An Rhein und Ruhr. Der Weltfrauentag ist wichtig, schreiben unsere Autorinnen. Gleichzeitig gibt es noch viel Nachholbedarf. Wir haben 16 NRZ-Stimmen gesammelt.

UN-Generalsekretär António Guterres hat vor massiven Rückschritten bei den Rechten von Frauen und Mädchen weltweit gewarnt. Die NRZ hat sich unter dem Titel „Perspektive:weiblich“ (hier geht es zum kostenlosen Newsletter) zum Ziel gesetzt, nicht nur am Weltfrauentag, sondern immer die Frauensicht bei der Berichterstattung zu berücksichtigen. Trotzdem ist der Weltfrauentag aus verschiedenen Gründen wichtig. Warum, schreiben unsere Redakteurinnen und Mediengestalterinnen:

Denise Ludwig
Denise Ludwig © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Starke und mutige Frauen haben damals wie heute ihre Stimme erhoben. Der Kampf um das Wahlrecht für Frauen, das 1918 durchgesetzt wurde, gehört zu einem der frühen und wichtigen Erfolge der Frauenbewegung. Die Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten waren weitere. Doch so lange Quoten nötig sind, ist unsere Gesellschaft auf dem Weg zu mehr gelebter Diversität noch nicht auf der Zielgeraden. Übrigens: In NRW lebten Ende des Jahres 2021 mit 50,9 Prozent mehr Frauen als Männer.

Denise Ludwig, Redakteurin in der NRZ-Titelredaktion

Corinna Zak
Corinna Zak © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Heute ist auch ein Tag, um über den Tellerrand zu blicken: zu den skandinavischen Ländern, die Deutschland in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Einkommensgerechtigkeit um einiges voraus sind. Zu den Ländern, in denen Frauenrechte mit Füßen getreten werden: zum Beispiel Somalia und Guinea (Genitalverstümmelung), Indien (Kinderheirat), USA (faktisches Abtreibungsverbot). Der Internationale Frauentag ist wichtig, um Solidarität zu zeigen und den Finger in offene Wunden zu legen. Und er erinnert nicht zuletzt daran, dass es sich lohnt, für die Rechte der Frauen zu kämpfen.

Corinna Zak, Redakteurin Kinderseite

Sonja Volkmann
Sonja Volkmann © Privat | Sonja Volkmann

Henriette Reker und Sibylle Keupen lenken als Oberbürgermeisterinnen die Geschicke einer Großstadt. Damit gehören sie zur Minderheit. Mehr als 70 Großstädte werden von Männern regiert, weniger als zehn von Frauen. Dabei dürfte es ausreichend Frauen mit mindestens gleicher Befähigung geben. Das zeigt: Es gibt die gläserne Decke auch an der Spitze großer Städte noch. Im Kreis Wesel übrigens stehen von 13 Kommunen zwei unter der Regie einer Frau. Und solange im Job nicht selbstverständlich überall unabhängig vom Geschlecht tatsächlich gleiche Maßstäbe gelten, darf darauf hingewiesen werden: Da geht noch was.

Sonja Volkmann, stellvertretende Leiterin Redaktion Moers

Katrin Spotke
Katrin Spotke © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Das Wahlrecht für Frauen wird 1918 eingeführt, seit 1994 müssen Frauen bei einer Heirat nicht mehr den Familiennamen des Mannes annehmen und 2022 bieten immer mehr Schulen kostenlose Hygieneartikel an. Dank des Engagements zahlreicher Frauen hat sich nicht nur vor vielen Jahrzehnten, sondern auch in der jüngeren Vergangenheit einiges verändert. Der Weltfrauentag bleibt wichtig, damit diese Meilensteine gewürdigt werden und weiter auf die noch bestehenden Ungleichheiten hingewiesen wird.

Katrin Spotke, Mediengestalterin am Regiodesk

Martina Nattermann
Martina Nattermann © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Es ist eine nette Geste, wenn heute wieder hier und dort Arbeitgeber Rosen an ihre Mitarbeiterinnen verteilen, oder Politiker an ihre potenziellen Wählerinnen. Ein echtes Zeichen der Wertschätzung aber wäre, wenn jeder an seinem Platz auch an den anderen 364 Tagen im Jahr dazu beitragen würde, Frauen gleiche Chancen in Job und Gesellschaft zu eröffnen – und sie selbstverständlich fair zu entlohnen. Gleiche Bezahlung für gleichwertige Tätigkeiten. Dass da noch Luft nach oben ist, hat gerade erst der Equal Pay Day gezeigt. Also: Vielen Dank für die Blumen – aber da geht mehr.

