Moers. Nach dem Ende des Atlantic ist Moers ohne Kino. Dabei gab es für die Lichtspielhäuser hier einst eine Blütezeit - mit Sälen für 700 Besucher.

Es war die Zeit, als eine Kinokarte noch 50 Pfennig kostete. Damals lockten „Sisi“, Edgar Wallace und „Winnetou“ die Massen in die Lichtspieltheater. In der Moerser Innenstadt gab es noch sechs Kinos, die oft vor ausverkauftem Haus spielten. Mit dem Sterben des „Atlantic“ ist Moers nun bundesweit die einzige Großstadt ohne Leinwand. Dabei zählte Moers in Deutschland zu den Pionieren des Kinos. Das Filme-Sehen begann schon 1908 an der Homberger Straße im „Grafschafter“ – im Gebäude, in dem heute „Saturn“ mit Fernsehern und Waschmaschinen handelt.

Das „Grafschafter“ anno 1908 war ein wahrer Prunkbau mit mächtigen Säulen. Neben dem Portal prangte das von zwei Löwen getragene Wappen der Grafschaft Moers. Zehn Stufen führten in den Kinoraum mit 500 Plätzen. Er war in vornehmes Rot gekleidet. Zur Begleitung der Bilder spielte ein Herr am Klavier. Es waren ja noch Stummfilme. In den 30er und 50er Jahren erweiterte man das „Grafschafter“ auf 700 Plätze. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Kino auch mal zum Theater, wenn Wanderbühnen gastierten. Gleichzeitig wurde die Kino-Technik immer besser. Wenn „James Bond“ im Einsatz war, baute der Besitzer eine Extra-Leinwand und besondere Lautsprecher auf. In den 70ern wurde das Haus dann in zwei Säle geteilt, das eigentliche „Grafschafter“ mit 506 und das kleine „Lux“ mit 184 Plätzen. Doch wie überall im Land kamen immer weniger Zuschauer. 2000 war Schluss. Das „Grafschafter“-Kino hieß nun nach aufwändigem Umbau die „Grafschafter Einkaufspassage“.

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1955 galt als Hoch-Zeit des Kinos. Damals eröffnete das „Residenz“ mit über 600 Sitzplätzen an der Homberger Straße. Gegenüber wurde bei „Shell“ getankt. Erst Jahre später bauten „Horten“ und „C&A“ nebenan. Das „Residenz“ hatte eine edle Einrichtung mit Wandbespannungen aus blauer und beiger Kunstseide. Die Besucher liebten die moderne „Vierkanal-Magnetton-Anlage“ und die 4,50 mal 11,50 Meter große Breitleinwand. Es gab viele Extra-Veranstaltungen wie eine Livesendung von Radio Luxemburg. 1983 endete die Faszination. Das „Residenz“ wurde zur Filiale von „Quelle“. Heute findet sich in dem Kino-Saal ein Fitness-Studio.

Die markanten Stein-Köpfe der Rheingold-Fassade sind noch heute zu sehen

Auch das „Rheingold“ an der Neustraße hatte eine wechselhafte Geschichte. Schon 1917 eröffnete in dem Gebäude ein Kino mit Café. Nach Abriss und Neubau im Jahr 1937 wurde das Kino 1952 auf 580 Plätze vergrößert. Das Gebäude ist bis heute zu erkennen. Die Fassade wird verziert durch markante Stein-Köpfe alter Kinohelden. 1967 gingen auch hier die Lichter aus. Neue Herren im Haus waren nun „Aldi“, dann ein Plattenladen, zuletzt die Spielwarenkette „Intertoys“. Seit Jahren suchen die 600 Quadratmeter Fläche eine neue Bestimmung.

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Viel auf und Ab hat auch die „Skala-Filmbühne“ an der Kirschenallee hinter sich. Hier entstand 1951 in Nachbarschaft der Bergmanns-Siedlungen ein Kino für 600 Besucher – mit einem Orchestergraben für 15 Musiker und einer 100 Quadratmeter großen Bühne für Theater- und Operetten-Aufführungen. Eine gute Adresse. Auch Wolfgang Petry gastierte hier und die Rockband Status Quo. Eröffnet worden war das Skala mit dem Film „Das doppelte Lottchen“. Später wurden vornehmlich zweitklassige Hauruck-Streifen aufgeführt. Ende der 70er Jahre rentierte sich auch dieses Kino nicht mehr. Er hieß fortan die „Scala-Film-Discothek“, ehe Mitte der 80er der Kinobetrieb endgültig eingestellt wurde. Es folgten diverse Tanzschuppen wie der „Coyote Club“ und unterschiedliche Besitzer. Und immer wieder Leerstand.

Vorgänger des Atlantic-Kinocenters in Moers waren die Kronen-Lichtspiele

Auch das „Atlantic“-Kino an der Neustraße, das in den 80er Jahren startete, hatte seine Wurzeln in ferner Vergangenheit. Es begann mit dem „Saalbau Schäfer“, der in der Vor- und Nachkriegszeit zu den bekanntesten Treffpunkten in Moers zählte, und später das „Kronen-Hotel“ wurde. In dem großen Saal des Gasthauses zogen 1954 die „Kronen-Lichtspiele“ mit 500 Plätzen ein. Das Kino hatte einen eigenen Parkplatz und eine Fahrradwache. Zuletzt aber war das Lichtspieltheater, in dem eher minderwertige Filme gezeigt wurden, auch baulich am Ende. Da konnte es mal passieren, dass ein Sitz umkippte. Hotel und Kino wurden 1980 aufgegeben.

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Das „Atlantic“ machte dann aus dem „Kronen“ drei kleine Kinos. Zum Überleben reichte es zuletzt nicht mehr. Nun ist Moers frei von Kinos. Eine Ära endete.