ein Zeichen setzen“

Gegen 18.45 Uhr laufen zahlreiche uniformierte Feuerwehrleute von beiden Seiten auf das Rathaus zu, legen ihre Helme im Kreis auf dem Rathausplatz ab und versammeln sich dahinter. In der Mitte des Kreises: Ein weißer Helm, der von Lutz Reimann. Mehrere Feuerwehrfahrzeuge stehen am Straßenrand. „Da, wo es um Menschenleben und die Sicherheit von uns allen geht, ist kein Platz für politische Spiele“, prangt auf einem großen Banner, das die Wehrleute hochhalten. „Wir möchten ein Zeichen setzen“, sagt Löschzugführer Frank Eßers. Den Vorgang selbst möchte er nicht groß kommentieren. Nur so viel: „So wie das abgelaufen ist, widerspricht das jeder Verhältnismäßigkeit.“ Dafür erntet er donnernden Applaus von den Zuhörenden.

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Die abgelegten Helme seien ein Zeichen: „Wir stehen geschlossen hinter ihm.“ Eßers erklärt, dass die Feuerwehr sich eine Diskussion auf sachlicher Ebene wünscht. Er selbst hat von der Nachricht am Telefon erfahren, sagt er am Rande der Demo. Schnell habe sie sich bei den Mitgliedern verbreitet. „Ich finde es absolut nicht nachvollziehbar.“ Und weiter: „Wie kann man einen Mann, der sich Jahrzehnte für Neukirchen-Vluyn einsetzt, so behandeln?“ Ein Fehlverhalten seitens Reimann erkennt er nicht. Er habe das Recht zu sagen, wenn jemand für eine Position nicht geeignet sei.

Demonstration in Neukirchen-Vluyn: Reimann meldet sich auf Facebook

Eßers kann nicht sagen, wie es mit der Führung der Feuerwehr jetzt weitergehen kann. Die kommissarische Wehrleitung sehe sich nicht in der Lage, diese Aufgabe langfristig zu bewältigen. Zwar hatte die Feuerwehr betont, dass sie uneingeschränkt weiter für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger da sein wird. Der bürokratische Teil, den Reimann jahrelang übernommen hat, bliebe nun aber liegen. Mit der Abberufung sei zudem nicht zur Reimann persönlich angegriffen worden. „Das ist ein Schlag in den Nacken für die Feuerwehr und das Ehrenamt“, sagt Eßers.

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Lutz Reimann meldete sich auch persönlich zu Wort: Erst am Dienstag mit einer Danksagung an seine Unterstützer über die Facebook-Seite der Neukirchen-Vluyner Feuerwehr. Dann am Mittwoch mit einer inhaltlichen Stellungnahme zur Sache. Darin schildert er seine Wahrnehmung der Kommunikation mit dem Bewerber auf die Stelle „Steuerungsunterstützung Feuerwehr“. Dieser habe Reimann während des Verfahrens mehrfach kontaktiert, um zu erfahren, ob sein politisches Handeln in der Vergangenheit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Weg stehen würde. Bei der damaligen Diskussion um den Kombibau Baubetriebshof/Feuerwehrgerätehaus Vluyn habe der Bewerber aus Sicht der Leitung der Feuerwehr „nicht nachvollziehbare Argumente eingebracht und Ansichten vertreten“, schreibt Reimann.

Diese Auffassung hätte er gemeinsam mit seinen Stellvertretern gegenüber der Stadtverwaltung vertreten. Schließlich habe er als Feuerwehr-Leiter auch den Bewerber in einem Telefonat darüber informiert, „dass eine Zusammenarbeit bei fehlendem Vertrauen schwierig bis gar nicht möglich ist. Ich habe ihm gesagt, dass wir als Leitung der Feuerwehr mit dieser Information ihm ermöglichen wollen, dies in seinen Abwägungsprozess zur Annahme der Stelle miteinzubeziehen“, so Reimann. „Am Ende des Telefonats sagte ich ihm, dass ich hoffe, dass wir weiterhin respektvoll miteinander umgehen werden. Wir wollten mit diesem Telefonat einen fairen Umgang und eine offene Kommunikation ermöglichen.“ Aufgrund dieses Telefonates habe der Bewerber die Stelle abgelehnt, was Reimann seinen Job gekostet habe. Ein Gespräch zwischen Reimann und Köpke sei bislang nicht zustande gekommen.

Feuerwehr-Ärger in Neukirchen-Vluyn: FDP und SPD nehmen Stellung

Die öffentliche Diskussion um das Thema hat zudem auch weitere Parteien dazu bewegt, öffentlich Stellung zu nehmen. Am Dienstagmittag meldeten sich sowohl die FDP als auch die SPD aus Neukirchen-Vluyn. Die Liberalen nehmen die Entscheidung von Rat und Bürgermeister „mit großem Bedauern“ zur Kenntnis. Dass Lutz Reimann dafür abberufen wurde, weil er Bedenken geäußert habe, kritisieren sie. „Anstatt seinen fundierten Unmut ernsthaft zu prüfen und in einen konstruktiven Dialog zu treten, wurde er für seine offene Kommunikation bestraft. Auch wenn Herr Reimann in dieser Situation möglicherweise nicht korrekt gehandelt hat, ist die Härte des Vorgehens aus Sicht der Freien Demokraten fragwürdig“.

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Ein „langjähriger Einsatz, wie ihn Lutz Reimann geleistet hat“, müsse „gewürdigt“ und nicht „bestraft“ werden, erklärt Dorina Meier, stellvertretende FDP-Vorsitzende in Neukirchen-Vluyn. Die Abberufung sei nicht nur bedauerlich für Reimann selbst, sondern auch für alle Kameradinnen und Kameraden, die seine kritische Haltung gegenüber der Personalentscheidung teilen. „Die FDP Neukirchen-Vluyn steht an der Seite von Lutz Reimann und allen Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr, die sich mit Leidenschaft und Engagement für unsere Stadt einsetzen und machen sich weiterhin dafür stark, dass ihre Stimmen Gehör finden und ihr Einsatz entsprechend gewürdigt wird“, schreiben die Liberalen weiter.

SPD-Fraktion in Neukirchen-Vluyn: Personalmaßnahme ist „erforderlich“ gewesen

Andere Töne schlägt die SPD-Fraktion an. Zwar bedauert auch sie die Personalmaßnahme, bewertet sie allerdings als „erforderlich“. Der Leiter der Freiwilligen Feuerwehr sei nach seiner Berufung durch den Rat als Ehrenbeamter auf Zeit zu vereidigen, dies beinhalte sowohl Rechte als auch Pflichten. „Zu den Pflichten gehört es selbstverständlich auch, sich an Regeln und geltendes Recht zu halten“, schreiben die Sozialdemokraten. Dies sei nicht geschehen. Laut der Aktenlage, die dem Rat vorliegt, habe sich Reimann „übergriffig“ und „nicht autorisiert“ in das Personalauswahlverfahren eingebracht, mit dem Ziel, einen Bewerber zu verhindern.

Hier bekommen Sie alle Hintergründe zum Thema:

„Sein wesentliches Argument hierbei war, dass dieser Bewerber im Rahmen seiner früheren politischen Tätigkeit als Ratsmitglied im Rat unserer Stadt sich in Teilen kritisch bzw. aus Sicht der FW mit subjektiv für sie nicht nachvollziehbaren Äußerungen zu den Wünschen der Feuerwehr geäußert hätte“, schreibt die SPD-Fraktion. Ein Verhalten, welches das Vertrauen zwischen ihm sowie Rat und Bürgermeister nachhaltig geschädigt hat. Die Abberufung war „keine leichtfertige Entscheidung“, allerdings „alternativlos“. Trotz geheimer Abstimmung könne man davon ausgehen, dass es auch innerhalb der SPD-Fraktion Enthaltungen gab.

