Kamp-Lintfort. Der Familienminister appellierte, die Kinder zu Hause zu lassen. Bis zur Hälfte der Eltern nehmen aber die Betreuung in Anspruch.

Der Appell der Politik an die Eltern, ihre Kinder möglichst nicht in die Kindertagestätten zu schicken, scheint nicht richtig zu fruchten. Kamp-Lintforts Dezernent Christoph Müllmann spricht in Bezug auf die städtischen Einrichtungen von einer "relativ hohen Inanspruchnahme" des Betreuungsangebots. 30 bis 50 Prozent der Kinder seien am Montag gekommen, je nach Einrichtung. Benjamin Walch, Geschäftsbereichsleiter Kinder und Jugend bei der Arbeiterwohlfahrt im Kreis Wesel und Herr über 23 AWo-Kitas spricht gar durchgehend von etwa der Hälfte der Kinder, die in die Betreuung kommen. "Ich hatte gehofft, es wären weniger", sagt er, "denn unsere Mitarbeiter werden ohne Schutz dem Kontakt ausgesetzt." Probleme sehe er vor allem bei den Erziehern, die selber Eltern sind und das Thema Distanzunterricht abfangen müssten. Auch gingen die Ängste der Erzieher vor Ansteckung langsam an die Substanz. "Ich bin Eltern dankbar, wenn sie ihre Kinder rausnehmen." Gleichwohl erkenne er aber auch, dass viele Eltern selbst an ihre Grenzen stoßen: "Ihnen wurde in den letzten Monaten viel abverlangt. Das fängt mit Kurzarbeit an und hört mit dem Thema Schule nicht auf."

So mancher hätte sich eine Regel gewünscht

Er und Heike Spilut, die die städtische Kita Tausendfüßler in Kamp-Lintfort leitet, sind sich einig: Die Unterschiede zwischen Familien- und Schulministerium beim Thema Corona sind zumindest unselig. "Der Appell ist ja nett, aber eine Regel wäre mir lieber gewesen", sagt Spilut. Die Entscheidung bei den Eltern zu lassen, ob sie ihre Kinder in die Kita schicken, sei nicht zuletzt deshalb unglücklich: "Wir hören von manchen Eltern, dass es so schwer vor dem Arbeitgeber zu rechtfertigen ist, wenn jemand zu Hause bleiben will." Eine Kita-Leiterin, die anonym bleiben möchte, fasst das so zusammen: "Das Ministerium schickt Eltern und Erzieher in Gewissenskonflikte." Heike Spilut hört auch von vielen Fragezeichen, was die zusätzlichen zehn Krankentage für die Kinderbetreuung angeht, die Eltern laut Regierung zustünden.

In der Kita Tausendfüßler wurden um die Feiertage herum nur etwa 20 Prozent der Kinder betreut, derzeit seien es zwischen 40 und 60 Kinder, das entspreche 30 bis 45 Prozent. Sie gehe davon aus, dass das bis Ende Januar auch so bleibe, sagt Heike Spilut: "Wir haben vorher eine Abfrage gemacht." Und doch: Wer sein Kind spontan schickt, werde nicht abgewiesen. Eher komme es jedoch vor, dass ein Kind trotz Anmeldung nicht erscheine. Eine Herausforderung sei es in diesen Zeiten, "unsere Angebote gut an das Kind zu bekommen". Benjamin Walch weist darauf hin, dass in den AWo-Kitas der gruppenübergreifende Ansatz mit Corona-Regeln nicht funktioniere: "Die Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit ist den Kindern genommen. Wir wünschen uns pädagogische Arbeit anders, auch wenn jammern jetzt nicht hilft."

Hygienekonzept funktioniert - nur nicht beim Wickeln

Den Kontakt zu den Kindern zu halten, die nicht in die Einrichtung kommen, versuche man auf digitalem Wege und hoffe auf die Unterstützung der Eltern, erklärt Heike Spilut. Natürlich gehe unter den Erzieherinnen Angst vor Ansteckung um: "Damit müssen wir leben. Wir haben gute Hygienemaßnahmen. Bei den größeren Kindern kann man den Kuschelkontakt einschränken, aber bei den Knirpsen ist das unmöglich - spätestens beim Wickeln", sagt sie. Ihre Kolleginnen und sie jedenfalls freuen sich darauf, irgendwann wieder etwas miteinander zu machen, denn die Gemeinschaft fehle sehr.

Benjamin Walch richtet noch einen Appell an die Politik: "Unsere Berufsgruppe genauer in den Blick nehmen. Dankesworte sind nett. Aber vielleicht kann man über Maßnahmen nachdenken, die den Dank verdeutlichen", sagt er mit Blick auf Prämien für Pflegende.

An den Schulen gestalte sich die Lage in den Notbetreuungen anders, erklärt Dezernent Müllmann. 10 bis 15 Prozent nähmen das Angebot an einer Grundschule war, an den weiterführenden Schulen seien es nur wenige: Vier am Georg-Forster-Gymnasium, sieben an der Unesco-Schule. Die Europaschule melde erst am Mittwoch Zahlen, da dort zunächst zwei Organisations-Tage angesetzt seien.