Martina Nattermann, Redakteurin am Regiodesk

Anna Schlichting
Anna Schlichting © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka

Ein Tag wie jeder andere auch? Freie Berufs- und Partnerwahl, die Wahl, sein Äußeres selbst zu bestimmen – das ist für viele Frauen mittlerweile selbstverständlich. Doch nicht jede genießt das Privileg, selbstbestimmt zu leben. Erst letztes Jahr wurde die 22-jährige Mahsa Amini umgebracht, weil unter ihrem Kopftuch Haarsträhnen hervorgeschaut haben sollen. Jeden Tag kämpfen mutige Frauen im Iran seitdem unter Lebensgefahr für ihre Rechte. Noch immer träumen sie davon, auch irgendwann die Wahl zu haben ...

Anna Schlichting, Volontärin

Melanie Meyer
Melanie Meyer © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Die zehn bestverdienenden Sportler der Welt waren 2022 genau das: Männer. Frauen tauchen in dieser Liste selten auf. Bei dicken Werbedeals wird männlicher Strahlkraft vertraut. Dabei gibt es viele herausragende Sportlerinnen – einige engagieren sich zudem politisch, müssen nebenher arbeiten oder ziehen Kinder auf. Von Gleichstellung können sie auch im Sport nur träumen. Trotzdem verdienen sie Würdigung. Der Weltfrauentag ist ihr Feiertag.

Melanie Meyer, Chefin vom Dienst Sportredaktion

Ann-Christin Fürbach
Ann-Christin Fürbach © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Frauen machen die Hälfte der Weltbevölkerung aus und benötigen weiter einen Tag, an dem sie auf ihre Rechte aufmerksam machen? Leider ja. Denn noch immer sind viel zu wenige Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft weiblich. Im Kreis Wesel gibt es nur zwei Bürgermeisterinnen, der Kreistag besteht zu mehr als 70 Prozent aus Männern.

Noch immer verdienen Frauen weniger, verzichten für die Familie viel zu oft auf berufliche Chancen und stehen schließlich mit weniger Rente da. Noch viel zu oft werden Frauen belästigt oder fühlen sich unsicher. Ich möchte nicht übers Gendern und über Quoten diskutieren, aber wir müssen es tun, weil Gleichberechtigung noch längst nicht selbstverständlich ist. Ich hoffe sehr, dass sich das zukünftig ändert und dieser 8. März zu einem Tag für jeden Menschen wird.

Ann-Christin Fürbach, stellv. Leiterin Kreisredaktion Wesel

Nina Meise
Nina Meise © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Der Mann geht arbeiten und verdient das Geld, während die Frau auf die Kinder aufpasst und den Haushalt erledigt. Nicht selten ist dieses Konstrukt für Familien eine logische Entscheidung, denn: Männer erhalten für die gleiche Arbeit mit gleichen Qualifikationen schließlich immer noch mehr Gehalt als Frauen. So lange dieses Ungleichgewicht beim Gehalt Frauen immer wieder in veraltete Rollenbilder zurückzwingt, muss mit dem Weltfrauentag auf diese Lohnlücke aufmerksam gemacht werden!

Nina Meise, Redakteurin Rheinhausen / Moers

Friederike Bach
Friederike Bach © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Weil Frauen in Regierungspositionen immer noch die Ausnahme sind. Und wenn sie es doch dahin schaffen, müssen sie sich Fragen gefallen lassen, wie kürzlich die finnische Regierungschefin Sanna Marin auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos: „Welchen Einfluss hat ihre Rolle als junge Frau auf ihre Arbeit als Regierungschefin?“ Alte weiße Männer in Führungspositionen müssen solche Fragen nicht beantworten. Es wird Zeit, dass Frauen an der Macht endlich als selbstverständlich wahrgenommen werden!

Friederike Bach, Redakteurin Kinderseite

Maike Maibaum
Maike Maibaum © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Wir brauchen keinen Weltfrauentag – wir brauchen 365 Weltfrauentage im Jahr. Womöglich beginnt 2023 die wichtigere, die weibliche Zeitenwende. Im Iran werden Mädchen vergiftet, die zur Schule gehen wollen. Im Ukraine-Krieg vergewaltigen Söldner systematisch Frauen und Kinder. In Russland trauern zigtausende Mütter um ihre gefallenen Söhne. Die Tage der uralten männlichen Machtgier sind gezählt. Nicht nur Putin unterschätzt die Wut von Frauen, von Müttern, die nichts mehr zu verlieren haben.

Maike Maibaum, Redakteurin in der NRZ-Titelredaktion

Sabrina Ouazane
Sabrina Ouazane © NRZ | Sarah Eul

Tag für Tag kämpfen wir in einer von Männern dominierten Welt um Anerkennung. Dabei haben wir in der Vergangenheit mehr als nur einmal bewiesen, was in uns steckt. Frauen trugen bereits Schlachten aus, bauten Länder wieder auf, gebaren Kinder und machten trotzdem beruflich Karriere. Die Frau von Heute passt sich mit Hosen dem Modestil der Männerwelt an aber trägt einen Ausschnitt, um zu zeigen, dass sie kein Mann ist. Ich finde dieses Bild traurig. Der Weltfrauentag soll uns daran erinnern, dass eine Frau nicht die Rolle eines Mannes einnehmen muss, um stark zu sein. This is not a men’s world!

