Moers. Der 8. März ist Frauentag. Jacqueline Rittershaus findet, die weibliche Mitbestimmung muss verbessert werden. Corona beeinflusse die Frauenrolle.

Heute ist Internationaler Frauentag. Weltweit finden Aktionen und Demonstrationen für mehr Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Arbeitsleben, in der Gesellschaft oder in politischen Entscheidungsprozessen statt. Für Jacqueline Rittershaus, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Moers, ist das ein Tag zum Feiern aber auch zum Aufrütteln. „Wir können schon feiern, was die Frauenbewegungen in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, aber es gibt noch einiges zu tun, um die weibliche Mitbestimmung zu verbessern“, betont sie.

Gerade die „Care-Arbeit“, also die Erziehung der Kinder, die Pflege von Angehörigen oder der Haushalt, liege in den meisten Fällen immer noch in Frauenhänden. Rittershaus würde sich wünschen, dass diese Arbeit bezahlt werde, denn Frauen würden dafür ganz schön zurückstecken. „Sie haben es deutlich schwerer, sich eine stringente berufliche Karriere aufzubauen“, weiß Rittershaus. Mütter würden oft in Teilzeit arbeiten. Die Gefahr, dadurch in Altersarmut abzurutschen, sei groß.

Corona unterstreicht altes Frauenbild

Gerade die Corona-Krise habe das alte Rollenbild der Frau unterstrichen. Den eigenen Job bewältigen, die Kinder im Homeschooling betreuen und nebenbei den Haushalt schmeißen: Die Belastung für Frauen habe seit der Pandemie immens zugenommen, sagt Rittershaus. „Hinzu kommt die mentale Belastung, weil man sich um Angehörige sorgt, die vielleicht zur Risikogruppe gehören.“ Die Gleichstellungsbeauftragte hat konkrete Forderungen an die Politik, um die Situation für Frauen zu verbessern.

Um der Selbstverständlichkeit, dass Frauen diese Aufgaben allein übernehmen müssen, entgegenzuwirken, fordert Rittershaus eine dauerhafte Finanzierung von bedarfsgerechter, kostenloser und qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung, dem Wegfall des Ehegattensplittings und der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Gleichberechtigung auch im privaten Umfeld stärker leben

Gesetze allein würden aber nicht ausreichen. Gleichberechtigung müsste auch im privaten Umfeld stärker gelebt werden. Rittershaus’ Appell: unbezahlte Hausarbeit oder die Erziehung von Kindern sollte in einer Partner- oder Elternschaft auf beide Schultern verteilt werden.

Dass es im Kreis Wesel immer noch gravierende Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, darauf weist auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hin. Frauen, die eine Vollzeitstelle haben, verdienen im Kreis aktuell 13 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Während der mittlere Vollzeit-Verdienst von Männern bei 3399 Euro pro Monat liegt, kommen Frauen lediglich auf 2962 Euro, so die NGG-Region Nordrhein unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.

NGG kritisiert ungleiche Bezahlung

„Es kann nicht sein, dass Frauen in puncto Bezahlung trotz gleicher Arbeitszeit systematisch den Kürzeren ziehen“, kritisiert Gewerkschafter Karim Peters. Die Corona-Pandemie habe die Situation teils verschärft. In Branchen wie dem Gastgewerbe habe die Krise Frauen zudem besonders stark getroffen – etwa weil sie überdurchschnittlich oft in Minijobs arbeiteten.

Diese Stellen seien nach zwei Jahren Pandemie in großem Stil abgebaut worden. Die Betroffenen stünden nach dem Job Verlust ohne Arbeitslosenversicherung da und hätten auch keinen Anspruch auf das Kurzarbeitergeld.

Pandemie könnte Chance für mehr Gleichberechtigung sein

Neben prekären Arbeitsverhältnissen gebe es aber in vielen Betrieben nach wie vor einen großen „Gender Pay Gap“, eine erhebliche Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. „So verdienen Bäckereifachverkäuferinnen in NRW bei Vollzeit rund 400 Euro weniger als Bäcker. Dabei haben beide eine dreijährige Ausbildung hinter sich und es mit den gleichen Anforderungen zu tun“, betont Peters.

Nach Einschätzung der NGG könnte die Pandemie jedoch langfristig eine Chance für mehr Gleichberechtigung sein: „Viele Männer haben in den letzten zwei Jahren erstmals richtig erfahren, welche Arbeit Kinderbetreuung und Haushalt machen – aber auch, wie wichtig ihre Unterstützung zuhause ist“, sagt Karim Peters.