Moers. Die Moerser Architektin Anja Reutlinger kennt viele Frauen in Männerdomänen. Drei von ihnen hatte sie zur Diskussion nach Meerbeck eingeladen.
„Frauen bauen“ lautete der Titel eines Podiumsgespräches, zu dem am Samstagvormittag die SPD Rheinkamp in die Werkstatt Meerbeck an der Zwickauer Straße einlud. Anja Reutlinger, Initiatorin der Werkstatt Meerbeck und Vorsitzende der SPD Rheinkamp, lag das Gespräch am Herzen: „Ich bin Architektin und es gibt viele Frauen, die in beruflichen Männerdomänen wie dem Baugewerbe seit vielen Jahren zuhause sind“, erklärte Reutlinger.
„Angesichts von Fachkräftemangel und Digitalisierung brauchen wir qualifiziertes Personal und Wohnraum, etwa für alleinerziehende Mütter, in Städten“, betonte der Moerser SPD-Bundestagsabgeordnete Jan Dieren. Konkret richtete Sonja Volkmann, stellvertretende Redaktionsleiterin der Moerser NRZ-Redaktion, als Moderatorin des Talks den Blick auf Arbeitssicherheit, Fachkräftegewinnung, Führungsstile und Klimawandel.
Passend zum Thema waren drei Gesprächspartnerinnen eingeladen: Die Duisburgerin Sarah Philipp, Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags, ist seit elf Jahren für die SPD Mitglied im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Digitalisierung. Die Dachdeckermeisterin Bettina Lücking-Rodenbäck übernahm in Moers-Hochstraß die Dachdeckerfirma „Lücking“ ihres Vaters, absolvierte 1998 als Bundesbeste ihre Meisterprüfung und studierte Bau- und Holztechnik. Als Betriebsleiterin des Zentralen Gebäudemanagements (ZGM) der Stadt Moers ist Architektin Sabine Kasper-Wiesner verantwortlich für Aufbau, Instandhaltung und Sanierung von städtischen Gebäuden.
„Frauen, die in den Bauausschuss gehen, sind rar gesät, Schul- und Familienausschüsse hingegen boomen“, beobachtete Philipp im Landtag. „Bei Frauen im Handwerk fragen sich viele, wie sie das körperlich schaffen sollen. In der Pflege hingegen ist die körperliche Anstrengung ebenso hoch und hier fragt kaum jemand nach dem Wohlbefinden“, so Philipp.
Lücking-Rodenbäck stand beispielsweise hochschwanger auf dem Dach: „Mutterschutz ist für Selbstständige nicht vorgesehen. Wäre ich drei Monate ausgefallen, gäbe es den Betrieb vielleicht nicht mehr“, sagte Lücking-Rodenbäck, deren Sohn ebenfalls nach dem Abitur Dachdecker werden will.
Beschlossene Soforthilfen und Entlastungspakete kämen in ihrem Betrieb nicht an, Materiallieferzeiten dauerten länger, Materialkosten und Bürokratieaufwand seien gestiegen und es gäbe bei Großhändlern schwankende Tagespreise.
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Die vermehrte Nachfrage nach Photovoltaik, steigende Anforderungen an Gebäudeisolation, „das sind Bereiche, in denen Frauen mit ihren statistisch gesehen besseren Schulabschlüssen gefragt sind“, sagte Kasper-Wiesner. „Man sollte mit Belohnungen arbeiten, in Projekten denken und Ziele definieren.“
Reutlinger schlug vor, bei der Moerser Tummelferienaktion Handwerker einzuladen und das Werken in Kitas und Schulen zu fokussieren. Kooperationen zwischen Handwerksbetrieben und Bildungseinrichtungen zu stärken, Gleichstellung von akademischem Master und Meister voranzubringen und mit Berufsjahren steigende Bezahlung zu ermöglichen: das waren einige der Aspekte, die Dieren und Philipp für ihre politische Arbeit auf Landes- und Bundesebene mitnahmen.