Moers. Das Jugendsinfonieorchester der Ukraine probt in der Aula eines Moerser Gymnasiums. Am Pult stand jetzt eine weltweit gefragte Stardirigentin.

Es ist nicht lange her, da haben in der Aula des Gymnasiums Filder Benden junge Leute über ihren Abiturarbeiten gebrütet, erst am vergangenen Samstag sind ihnen dort die Abizeugnisse feierlich übergeben worden. Jetzt sitzen wieder junge Menschen in der Aula. Noten spielen auch bei ihnen eine Rolle, aber diesmal sind es Noten, die Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Antonín Dvořák aufgeschrieben haben. Im Festsaal der Schule probt das 60-köpfige Jugendsinfonieorchester der Ukraine für seine Gastspiele in Deutschland. Am Donnerstag stand Oksana Lyniv, die Gründerin des Orchesters, am Probenpult – eine Frau, über die der Moerser Kulturmanager Konrad Göke sagt: „Es ist eine Sensation, dass diese weltweit hochgehandelte Dirigentin zu uns kommt.“

Tatsächlich ist die gebürtige Ukrainerin, die seit 15 Jahren in Deutschland lebt, eine gefragte Dirigentin. Oksana Lyniv dirigiert Orchester in Paris, Berlin, London, München, Rom, sie war die erste Frau, die bei den Bayreuther Wagner-Festspielen bei einer Festspielpremiere am Pult stand. Seit dem 1. Januar 2022 ist sie Generalmusikdirektorin des Teatro Comunale di Bologna und damit die erste Frau, die in Italien ein Opernhaus leitet.

Geprobt wird in der Aula des Gymnasiums Filder Benden.
Geprobt wird in der Aula des Gymnasiums Filder Benden. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Und jetzt steht sie in einer Moerser Aula, übernimmt für eine Weile den Taktstock vom Dirigenten Serhii Nesteruk, erklärt in den Unterbrechungen gestenreich und – „pa-bam, pa-bam, pa-bam“ – temperamentvoll den Nachwuchsmusikern, wie diese und jene Stelle in dem Musikstück nach ihrer Vorstellung klingen muss.

Erste gemeinsame Proben ohne Angst

Die Proben in der Grafenstadt sind die ersten gemeinsamen Proben des Orchesters seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, für viele die ersten musikalischen Proben ohne Luftschutzsirenen und ohne Angst. Einige leben im Osten ihres Heimatlandes, etwa in Charkiw, wo die Musikschule samt der Instrumente weitgehend zerstört sei, wie Oksana Lyniv berichtet. Über den aktuellen Probenort äußert sie sich lobend: Die Akustik sei gut, „nicht überhallig“, das Drumherum grün und idyllisch, ein Platz zum Wohlfühlen. Neben der Aula hat das Gymnasium 14 Klassenräume für Einzelproben zur Verfügung gestellt. Überhaupt, so sagt Konrad Göke dankbar, habe die Schule „alles möglich gemacht, was sie möglich machen konnte“.

Alle 60 Musiker sind bei Moerser Familien untergebracht

Göke hat seit mehreren Jahren Kontakt zum Orchester. Der Plan, dass es zur in der Festwoche der Musik in Moers spielen sollte, stand bereits – dann kam der Überfall Russlands auf die Ukraine, und alle waren in Sorge um die jungen Musiker, die zwischen 14 und 22 Jahre alt sind. Göke und der Verein „Erinnern für die Zukunft“ konnten die Reise – nicht zuletzt dank der Unterstützung der Sparkasse – realisieren und sämtliche Gäste bei Moerser Familien unterbringen.

Am kommenden Sonntag startet das Orchester zu einer Konzertreise, bei der es unter anderem auf Festivals in Luzern, Bayreuth, Berlin, Eisenach und Paris spielen wird, bevor es dann zur Festwoche „Moers klingt“ in die Grafenstadt zurückkehrt (siehe Box). Konrad Gökes Botschaft an die Moerserinnen und Moerser: „Solidarität heißt: Karten kaufen.“

>>> Das Orchester bei „Moers klingt“ <<<

Das Jugendsinfonieorchester der Ukraine wird in der Festwoche der Musik „Moers klingt“ spielen.

Festkonzert: 26. August, 19 Uhr, Enni-Eventhalle.

Großes Sinfoniekonzert: 28. August, 18 Uhr, Enni-Eventhalle.

Konzert für den Frieden: 31. August, 12.30 Uhr, Enni Eventhalle.

„Fast And Furious“: 2. September, 18 Uhr, Enni-Eventhalle.

Schlusspunkt „five o’clock“: 4. September, 17 Uhr, Stadtkirche.

Karten: Moers Marketing, Kirchstraße 27, 02841/882260.

Mehr auf www.moers-klingt.de