Neukirchen-Vluyn. Ralf Köpke tritt bei der Bürgermeisterwahl als unabhängiger Kandidat der SPD an. Er hat klare Vorstellungen zur örtlichen Wirtschaft.

Drei Männer wollen das Gleiche: Sie wollen Bürgermeister in der Stadt werden – oder bleiben. NRZ-Redakteurin Sonja Volkmann hat mit Ralf Köpke gesprochen. Der 59-Jährige ist Geschäftsführer beim Deutschen Gewerkschaftsbund NRW und tritt als unabhängiger Kandidat für die SPD an.

Das politische Geschehen ist wieder angelaufen. Nach dem Shutdown: Wo sehen Sie gerade das dringlichste Problem in der Stadt?

Das dringlichste Problem ist, dass wir weiterhin Corona und die Gefahr ernstnehmen. Aber dass wir auch langsam wieder in den Normalzustand kommen. Ich habe auf meiner Tour ganz viele Probleme gesehen. Ich war bei Gastronomen, die um ihre Existenz bangen. Ich war bei Leuten, die in Kurzarbeit sind und nur 60 Prozent Einkommen haben. Das ist vielfältig. Wir müssen einfach gucken, dass wir die Wirtschaft wieder in Gang bringen.

Thema Klimaschutz: Die Stadt ist Mitglied in diversen Projekten, Bündnissen, Gruppen, wird ausgezeichnet. Wo sehen Sie die Stadt jetzt und wo in zehn Jahren?

Jetzt sehe ich die Stadt auf einem ganz guten Weg. Ich kenne fast alle Nachhaltigkeitsprojekte und das, was im Bereich Klimaschutz getan wird. Das Klimaschutzkonzept kenne ich gut. Aber ich glaube, in zehn Jahren sind wir viele Schritte weiter. In zehn Jahren werden wir wahrscheinlich geschafft haben, den öffentlichen Nahverkehr weiter auszubauen, dass wir eine Bahnanbindung bekommen, dass wir die Solarenergie ausgebaut haben, dass wir eine Smartcity haben, mit schönen Radwegen, und dass wir auf dem Weg fast am Ende sind, in der Stadt CO2-neutral zu werden.

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Wie gut ist Neukirchen-Vluyn in puncto Radwege ausgestattet und wo muss noch was passieren?

Wir sind auch da erst am Anfang. Ich fahre hier selbst Rad. Einige Radwege sind entweder nicht vorhanden oder müssen neu geschaffen werden. Wenn ich in Vluyn über die B60 fahre, ist das lebensgefährlich. In Planung ist jetzt ein Weg nach Kamp-Lintfort. Das finde ich auch gut. Aber wir brauchen auch im Stadtgebiet vernünftige Radwege.

Stichwort bezahlbarer Wohnraum. Gibt es ausreichend in der Stadt bzw. wo soll weiterer günstiger Wohnraum entstehen?

Bezahlbaren Wohnraum gibt es in der Stadt. Aber absolut nicht ausreichend. Es gibt ein Gutachten, das vom Rat in Auftrag gegeben worden ist, dass wir insbesondere in den Segmenten von Alleinerziehenden und Älteren kleinere Wohnungen benötigen. Was wir gut geschafft haben, ist die Ansiedlung auf Niederberg. Aber das ist ja kein bezahlbarer Wohnraum mehr. Da kosten Grundstücke inklusive Hausbau zwischen 500.000 und 600.000 Euro. Wo ich mir so etwas vorstellen kann, ist der Neukirchener Ring. Leider haben wir jüngst eine Ablehnung der Förderung durch das Ministerium hinnehmen müssen, das ist bitter. Da ist im Rat etwas auf den Weg gebracht worden. Ich kann mir das auch im Niederberg-Quartier vorstellen. Es gibt Ideen, mit dem Investor das Konzept von Tiny-Häusern umzusetzen.

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Warum halten Sie selbst Neukirchen-Vluyn für liebenswert?

Ich lebe hier gern und schon sehr lange, bin hier zur Schule gegangen. Wir haben viel Grün. Ich habe natürlich den Vorteil, hier fast ländlich, aber nah am Dorf Neukirchen zu wohnen. Wir können viel spazierengehen. Wir können auf die Halde, wir können über die Felder laufen. Wir haben tolle Oasen. Aber hier fehlt auch noch eine ganze Menge. Ich schaue jetzt nicht immer nach Kamp-Lintfort, das machen viele Bürger. Wir brauchen Leben, wir brauchen Kultur. Wir haben außer dem KuCa keine Kultureinrichtung. Wir brauchen viel mehr Musik, Konzerte, stätisches Leben. Wir brauchen Cafés, da hoffe ich, dass auf Niederberg etwas entsteht. Ein urbanes Leben, das fehlt mir hier.

Sie sprechen Niederberg an. Was ist Ihre Vision für das Gebiet?

