Kamp-Lintfort. Gemeinde St. Josef in Kamp-Lintfort stellt sich neu auf – nach den Regeln der modernen Unternehmenskultur. Das geht bis in überraschende Details.

Pastor Michael Ehrle von der Kirchengemeinde St. Josef in Kamp-Lintfort trifft eine klare Feststellung: „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass Jüngere jeden Sonntag in die Kirche gehen.“ Gleichwohl heiße das aber nicht, dass sie ihren christlichen Glauben nicht vertreten, findet er. Jedenfalls sieht er das an seiner „sehr lebendigen und engagierten Jugend“. Aber sie ticke eben anders und schaue sich dann einen Gottesdienst auf der Homepage an.

So kam der Gedanke, wie sich eine Gemeinde digital für die Zukunft aufstellen kann. „Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen“, gibt Ehrle zu, „ich habe den Anstoß gegeben, der Rest ist aus der Gemeinde heraus gekommen.“ Und das Ergebnis ist eines, das überrascht. Die neue Homepage, das neue Logo, der gesamte Auftritt der Gemeinde St. Josef ist nach allen professionellen Regeln des Marktes entworfen und abgestimmt worden. „Corparate Identitiy“ ist da ein Schlagwort aus der Unternehmenswelt, „Styleguide“ ein anderes. Beides bezieht sich auf das Selbstbild eines Unternehmens und die Außendarstellung.

Auch interessant

Ein Jahr hat die Entwicklung in zwei Arbeitskreisen mit jungen Gemeindemitgliedern gedauert, unterstützt von zwei Startups, die zwar Geld für ihre Dienstleistungen bekommen haben, aber der Gemeinde durchaus einen „Kostenvorteil“, wie Ehrle es nennt, eingeräumt haben. „Beide Unternehmer kommen aus der

Pfarrer Michael Ehrle ist auch gern in jeans unterwegs, hier beim Einsegnen des Klosterladens.
Pfarrer Michael Ehrle ist auch gern in jeans unterwegs, hier beim Einsegnen des Klosterladens. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Gemeinde“, erklärt der Pastor, der mit 51 Jahren nicht unbedingt zu den „Digital Natives“ gehört, also zu denen, die mit der Computer-Maus in der Hand quasi auf die Welt gekommen sind. Aber Computer-affin sei er allemal: „Ich habe mit einem Commodore 64, angeschlossen an einen Schwarz-Weiß-Fernseher, angefangen, alle Pentiums mitgenommen und bin jetzt bei Apple gelandet“, erläutert er sein digitales Heranwachsen. Selbstverständlich hat der Mann einen Auftritt auf Facebook.

„Die Kirche muss unterschiedliche Sprachen sprechen und über den Tellerrand hinaussehen“, findet der Pastor, der vor zwei Jahren Nachfolger von Pfarrer Karl-Josef Rieger wurde. So kommt es, dass auf der Homepage nicht mehr das Stichwort „Sakramente“ auftaucht, sondern ein für alle verständliches, ja, ein bisschen profanes „Unsere Leistungen für Sie“. Michael Ehrle sagt dazu: „Wir verkaufen unsere Angebote viel zu schlecht. Wer weiß denn noch, dass wir auch Wohnungssegnungen machen. Was haben wir getan, dass die Menschen nicht mehr wissen, was wir tun?“

Auch interessant


Sein Beruf sei in modernen Zeiten zweigeteilt. Natürlich sei er der Hirte der Gemeinde. Aber er sei als Chef von 140 Mitarbeitenden in den kirchlichen Einrichtungen auch so etwas wie ein Abteilungsleiter. Und als solcher nimmt er das auf, wenn die Jugend moniert, dass der bunte Regenbogen, der bis dahin für die Gemeinde St. Josef stand, kein „Alleinstellungsmerkmal“ mehr sei und etwas Neues und Frisches her müsse.

Auch interessant

Mit dem Ergebnis zeigte sich die Gemeinde beim Gottesdienst am Sonntag durchaus zufrieden. Schließlich durften einige da auch mitbestimmen, etwa bei der Grundfarbe blau. Oder darüber, dass eine Jesus-Silhouette nicht mehr so ganz zeitgemäß sei. Und da kommt dann der Pfarrer wieder ins Spiel: Denn ihm sei es durchaus wichtig, dass nun mit den drei ineinanderfließenden Kreisen die Dreifaltigkeit symbolisiert werde: „Ich finde, wir sprechen viel zu wenig vom Heiligen Geist.“