Kamp-Lintfort. Familie Bird aus Kamp-Lintfort hat vier Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Für die neuen Mitbewohner auf Zeit sind alle zusammengerückt.

Bio-Landwirt Klaus Bird aus Kamp-Lintfort ist gewohnt, spontan anzupacken. Als in der Ukraine die ersten Menschen vor dem Krieg in ihrer Heimat flüchteten, überlegte er gemeinsam mit seiner Familie, wie sie persönlich helfen könnten, Leid zu lindern. Und schnell stand fest: „Wir haben Platz, den wir zur Verfügung stellen können. Das fanden wir passender, als Geld zu spenden.“

Seit einem knappen Monat hat die Familie Bird auf ihrem Bauernhof in Hoerstgen neue Mitbewohner, auf unbestimmte Zeit: Anna und ihr Sohn Kyrillo (15) und Iryna mit ihrer zehnjährigen Tochter Daryna.

Wieso das Quartett ausgerechnet in Kamp-Lintfort gelandet ist, wissen die Birds nicht. „Es gibt Fragen, da merkt man schnell – die stellst du lieber nicht“, sagt der Landwirt. „Da war anfangs eine Menge Misstrauen.“ Auch wenn ihr Verhältnis zu den Birds mittlerweile von Vertrauen geprägt ist – mit uns wollen Anna und Iryna lieber nicht über ihre Flucht und ihre Sorgen reden.

In den ersten Tagen half eine Dolmetscherin bei der Verständigung, jetzt kleben an vielen Küchenutensilien und Nahrungsmitteln Zettel – mit den entsprechenden Vokabeln auf deutsch und russisch. Und der Google-Übersetzer ist im Dauereinsatz. „Funktioniert aber eigentlich ganz gut“, so Bird. Wie so vieles auf einmal automatisch greift. Da ist die Kundin, die dem Quartett umsonst Deutschunterricht gibt. Der Zahnarzt, der schnell und unbürokratisch einen Termin macht. Die Niag, die die ukrainischen Flüchtlinge umsonst transportiert. Oder die schnelle Hilfe und Unterstützung der Stadt Kamp-Lintfort, welche die Birds ausdrücklich loben. „Die Bereitschaft zu helfen, ist wirklich groß“, findet Eva Bird. „Wenn alle in dem Bereich helfen, wo sie es können – dann geht eine Menge“, glaubt ihr Vater.

Alltagshilfen in der Küche: Auch so kann man ganz nebenbei eine neue Sprache lernen...
Alltagshilfen in der Küche: Auch so kann man ganz nebenbei eine neue Sprache lernen... © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Dass der Alltag nicht immer einfach ist, wenn plötzlich fremde Menschen im Haus wohnen, wussten die Birds. Schließlich beherbergen sie immer wieder über längere Zeit Auszubildende oder Praktikanten auf dem Biolandhof Frohnenbruch. „Man muss aber wissen, was das bedeutet. Und dass es wichtig ist, dass alle weiterhin ihre Privatsphäre haben – auch die Geflüchteten“, sagt Klaus Bird. Für die beiden Frauen und ihre zwei Kinder stehen auf dem Bauernhof 60 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung, bislang werden Küche und Bad gemeinsam genutzt. „Aber wir werden jetzt kurzfristig eine Küche installieren.“

Die Balance zu finden, trotz alltäglicher Sorgen und Ängste wegen des Krieges, sei für Anna und Iryna nicht einfach. Sie zeigen ihre Dankbarkeit mit Einsatz in Haus und Garten: „Wir hatten noch nie ein so ordentliches Bügelzimmer“, sagt Eva Bird und lacht.

Kyrillo und Daryna gehen zur Schule: Ein kleines bisschen Normalität

Große Worte über ihre eigene Hilfe verliert Familie Bird nicht. „Ich bewerte diese Leistung nicht als besonders hoch, wenn ich sehe, was da los ist“, sagt Klaus Bird mit Blick auf die aktuelle Lage in der Ukraine. „Es ging ja erst mal darum, für viele eine schnelle Lösung zu finden.“ Über den Krieg reden sie mit Anna, Iryna und den Kindern nicht. Das, findet Klaus Bird, sei derzeit auch nicht zielführend: „Sie brauchen jetzt vor allem Ablenkung, etwas Positives“, hat Eva Bird ausgemacht.

Seit letzter Woche gehen Kyrillo und Daryna in Kamp-Lintfort zur Schule – für die Kinder kehrt damit ein kleines bisschen Normalität in ihren Alltag zurück. Wie lange sie noch hier in Hoerstgen bleiben werden, kann derzeit keiner mit Gewissheit sagen.

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Ausgerechnet
in diesem Jahr fällt das große Osterfest mit der Familie auf dem Hof aus – Familie Bird erweitert auf dem Biolandhof Frohnenbruch im großen Stil.

Im Spätsommer 2021 kam die Baugenehmigung, seitdem wird in dem denkmalgeschützten Gemäuer umgebaut. Entstehen soll ein neuer Hofladen mit gläserner Metzgerei und ein Hofcafé mit Außenterrasse und Blick auf den Weiher. Komplett fertig wird das Bauprojekt wohl erst im nächsten Jahr. Wer aber schon mal schauen will, wie weit der Baufortschritt ist, kann das auf der Facebookseite des Biolandhofs tun. Weitere Infos gibt es im Netz unter: www.frohnenbruch.de