Moers. In der Kleinen Allee sind Talibam eingezogen: Kevin Shea und Matt Mottel tauschen für ein Jahr ihren Wohnsitz in New York gegen Moers

Im Jubiläumsjahr bekommt das Moers Festival gleich zwei Improviser in Residence. Am Freitag zogen die beiden New Yorker Kevin Shea und Matt Mottel in der Kleinen Allee mit Sack und Pack und allerlei Geräusche machenden Utensilien ein. Wer wollte, konnte das live im Stream anschauen. Und erlebte eine halbstündige Show irgendwo zwischen hoher Improvisationskunst und Sesamstraße.

Ausgerechnet: Das Moers Festival wird 50 und kein Mensch kann sagen, wie es gehen kann. Auch die Improviser haben keine Ahnung, was von ihrer Energie - und davon haben sie viel - sie in den kommenden Monaten an die Menschen bringen können. Denn das ist ja eigentlich ihr Job: den Geist des Festivals in die Stadt tragen. In die Fußgängerzone, in die Schulen, in den Park, ins Museum, ins Theater. Sie sollen für die Moerser Musik machen und mit ihnen darüber ins Gespräch kommen.

Talibam war schon mehrfach nicht zu überhören

Deshalb fiel wohl auch die Wahl auf die beiden, die als "Talibam" schon mehrfach in der Festivalhalle nicht zu überhören waren. Wenn jemand es schafft, auch in diesen lausigen Zeiten, Aufmerksamkeit zu erregen, dann Kevin und Matt. "Sie sind höchst kreativ und einfallsreich, ein bisschen anarchisch sieht manches aus, hat aber immer einen gesellschaftlichen Aspekt", fasst Pressesprecher Thorsten Töpp zusammen. Auch hätten sie die Geschichte des deutschen Free Jazz im Fokus. Vielleicht können sie ja den Moers-Stammgast Peter Brötzmann treffen.

Der künstlerische Leiter Tim Isfort sieht das Duo als Impulsgeber, Und in Kevin Shea einer der "weltbesten Schlagzeuger, impulsiv, hellwach, mit Humor dahinter." Matt Mottel werde sicherlich für Bezüge zur bildenden Kunst sorgen und neue Projektideen beisteuern, ist Isfort sicher. Mit diesen beiden Energiebündeln wolle man gegen das "Seeungeheuer" halten, wie Isfort die Pandemie nennt. "Das soll ja keine improvisierte Quarantäne werden."

Übergabekonzert ist am 5. Februar - nur als Stream

Das Übergabe-Konzert, bei dem Maria Portugal Abschied von Moers nimmt und den Staffelstab an Talibam übergibt, soll am Freitag, 5. Februar um 20 Uhr im alten Landratsamt stattfinden - als Stream auf der Website des Festivals und bei Facebook. Anders geht's ja nicht derzeit. Nicht einmal eine Handvoll Gäste seien erlaubt, hat Thorsten Töpp in Absprache mit der Stadt erfahren müssen.

Aber Töpp ist sicher, dass die beiden auch außerhalb von Konzertsälen präsent sein werden. Etwa so wie Maria Portugal im Sommer in den Schlosspark eingeladen hatte und dort "so eine Hippie-Atmosphäre gezaubert" hat. Auf You Tube hatte sie ihren eigenen Kanal eingerichtet, als Konzerte vor Publikum unmöglich wurden. "Da geht bei Talibam bestimmt auch noch mehr", versichert Töpp. Zumal die beiden "in Europa sehr gut vernetzt" seien.

Das lauteste Abschlusskonzert aller Festivals

Das in jeder Hinsicht besondere Jahr in Moers zu verbringen, gefalle den beiden Musikern. "Sie können ja hier mehr machen als in New York. In einer Zeit, in der alle freien Künstler ums Überleben kämpfen, ist auch die Aussicht auf freies Wohnen und ein Budget für Projekte attraktiv", erläutert Töpp.

Unvergessen bei Besuchern des Moers Festivals 2018: ihr Big Impact, als Keyboarder Mottel einem Schlagzeuggewitter von 12 Drummern anderer Festival-Formationen gegenübertrat – vermutlich das lauteste Abschlusskonzert aller Moers Festivals.