Moers. Maria und Josef sind gebürtige Moerser, ihre Eltern kamen als Syrien-Flüchtlinge. Deren größter Wunsch: eine gute Zukunft für ihre Zwillinge.

Die Josefstraße im Herzen von Moers. In dem Mehrfamilienhaus geht’s die Treppe rauf in die erste Etage, dann die Wohnung links – hier wohnen Maria und Josef. Die Zwillinge sind waschechte Moerser und vor zwei Jahren und drei Monaten im Bethanien-Krankenhaus zur Welt gekommen. „Halleluja“, habe der Entbindungsarzt damals spontan gerufen, als er erfuhr, dass die Kinder die Namen Maria und Josef tragen sollen, erinnern sich ihre Eltern. Reem (39) und Firas (40) sind als Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien in der Grafenstadt aufgenommen worden und sagen: „Wir sind so dankbar und glücklich, dass unsere Kinder in diesem Land sicher leben können und eine gute Zukunft haben.“

Ihre Coronalektion haben Maria und Josef schon gelernt: Dem Besucher strecken sie zur Begrüßung strahlend die Fäustchen entgegen. In ihrem Kinderzimmer stehen zwei Bettchen mit Stofftieren, kleine Spielzeugautos und ein großer Lastwagen sind auf dem Boden verteilt, daneben liegen erste Steckpuzzles und einige Bilder, die die beiden gemalt haben. „Malen steht bei ihnen im Moment hoch im Kurs“, sagt Mutter Reem Faraj. Auch basteln mit Knete gehört zu den aktuellen Favoriten. Und sobald Musik läuft, hält sie nichts, ergänzt Ehemann Firas Hasson, „dann wird getanzt.“

So kam es zu den Namen Maria und Josef für die Kinder

Die Familie von Reem Faraj und Firas Hasson ist muslimischen Glaubens. Weshalb ihre Kinder die Namen der Eltern von Jesus von Nazareth tragen? Wie es beim Jungen dazu kommt, ist schnell erzählt. Sein Opa heißt Josef, oder Jusef im Arabischen, und es sei Familientradition, dass der Enkel nach ihm benannt wird, erklärt Firas.

Wenn Reem die Geschichte der Namensfindung für Josefs Schwester erzählt, muss sie ein wenig ausholen: „Am Anfang meiner Schwangerschaft hieß es, ich würde zwei Jungen bekommen. Eines nachts habe ich von Maria geträumt, der Mutter Gottes. Sie stand mit weit ausgebreiteten Armen in einer Kirche, und ich hab’ ihr erzählt, dass ich mir so sehr eine Tochter wünsche. Und weil ich doch schon zwei Fehlgeburten hinter mir hatte, habe ich zu ihr gebetet, dass es später einmal mit einem Mädchen klappen würde.“ Ihre ganz persönliche frohe und unverhoffte Botschaft erreichte Reem bei einer Untersuchung eine Woche später. Da sagte ihr der Arzt, dass sie nicht zwei Söhne, sondern einen Jungen erwartete – und ein Mädchen: „Ich war total glücklich. Im selben Moment war mir klar, dass es für unsere Tochter nur einen Namen geben konnte: Maria.“

Für die Zwillinge ist es das dritte Weihnachtsfest in Moers

So werden Maria und Josef jetzt das dritte Weihnachtsfest in ihrem noch kurzen Leben in ihrer Heimat Moers feiern. Ihre Geschenke sind verpackt, es gibt einen Weihnachtsbaum und leckeres Essen, am Wohnzimmerfenster leuchtet schon seit Wochen eine Sternenkette. Seit 2015 leben Reem und Firas in Deutschland. Das Ehepaar gehört zu Flüchtlingen, die mit dem Boot übers Mittelmeer nach Europa gekommen sind. Nach einer Zwischenstation im Saarland kamen die beiden 2016 nach Moers. Längst haben sie erfolgreich mehrere Deutschkurse absolviert, sie können sich gut verständigen. Aber da sie nicht fehlerfrei sind, wird in der Familie in der Regel Arabisch gesprochen. Beim Umgang mit anderen Kindern ist das offensichtlich kein Hindernis: „Irgendwie verständigen die sich immer“, amüsiert sich Reem, die mit Maria und Josef oft den Spielplatz am Schloss besucht. Am liebsten sind ihnen dort die Schaukeln.

Gleichwohl hoffen Reem und Firas, dass sie bald Plätze im Kindergarten erhalten, nicht zuletzt, damit die Kleinen dort korrektes Deutsch lernen. „Sie sind intelligent“, sagt die Mama stolz. Sie und ihr Mann wünschen sich für ihre beiden das, was sich Eltern auf der ganzen Welt für ihre Kinder wünschen: „Dass sie eine gute Schulbildung bekommen, vielleicht studieren, schöne Berufe ausüben, eigene Familien gründen, dass sie gesund sind“, sagt Firas.

In dem vom Bürgerkrieg zerstörten Land hätten Maria und Josef nicht diese Zukunft

In dem vom Krieg zerstörten Syrien hätten ihre Kinder diese Zukunft nicht zu erwarten, sind Reem und Firas sicher. Das ist der eine Grund, weshalb sie ihre Heimat verlassen haben. Es gibt einen weiteren: Reem hat dort als Journalistin gearbeitet, aber die Politik zu kritisieren, sei tabu in Syrien, erklärt sie. Nach einem kritischen Artikel über einen mächtigen Mann und dessen erstaunlichem Reichtum habe der sich bei der Zeitung gemeldet, ihr Chef habe sie beschimpft und ihr prompt einen Monat Arbeitsverbot erteilt. Als sie später auch ins Visier einer Rebellengruppe geriet und Morddrohungen erhielt, sei es zu viel geworden. Die beiden entschlossen sich, aus dem Land wegzugehen.

Reem arbeitet daran, in ihrer neuen Heimat in ihren Beruf zurückkehren zu können. Firas ist das schon gelungen. In Damaskus hatte er einen eigenen Friseurladen. Nun arbeitet er in Vollzeit bei einem Friseur in Düsseldorf. Sein Traum ist ein eigener Laden wie früher. Beide sind dem Land dankbar, das sie aufgenommen hat. Die Menschen seien freundlich, sagen sie und erzählen von Cilly und Gernot, einem älteren Ehepaar, das ihnen nach ihrer Ankunft im Saarland geholfen hat, im neuen deutschen Alltag zurechtzukommen: „Sie besuchen uns auch hier. Für unsere Kinder sind sie Oma und Opa.“

Die Familie fühlt sich wohl in Deutschland. „Wir verdanken diesem Land viel, können hier sicher und frei leben, wir wollen das zurückgeben“, erklärt Firas. Das Wichtigste: „Maria und Josef haben hier eine gute Zukunft.“