Sabrina Ouazane, Volontärin in der Kreisredaktion Kleve.

Jaqueline Siepmann
Jaqueline Siepmann © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Deutschland im Jahr 2023: Die Mitarbeiterin einer Firma in Sachsen stellt eines Tages durch Zufall fest, dass ihr männlicher Kollege, der die gleiche Qualifikation hat, derselben Tätigkeit nachgeht und genauso lange im Betrieb ist wie sie, pro Monat rund 500 Euro mehr verdient. Für eine gleiche Bezahlung klagt sich die Frau durch alle gerichtlichen Instanzen. Am Ende gibt ihr das Bundesarbeitsgericht recht. Der Arbeitgeber muss ihr das entgangene Gehalt nachzahlen.

Solange es solche Fälle von geschlechterungerechter Bezahlung noch gibt, brauchen wir den Weltfrauentag. Und wenn ungleiche Entlohnung eines hoffentlich sehr nahen Tages kein Thema mehr sein sollte, dann gibt es glücklicherweise einen Anlass weniger, aber mindestens immer noch 1000 weitere dringende und zwingende Gründe, um ihn unbedingt zu begehen. Noch Fragen?

Jacqueline Siepmann, Blattmacherin, NRZ-Titelredaktion

Madeleine Hesse
Madeleine Hesse © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Alles nur noch „Symbolpolitik“? Wenn inzwischen selbst Frauen daran zweifeln, ob ein Frauen-Tag notwendig ist, braucht es ihn offensichtlich umso mehr. Denn die Zweifel zeigen: So manche gibt sich schnell zufrieden und Feministinnen gelten weiter als „grün-linke, unzufriedene Zicken“, zu denen sich viele lieber nicht zählen möchte. Natürlich sind wir weit gekommen. Wer aber glaubt, dass Frauen strukturell schon gleichgestellt sind, sollte besser hinsehen. Nicht nur am Weltfrauentag, nicht nur in Deutschland.

Madeleine Hesse, Redakteurin Niederlande-Themen

Sara Schurmann
Sara Schurmann © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Eine Frau läuft ihre Joggingrunde, so wie jeden Morgen. Ihr kommen Hundebesitzerinnen und Spaziergänger entgegen, dann ein Fahrradfahrer in blauer Regenjacke. Sie achtet nicht weiter auf ihn, merkt nicht, dass er wendet und dicht an ihr vorbeifährt. Sie spürt nur den Schlag auf ihrem Hintern. Es dauert zwei, drei Sekunden, bis sie realisiert, was gerade passiert ist.

Sie schreit ihm laut hinterher, was genau, weiß sie schon im nächsten Augenblick nicht mehr. Aber der Fahrradfahrer ist sowieso längst weg. Die Frau läuft weiter, weil sie nicht weiß, was sie sonst machen soll. Ihr kommen auf der Strecke noch mehrere Fahrradfahrer in blauen Regenjacken entgegen und jedes Mal zuckt sie bei ihrem Anblick zusammen. Selbst Tage später ist sie wütend, fassungslos, hilflos.

Ja, sexuelle Übergriffe passieren immer wieder. In Clubs, am Arbeitsplatz oder eben auf der Joggingrunde. Das ist bekannt, die Statistiken sprechen für sich. Aber es ist etwas anderes, wenn abstrakte Zahlen plötzlich zur eigenen Realität werden, wenn jemand selbst die Respektlosigkeit und Übergriffigkeit mancher Männer zu spüren bekommt. So war es zumindest bei mir. Denn die Frau, der das Ganze vor wenigen Tagen passiert ist, bin ich. Und der Vorfall hat mir auf erschreckende Weise einmal mehr gezeigt: Es muss sich noch viel tun in unserer Gesellschaft!

Sara Schurmann, Redakteurin der Niederrhein-Seite

Anja Hasenjürgen
Anja Hasenjürgen © FUNKE Foto Services | Heiko Kempken

Solange es eine Erwähnung wert ist, dass Dinslaken eine Bürgermeisterin hat, aber keine, dass zwei Drittel des Stadtrats männlich sind; solange Frauen sich erklären müssen, wenn sie berufstätig sind, aber niemand darüber redet, dass in Dinslaken nur zwei Kitas flexible Betreuungszeiten bieten; solange der Bau eines weiteren Frauenhauses in Voerde umstritten ist, aber mehr als 500 Fälle häuslicher Gewalt im Kreis Wesel normal; solange also an 364 Tagen im Jahr Männertag ist, werden wir leider wohl einen Weltfrauentag brauchen.

Anja Hasenjürgen, stellv. Leiterin Redaktion Dinslaken

(red.)