Neukirchen-Vluyn. Friedhöfe sind seit März immaterielles Kulturerbe. Einer, der viel über den Vluyner Friedhof weiß, ist Wolfram Berns. Manches lässt schaudern.

Auf Friedhöfen wird nicht nur getrauert. Friedhöfe sind auch Plätze der Begegnung, der Natur und der Ruhe, sie bieten als Parks Aufenthaltsqualität.

Unglücklicherweise hat die deutsche Kultusministerkonferenz die Friedhofskultur ausgerechnet am 20. März, dem Tag des Corona-Lockdowns, als immaterielles Kulturerbe ausgezeichnet. Die öffentliche Aufmerksamkeit war entsprechend gering, weshalb die bundesweite Aktion „Friedhöfe auszeichnen“ ins Leben gerufen wurde. Neukirchen-Vluyn beteiligt sich – wie hundert weitere Städte – sich daran.

Auf dem Vluyner Friedhof steht seit neuestem ein Schild, das auf das immaterielle Kulturerbe Friedhofskultur hinweist. Einer, der sich mit der Historie dieses Ortes bestens auskennt, ist Wolfram Berns. Der Rentner ist als Ehrenamtlicher tätig im Museum Neukirchen-Vluyn und kennt über den Friedhof jede Menge Anekdoten.

Mit einem solchen Schild werden nicht nur Vluyn Friedhöfe ausgezeichnet.
Mit einem solchen Schild werden nicht nur Vluyn Friedhöfe ausgezeichnet. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Wolfram Berns erzählt sie gerne mit einem Schmunzeln – obwohl die Geschichte von der Entstehung des Friedhofs Vluyn durchaus das Zeug hat, für ein gewisses Schaudern zu sorgen.

Vor dessen Gründung wurden die Toten rund um die Dorfkirche beerdigt. Doch dort gab es nicht nur ein wachsendes Platzproblem. 1883, so berichtet Wolfram Berns, schrieb ein gewisser Wilhelm Heiermann an den „wohlgeborenen“ Bürgermeister von Vluyn, die Gräber seien wegen des hochstehenden Grundwassers nur einen Meter tief. Ja, mittlerweile sei der Platz so ausgeschöpft, dass weitere Tote in einem zweiten Geschoss, nur 70 Zentimeter tief, begraben würden. Für den unmittelbaren Anwohner Heiermann hatte das unangenehme Folgen: Wenn das Grundwasser steige, so klagte er, fließe das Leichenwasser in seinen Keller, weshalb er einen neuen Friedhof an anderer Stelle forderte. Weil sich seitens des Vluyner Bürgermeisters nichts tat, intervenierte Wilhelm Heiermann ein halbes Jahr später beim Königlichen Landrat in Moers. Der hatte ein Einsehen. 1885 wurde der Friedhof an der Niederrheinallee eröffnet.

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Gräber erster und zweiter Klasse habe es gegeben, so Wolfram Berns. Und eine strenge Friedhofsordnung, die das Rauchen bei Beerdigungen ebenso verbot wie Hunde auf dem gesamten Gelände. Die Kosten für ein einfaches Grab lagen bei 2 Reichsmark – für 30 Jahre.

Gräber erster Klasse

Die ältesten Gräber der ersten Klasse sind teilweise heute noch an der ehemaligen Hauptachse des Friedhofes zu finden. Sie sind groß, haben teils mächtige Grabsteine oder Obeliske, auf denen Namen, Geburts- und Sterbedaten verzeichnet sind. Einige wenige sind umzäunt und mit schweren Ketten umgeben. Einen Teil der Grabstätten, die nicht mehr von Nachkommen betreut werden, pflegt heute die Stadt, um sie als Denkmäler zu erhalten.

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Apropos Grabsteine: Wolfram Berns hadert ein wenig damit, dass sich die Bestattungskultur ändert und die Zahl der Urnenbestattungen wächst, auch auf dem Vluyner Friedhof gibt es mittlerweile drei Urnenfelder. „Die haben leider keine Grabsteine“, sagt Berns.

Hilfreich für Familienforscher

Der 88-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, die vorhandenen Grabsteine zu dokumentieren: „Viele verschwinden und werden geschreddert, wenn die Gräber aufgelöst werden.“ Berns hat deshalb jeden der rund 2500 Grabsteine in Vluyn fotografiert. Er setzt sie dann mit allen Informationen, die er dazu hat, auf die Internetseite des Vereins für Computer-Genealogie. Diese Arbeit hat er übrigens für die Friedhöfe in Friemersheim und Kamp auch schon geleistet: „Für alle, die Familienforschung betreiben, ist das ein hilfreicher Datenschatz“, weiß Berns.

Wünscht sich Wolfram Berns irgendwann einmal einen Stein für sein Grab? „Ja, sicher“, antwortet er. Was darauf stehen soll, weiß er auch: „Unter meinem Namen die Namen meines Vaters, Großvaters, Urgroßvaters und so weiter.“ Wie viele das sein würden, kann Berns auf Anhieb nicht mal sagen, aber: „Meine Familienforschung reicht zurück bis 1630.“

INFO: Ein Ort der Begegnung soll auch das Friedhofscafé werden, das die Grafschafter Diakonie Anfang Oktober auf dem Friedhof anbieten will. Geplant ist ein Pavillon mit Sitzgelegenheiten und Kaffeeausschank, an dem sich Trauernde und andere Besucher austauschen können.