Kamp-Lintfort. Das alte Straßenbahndepot in Kamp-Lintfort ist nach der Renovierung ein Hingucker und eine Traum-Location für Events. Doch es gibt einen Haken.
Schon das großzügige Foyer mit dem außergewöhnlichen Fliesenmuster ist beeindruckend. Aber wenn Falko Welling die schwere Brandschutztür zum Saal im alten Straßenbahndepot öffnet, dann ist das – Wow! 1400 Quadratmeter lichtdurchfluteter Platz, blanke Backsteine und historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen an den Wänden, blanke Stahlträger unterm Dach, reduzierte Industriekulisse vom Feinsten. Da geht gleich das Kopfkino an. Was man hier alles machen könnte! Stilvolle Hochzeiten mit vielen Gästen feiern, feinen Ausstellungen den passenden Rahmen geben, Konzerte in einer Größenordnung, für die Kamp-Lintfort bisher keinen geeigneten Ort hat, Empfänge, glanzvolle Bälle – hach. Stopp! Kopfkino aus.
Falko Welling hält den Ball mal gaaaanz flach. Wenn der Hotelier, dem das Wellings Parkhotel gegenüber gehört, hier überhaupt etwas veranstalten möchte, dann braucht es, so erklärt er, jedes einzelne Mal eine „Veranstaltungsbaugenehmigung“, mit Plänen für die Rettungswege, Sicherheitskonzept und so weiter und so weiter. Und vor allem: die nötigen Parkplätze. Die müsste er nachweisen können. Kann er aber nicht. Und das hat mit dem Grund zu tun, warum er sich das Depot überhaupt ans Bein gebunden hat.
Gedacht war an ein zweistöckiges Parkhaus
Das kam so: Für das Hotel waren unbedingt mehr Parkplätze gebraucht. Die Fläche direkt an der Straße vor dem zurückliegenden alten Straßenbahndepot schien geeignet. „Da wollten wir ein zweistöckiges Parkhaus hinbauen“, sagt Welling. Aber wie das so ist bei Falko Welling: „Die seltsamen Gebäude kommen zu mir, ich suche sie nicht“, sagt er schmunzelnd auch mit Blick auf die Johanniskirche in Rayen, die er gekauft hat. Er wollte für seine Familie das Gemeindehaus haben, die Kirche gab‘s dazu. Die wird nun für einzelne Veranstaltungen genutzt, unter anderem auch Trauungen. Und so ähnlich war es auch beim Depot. Die zweite Parzelle samt dem alten Gemäuer und damit den Platz für ausreichend ebenerdige Parkplätze sowie dringend benötigten Stauraum gab es für kleines Geld zu.
Zu dem Zeitpunkt allerdings, 2016, ging beim Anblick der riesigen Halle das Kopfkino eher in Richtung Abrissbirne an. Zuletzt war eine Badminton-Halle drin, mit „schnoddrigem Teppichboden“. Das sah, erinnert sich Welling, eher abgerockt, denn vielversprechend aus. „Aber nun hatten wir es, und dann sollte es auch einigermaßen ordentlich aussehen“, sagt der Hotelier mit Anspruch. Die Fassade wurde schön gestrichen, der alte „Depot“-Schriftzug erhalten, die Sprossenfenster modernisiert. Pause. „Und dann ist das über die Jahre so gewachsen“, sagt der Straßenbahn-Depot-Besitzer, dem eigentlich der viele Platz seitlich der ehemaligen Wartungshallen viel nützlicher ist. Dort lagert alles, was ein Hotel und Catering-Unternehmen in rauen Mengen braucht: Gläser, Tischwäsche, Servietten, Besteck, im Winter die Gartenmöbel. Das musste Welling früher an verschiedenen Standorten einlagern, jetzt sind es kurze Wege.
Und deshalb, fährt Welling es ein bisschen klein, sei man beim Depot erstmal mit den „simpelsten Methoden“ zu Werke gegangen. Die alten Mulden, über die Straßenbahnen und später auch Busse zur Wartung fuhren, um von unten repariert zu werden, wurden zugekippt. Der olle Putz von den Wänden gekloppt, das historische Stahlrohrdach freigelegt. Mittlerweile hat der Saal Fußbodenheizung.
Über die Geschichte des Depots weiß Welling nicht viel: „Was man halt im Internet so findet.“ Er vermutet, dass es 1907 erbaut wurde.
Die Geschichte des Depots
Das Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Straßenbahndepot beherbergte ab 1914 die Straßenbahnwagons der 1898 gegründeten Rheinisch-Westfälischen-Elektrizitätswerk AG (heute RWE), die die 18,6km lange Straßenbahnstrecke über Moers, Repelen-Baerl, Kamp, Kamperbruch, Lintfort und Rheinberg betrieb.
Der Ziegelbau mit einer freitragenden Stahlkonstruktion, die die 1300m² große Halle noch heute komplett überspannt, war so lange Jahre die Heimat der Triebwagen, Anhänger, Dienst- und Wartungsfahrzeuge, die zwischen Moers und Rheinberg verkehrten.
Erst mit Einstellung des Betriebes der Straßenbahn gegen Ende des zweiten Weltkrieges verlor das Straßenbahndepot seinen ursprünglichen Nutzen und wurde zur O-Busstation der NIAG, bis es dann Anfang der Achtzigerjahre in private Hände verkauft wurde. Quelle: Kamper Konzerte
In all den Jahren hat es genau eine öffentliche Veranstaltung dort gegeben: Das war ein außergewöhnlicher Tango-Abend im Rahmen des Kammermusikfests 2022. Dann sei, so Welling, das Depot noch zweimal für hoteleigene Veranstaltungen genutzt worden. Das geht dann nämlich auch ohne die extra Baugenehmigung. Rein theoretisch könnten sich im Wellings auch Landmaschinenhersteller für eine Messe einquartieren und das Depot als Schauraum nutzen. Ein Mähdrescher jedenfalls passe problemlos rein, glaubt der Hotelier. Der neue Fußboden sei auch auf Schwerlast ausgerichtet.
Ziemlich wenig Öffentlichkeit jedenfalls für ein so wunderschönes Örtchen. Und für Freunde solcher Kulissen steht zu befürchten, dass es weitgehend so bleibt. Es gebe zwar zahlreiche Anfragen, um das Depot zu nutzen, aber das Interesse seitens des Hotels hält sich in Grenzen. „Wir sind glücklich mit dem, was wir haben. Das Hotel können wir problemlos bespielen“, stellt der Besitzer fest. Um das Depot regelmäßig zu öffnen, bräuchte man entsprechend mehr Manpower. Schwer zu kriegen in der Gastronomie. „Und nur mit Schüleraushilfen zu arbeiten, entspricht nicht unseren Qualitätsvorstellungen“, erklärt Welling. Außerdem will er es sich nicht mit den Nachbarn verderben, die womöglich irgendwann wegen der zugeparkten Straße klagen.
Es wird wohl eher still bleiben, im Depot. Hach, schad‘ drum.
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