Meine Vision ist, dass es genau dieses Bindeglied wird zwischen den beiden Polen Vluyn und Neukirchen. Damit das zusammen wachsen kann, haben wir dieses Niederberg-Quartier. Wenn da alles gebaut ist, kann das ein kleines neues Zentrum werden. Mit Kultur, Gastronomie. Visionär finde ich toll, wenn dann auch die Bahn da ist, die fährt genau da durch. Da entsteht ein neues Mittelzentrum. Da hat man Leben, da geht man spazieren, ins Café, da kann man sich abends in der Gaststätte auch mal eine Band anhören. Dazu die Wohnidee mit den Tiny-Häusern. Auf jeden Fall möchte ich, dass die Fördertürme stehenbleiben. Ich werde noch eine Initiative starten, dass wir da eine Beleuchtung hinbekommen.

Das ist ziemlich teuer…

Es kommt drauf an. Man kann sich das auch leihen, man muss es nicht kaufen. Es gibt viele Alternativen. Ich will das anpacken. Das ist das Wahrzeichen von Neukirchen-Vluyn. Diese Fördertürme verbinden Geschichte, Gegenwart und Zukunft.

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Stichwort Sicherheit. Das Innenministerium hat zusätzliches Personal für die Kreispolizeibehörden angekündigt. Hat das Ihrer Meinung nach Auswirkungen auf die Stadt?

Ich hoffe, ich fordere das. Eines der wichtigen Themen der Bürger in Neukirchen-Vluyn ist einfach Sicherheit. Wir haben in den letzten Jahren immer auch wieder Einbrüche, dann kommen Leute und sagen, die Polizeiwache ist nachts nicht besetzt, da ist so ein tolles Gebäude, aber wir können die Polizei nicht so schnell erreichen. Das Land wird wahrscheinlich 5,4 neue Stellen in Wesel schaffen. Ob wir davon profitieren, weiß ich nicht, aber ich werde dafür kämpfen. Ich werde den neuen Landrat, ob es Herr Brohl oder Herr Paic wird, pressen, dass wir hier die Polizeiwache wieder besetzt bekommen. Natürlich ist die Polizei präsent. Aus Hülsdonk ist man auch schnell hier. Aber für das Gefühl der Menschen brauchen wir eine ständig besetzte Polizeiwache. Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen.

Wo sehen Sie Neukirchen-Vluyn im Jahr 2040?

2040 haben wir eine sehr liebenswerte und smarte City. Wir sind dann CO2-frei, wir haben einen tollen öffentlichen Nahverkehr, der auch bezahlbar ist. Wir haben die Möglichkeit, mit dem Bus von Neukirchen-Vluyn nach Krefeld zu kommen, ohne Umweg. Wir haben viel Grün, wir haben bezahlbares Wohnen, einen tollen Mix in der Bevölkerung. Ausreichend Gaststätten und Kneipen. Auf dem Klingerhuf ist Breitensport möglich. Eine tolle Vereinslandschaft. Wir haben tolle ehrenamtlich tätige Menschen in der Stadt. Die würde ich gern mehr fördern. Wir sind an dem Punkt, dass wir Kamp-Lintfort überholt haben und sagen: Wir sind stolz auf Neukirchen-Vluyn.

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Hat die Stadt genug dafür getan, Unternehmen anzulocken?

Aus meiner Sicht ist das einer der Knackpunkte. Wir haben viel zu wenig Unternehmen hier. Wir haben den Strukturwandel nicht geschafft, auch wenn das immer behauptet wird. Das Niederberg-Quartier war 20 Jahre so, wie es ist; jetzt wird angefangen, etwas zu tun. Wir haben 2015 hier 7800 Arbeitsplätze gehabt. Anfang 2020 hatten wir 8000. Der Aufbau von Arbeitsplätzen ist viel zu gering. Alle Städte haben zehn bis fünfzehn Prozent Wachstumsraten. Wir brauchen dringend neue Unternehmen, die auch gute Arbeitsplätze mitbringen, möglichst mit Tarif. Wir brauchen Gewerbeflächen. Da werden wir uns auch mal streiten. Wir-4 ist voll, Vluyn-Süd ist voll. Wir haben gegenüber von Toom eine Riesenfläche, die müsste die Stadt erwerben. Wir brauchen ein Flächenmanagement. Und Wirtschaftsförderung ist Chefsache. Darum würde ich mich persönlich kümmern.

Wir sprachen darüber, wie Neukirchen-Vluyn 2040 aussehen wird. Was ist Ihr Beitrag dazu? Warum sollten Sie den Weg als Bürgermeister begleiten?

Ich gucke nicht immer dahin, was nicht funktioniert. Ich gucke dahin, wo wir Möglichkeiten haben, etwas zu entwickeln. Ich bin fest entschlossen, ich habe richtig Lust, diese Stadt mitzuentwickeln als Bürgermeister. Ich glaube auch, dass ich das schaffe, Interessen und Parteien zusammenzuführen zum Wohle von Entscheidungen.

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.… weil wir Tausende von Pendlern haben, die jeden Tag das Problem haben, aus Neukirchen-Vluyn nach Düsseldorf zu fahren oder auf die andere Rheinseite, und das im Moment mit dem Auto eine Katastrophe ist. Auch aus ökologischen Gründen muss die Reaktivierung der Bahn kommen. Und sie kann kommen, weil 95 Prozent der Kosten vom Land übernommen werden. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Ein abschließender Satz: Was ist Ihre Herzensangelegenheit?

Dass wir hier mehr gute Arbeitsplätze und eine vernünftige Wirtschaft bekommen, damit wir als Stadt Geld haben, um diese Stadt weiterzuentwickeln.