Kamp-Lintfort. Zwei Schülerinnen haben Stadt-Touren entworfen, die sich mit der Nazi-Zeit in Kamp-Lintfort beschäftigen. Eine ungewöhnliche Spurensuche.
Wie war das Leben in Kamp-Lintfort, als Nationalsozialisten im Rathaus saßen und die Moerser Straße Adolf-Hitler Straße hieß? Bei zwei Stadtrundgängen, entwickelt von zwei Schülerinnen des Georg-Forster-Gymnasiums, können Kamp-Lintforterinnen und Kamp-Lintforter jetzt in ihrer Heimatstadt auf ungewöhnliche Spurensuche gehen.
Die Idee für die über die App „Biparcours“ abrufbaren Rundgänge entstand im bilingualen Geschichtskurs. Dass sie sich für ihre Projektarbeit mit den Themen Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg in ihrer Stadt auseinandersetzen wollten, stand für Charlotte Ullrich (17) und Anouk Everaert (18) schnell fest. Unterstützung erhielten die beiden nicht nur von ihren Lehrenden, Natascha Spitzer und Daniel Möller. Auch Stadtarchivar Martin Klüners stand den Schülerinnen mit Einblicken in das Stadtarchiv und mit historischem Fotomaterial zur Seite.
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„Lokalgeschichte ist nah dran, das lässt Geschichte viel realer werden“, hat Charlotte Ullrich während der Arbeit für die Stadttouren selbst erfahren. Dabei stehen nicht nur besondere Orte im Mittelpunkt: Wichtig war den beiden Schülerinnen auch, die Teilnehmenden mit erläuternden Texten, Umfragen und Abstimmungen zum eigenen Nachdenken anzuregen.
Umfragen und interaktive Gadgets
Ein Beispiel ist eine Station am alten Rathaus, wo das historische Foto noch das „Adlerdenkmal“ zeigt, das später von dort entfernt und nun vor dem Eingang zum Soldatenfriedhof am Niersenberg platziert ist. Mittels einer Umfrage können Teilnehmende zum Beispiel sagen, was sie stattdessen mit dem Denkmal gemacht hätten.
Der erste Rundgang zum Thema „Kamp-Lintfort während des Nationalsozialismus“ startet am Prinzenplatz und endet auf der Konradstraße. An sieben Stationen, die in der App auch mit historischem Bildmaterial versehen sind, geht es unter anderem um Nazipropaganda, die Hitlerjugend oder – ganz aktuell – den Umgang mit Straßen, die den Namen von Persönlichkeiten tragen, die wegen ihrer NS-Vergangenheit heute umstritten sind. Die zweite Tour bewegt sich ebenfalls über sieben Stationen von der Boegehofstraße bis zum Kasino am Park. Thematisiert wird hier unter anderem der Angriff vom 21. November 1944 oder die Befreiung der Stadt durch amerikanische Soldaten.
Lokalgeschichte kommt oft zu kurz
„Lokalgeschichte kommt immer wieder zu kurz im Unterricht“, weiß Geschichtslehrerin Natascha Spitzer. „Aber erlebbar wird Geschichte erst, wenn sie emotional erfahrbar ist.“ Sie ist sicher, dass diese Arbeit auch in der Stadt nachwirken kann. So könnten die Touren nicht nur Touristen angeboten werden (sie sind in englischer und deutscher Sprache abrufbar), sondern auch als Basis für thematische Stadtführungen dienen, wie sie etwa in Moers angeboten werden.
Für ihre Projektarbeit haben Charlotte Ullrich und Anouk Everaert eine Eins plus erhalten. Viel wichtiger scheint beiden aber eines: „Wir gehen jetzt mit anderen Augen durch unsere Stadt.“
Mehr über die Rundgänge und die Biparcours-App gibt es auf der Homepage unter gymnasium-kamp-lintfort.de. Dort kann man via QR-Code die Touren herunterladen.