Moers. Der Chefarzt aus dem Bethanien-Krankenhaus Moers bleibt trotz steigender Corona-Fallzahlen gelassen. Klare Aussagen zu Quarantäne und Tests.

Dr. Thomas Voshaar schlägt im NRZ-Interview vor, Schulstunden auf etwa 30 Minuten zu verkürzen, um die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus durch häufigeres Lüften so gering wie möglich zu halten. Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik am Bethanien-Krankenhaus in Moers, gilt in der Corona-Pandemie als einer der führenden Mediziner und berät Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Matthias Alfringhaus (NRZ) wollte von Voshaar auch wissen, wie er die seit Wochen steigenden Fallzahlen einschätzt.

Die Fallzahlen steigen und steigen. Kommt ein zweiter Lockdown?

Dr. Thomas Voshaar: Einen zweiten Lockdown will keiner, und wir brauchen ihn auch nicht. Wir müssen verstehen, dass Aerosole der Hauptübertragungsweg des Coronavirus sind und nicht etwa die Hände oder Schmierinfektionen. Daraus folgt, dass wir weiter Masken in geschlossenen Räumen tragen, dass das Verhältnis von Personenzahl zu Raumgröße stimmt, wir uns drinnen so kurz wie möglich aufhalten und auf eine ausreichende Lüftung achten müssen.

Klappt das in Deutschland immer noch so gut wie am Anfang der Pandemie?

Viele Menschen hier zeigen eine große Disziplin, wenn es darum geht, sich und andere vor dem Virus zu schützen. Mit einer solchen Disziplin wären wahrscheinlich auch die stark steigenden Fallzahlen in anderen europäischen Ländern zu verhindern. Es gibt zwischen den Menschen keine so bedeutsamen genetischen oder immunologischen Unterschiede, also muss es am Verhalten liegen.

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Haben Sie mit dem Anstieg der Fallzahlen in Deutschland gerechnet?

Ich hätte mit noch mehr Fällen gerechnet, es ist weniger als ich gedacht habe. Zum Beispiel haben sich nach den Sommerferien nur zwei Prozent der Reiserückkehrer infiziert, grundsätzlich liegt die Infektionsrate bei einem Prozent. Wie sich die Zahlen entwickeln, ist schwer vorherzusagen. Ich bin aber ein Skeptiker von denen, die sagen, dass im Winter alles schlechter wird. Das gibt die Forschung nicht her.

Was können Schulen tun, um die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten?

Es gibt für Schulen klare Regeln, die eingehalten werden müssen. Bei jungen Schülerinnen und Schülern ist die Ansteckungsgefahr gering. Hier gilt eher, dass Lehrer die Kinder anstecken und nicht umgekehrt. Bei älteren Schülerinnen und Schülern sollte auf die Parameter Raumgröße, Anzahl von Personen, Dauer der Veranstaltung und Lüftungsmöglichkeiten geachtet werden. In der Oberstufe können deshalb Schulstunden von etwa 30 Minuten durchaus Sinn machen, hier ist Flexibilität gefordert. Dann sollte der Raum stoßgelüftet werden. Hier im Krankenhaus dauert keine Besprechung länger als 30 Minuten.

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Sind die aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland ausreichend?

Ja. Wenn sich alle an die Regeln halten, könnten sie sogar ein wenig angepasst werden. Aus heutiger Sicht muss man auch sagen, dass 10 bis 14 Tage Quarantäne zu lang sind. Ebenso machen die Tests bei Reiserückkehrern direkt am ersten Tag wenig Sinn, weil das Virus dann oft noch nicht nachweisbar ist. Besser wäre, für fünf oder sechs Tage in Quarantäne zu gehen und sich beispielsweise am fünften Tag testen zu lassen. Ist das Ergebnis dann negativ, kann man sofort wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren.