Kamp-Linfort. Seit der Online-Discounter gas.de nicht mehr liefert, haben die Stadtwerke Kamp-Lintfort 125 Kunden mehr. Das bereitet dem Vertriebsleiter Sorge.
So manches Schnäppchen aus dem Internet entpuppt sich später als Fehlkauf. Das gilt auch für 125 Kamp-Lintforter Haushalte, die ihr Gas vom Online-Discounter gas.de bezogen haben. Der liefert nämlich seit 2. Dezember nicht mehr. Damit dessen Kunden nicht im Kalten sitzen, übernimmt in solchen Fällen nahtlos der Grundversorger, in dem Fall die Stadtwerke Kamp-Lintfort. Die Stadtwerke allerdings haben nicht mit so vielen „Neukunden“ kalkuliert, erklärt Bert Buschmann, Vertriebsleiter der Stadtwerke. „Die sind uns unverhofft in den Schoß gefallen und das macht uns Probleme“, erklärt er.
60 neue Kunden im Jahr, das sei normal, das könne man mit den Vorlieferverträgen, die meist zwei Jahre im Voraus abgeschlossen würden, vielleicht noch so eben preisstabil hinkriegen. In den Verträgen seien gewisse Grundmengen zugrunde gelegt, ebenso Toleranzen nach oben und unten. Aber eben nicht in dieser Höhe. Die Stadtwerke müssten also zu den aktuellen Preisen zukaufen. Und die sind – wie alle wissen – sehr hoch.
Tarif ist nicht gerade ein Schnäppchen
Gleichwohl könne es auch nicht sein, dass die bisher treuen Kunden die Teuerung auffangen, die zu den ohnehin steigenden Preisen dazu käme. Deshalb bekommen die unfreiwilligen Neukunden einen neuen Tarif – und der ist definitiv kein Schnäppchen. „Für einen Standardhaushalt mit 20.000 Kwh sprechen wir in etwa vom Doppelten dessen, was Bestandskunden zahlen“, sagt Buschmann. Ein roter Teppich für Neukunden ist das nicht. „Wir haben eigentlich einen anderen Anspruch“, erklärt Buschmann, „wir verstehen uns als Versorger von Kamp-Lintfort. Aber nicht zu jedem Preis.“
Die gas.de-Kunden hätten das wirtschaftliche Risiko auf sich genommen. Das sei wie bei Bank-Geschäften. Riskante Anlagen versprächen höhere Gewinne, sichere Anlagen geringere.
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Bei den Stadtwerken gehe man allerdings davon aus, dass die Kunden sich schnell neu orientieren werden. „Die sind internetaffin und preisaffin.“ Die erste Kündigung eines „Ersatzversorgten“ sei schon nach zwei Tagen da gewesen. Bei anderen werde das ein Prozess von Monaten sein, glaubt der Vertriebsleiter. Es gebe durchaus seriöse Anbieter im Netz, aber man müsse halt genau hinschauen. Allerdings machen sich die explodierenden Gaspreise auch bei den Portalen bemerkbar. „Die Einsparungen, die im Vergleich zu uns möglich sind, werden geringer.“
Die vereinbarten Preise waren so nicht haltbar
Pressesprecherin Judith Dohmen-Mick erinnert daran, dass die Ursache des Dilemmas in wirtschaftlichen Fehlentscheidungen des Online-Discounters liege. „Die haben sich verkalkuliert.“ gas.de lebte vom Kurzfristgeschäft und könne nun die vertraglich versprochenen Preise nicht halten.
Man sei froh, sagt Buschmann, dass kein gewerblicher Großkunde unter den Zwangsrückkehrern ist. „Dann hätten wir die Notbremse ziehen müssen und dem den Hahn zudrehen. Das hätte uns sonst in wirtschaftliche Schieflage gebracht.“
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Dreiviertel der Kamp-Lintforter sind Stadtwerke-Kunden. Die Zahl der konkurrierenden Anbieter beziffert Buschmann auf „über hundert“.
Beim Blick in die Zukunft hat der Vertriebsleiter Sorgenfalten auf der Stirn: „Wir haben schon so oft gedacht, höher kann es nicht mehr gehen. Aber doch, es ging.“ Die angekündigte Energiewende und die unklare Situation in Sachen Nordstream 2 lassen aus seiner Sicht kaum auf sinkende Gaspreise hoffen.