Kamp-Lintfort. Immer mehr Menschen wächst der Alltag über den Kopf, sie verwahrlosen. Ein Flyer soll informieren und das Umfeld der Betroffenen sensibilisieren.
Wenn Menschen der Alltag über den Kopf wächst und sie ihre Wohnung verwahrlosen lassen, kann das viele Gründe haben. Fest steht, dass auch in Kamp-Lintfort die Zahl derer, die ihr tägliches Leben nicht mehr in den Griff bekommen, wächst. Um diesem Phänomen künftig besser begegnen zu können, soll nun ein Flyer nicht nur beteiligten Akteuren die Arbeit erleichtern, sondern auch Nachbarn und Angehörige sensibilisieren. Neben kurzen Erklärstücken zum Thema gibt der Flyer mit einer Liste von Ansprechpartnern Betroffenen ganz konkrete Hilfen in die Hand.
Knapp über 30 Fälle von Verwahrlosung hat Jeannette Fritz vom Sozialamt in den letzen beiden Jahren in Kamp-Lintfort verfolgt. „Die Tendenz ist steigend und es gibt eine hohe Dunkelziffer“, weiß Fritz. Oft sei der Übergang schleichend, die Ursachen vielfältig: Pflegebedürftigkeit, psychische Erkrankungen, Suchterkrankungen, Vereinsamung oder auch einschneidende Erlebnisse wie eine Trennung, ein Arbeitsplatzverlust oder der Tod eines geliebten Menschen können Betroffene aus der Bahn werfen.
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Das Problem: bis eine Verwahrlosung erkannt wird, kann viel Zeit vergehen. Oftmals leben Betroffene isoliert und nehmen nur ungern Hilfe an. Michael Römpke von der Betreuungsstelle Kreis Wesel hat schon viele solcher Situationen erlebt: „Fälle von Verwahrlosung gibt es in jeder Kommune im Kreis Wesel. Das trifft nicht nur Senioren, sondern auch jüngere Menschen.“ Das Problem mit vermüllten und verdreckten Wohnungen kennt auch Sarah Lillot von der Wohnungsbaugesellschaft Grafschaft Moers: „Man lernt mit der Zeit dazu. Einfach aufräumen und fertig machen bringt da überhaupt nichts.“
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Dazu kommt, dass das Recht auf Selbstbestimmung ein hohes Gut ist: „Wenn die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet ist, haben wir als Behörde nur einen minimalen Handlungsspielraum“, sagt Fritz. Manchmal könne man aber auch mit wenigen Maßnahmen viel erreichen. Wie etwa bei dem älteren Mann, dem nach dem Tod seiner Frau „der Haushalt entglitten“ sei, so Fritz. Hier konnte eine Pflege und eine Haushaltshilfe organisiert und damit relativ schnell geholfen werden: „Wenn die Menschen Bereitschaft zeigen, kann es gut klappen.“ Aktionismus helfe in der Regel nicht, der Weg aus der Verwahrlosung sei oftmals lang und bestehe aus vielen kleinen Schritten.
Entstanden ist der Flyer auf Anregung eines von der Stadt initiierten Netzwerkes mit Fachkräften aus Kommune, Kreis, Wohlfahrtsverbänden und Ordnungsbehörden. In einem nächsten Schritt soll nun ein Leitfaden für Akteure entwickelt werden.