Zahlreiche Menschen sind zur Feuerwehr-Demonstration in Neukirchen-Vluyn erschienen.
Zahlreiche Menschen sind zur Feuerwehr-Demonstration in Neukirchen-Vluyn erschienen. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Bei der Abberufung handele es sich nicht um politische Spielereien oder untragbares Fehlverhalten von Rat und Verwaltung. „Hier geht es einzig um das anmaßende Fehlverhalten sowie dessen Folgen einer einzigen Person“, so die Sozialdemokraten, die der Feuerwehr zeitnah ein Gesprächsangebot unterbreiten möchten. „Der gesamte Rat hat das Ehrenamt Freiwillige Feuerwehr immer wertgeschätzt und wird dieses auch weiterhin tun.“

CDU-Fraktion Neukirchen-Vluyn lehnt Vorgehen des Bürgermeisters ab

Am Mittwoch verschickte zudem auch die CDU-Fraktion eine öffentliche Mitteilung, um zu dem Vorgehen Stellung zu nehmen. Die Christdemokraten betonen, dass die Vorwürfe durch den Bürgermeister und die Verwaltung erhoben wurden. „Für den Bürgermeister reichten die zunächst nur mündlich erhobenen Vorwürfe, um einen Dringlichkeitsbeschluss zur Abberufung ohne Anhörung der Betroffenen in die Wege zu leiten“, schreiben sie. Es sei wichtig, in so einer Situation Emotionen und sachlich belegbare Beweise zu trennen, laut der Fraktion sei lediglich die telefonische Kontaktaufnahme, nicht aber der Inhalt des Gesprächs belegbar. „Insofern stellt sich die Frage, ob der Wehrleiter hätte anrufen dürfen oder nicht.“

Auch Parteien und Fraktionen aus Neukirchen-Vluyn nehmen zur Abberufung von Feuerwehrchef Lutz Reimann Stellung.
Auch Parteien und Fraktionen aus Neukirchen-Vluyn nehmen zur Abberufung von Feuerwehrchef Lutz Reimann Stellung. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Die CDU schreibt von unterschiedlichen Rechtsauffassungen. Laut Verwaltung wäre ein solcher Anruf nicht erlaubt gewesen, der Wehrleiter begründet laut CDU, dass er sehr wohl das Recht dazu hatte. „Als Ratsleute dieser Stadt sind wir weder Richter noch Verteidiger, sondern schlicht Bürger, die sich aufgrund ihrer Funktion eine Meinung bilden müssen. Anhand der uns vorgelegten Unterlagen hatten die CDU-Ratsleute mehrheitlich begründete Zweifel, ob die Vorgehensweise juristisch richtig, verhältnismäßig und angemessen ist. Daher lehnten wir das Vorgehen des Bürgermeisters vollumfänglich ab“.

Ralf Köpke hätte durch sein Verhalten einen „unliebsamen“ Wehrleiter „ohne Rücksicht auf die Beweisbarkeit und persönlichen Konsequenzen“ entlassen. „Wenn diese Willkür Einzug hält, dann sterben wesentliche Grundsteine unseres respektvollen und würdevollen Umfangs miteinander: die Menschlichkeit“.

Grüne in Neukirchen-Vluyn fordern entschlossenes Handeln

Die Grünen stehen nach wie vor hinter der Abberufung von Reimann. Dass er jetzt über Kanäle der Feuerwehr öffentlich dazu aufruft, auf den Bürgermeister und die Ratsmitglieder einzuwirken, kritisieren sie scharf. Zum Teil verbreiten sich nach Angaben der Grünen Falschmeldungen, die „unangemessen“ und „verletzend“ sind. „Wir müssen entschlossen handeln, um diese Missstände zu bekämpfen und die Sicherheit und Meinungsfreiheit aller politisch Engagierten zu gewährleisten“.