Moers. 75 Jahre Kriegsende: Matthias Heße rezitiert in 24 Stunden 75 Mal einen Text des Schriftstellers Wolfgang Borchert. Gäste sind zugelassen.

Das Schlosstheater in Moers ist für ungewöhnliche Ideen bekannt. Eine solche hat jetzt Matthias Heße aus dem Ensemble. In einer 24-Stunden-Performance will er vom 8. auf den 9. Mai einen Text des Schriftstellers und Schauspielers Wolfgang Borchert 75 Mal rezitieren – zur Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945. Wer möchte, kann sich das im Studio des Schlosstheaters ansehen. Die Devise lautet: Bitte einzeln eintreten.

Über Wolfgang Borchert (1921 – 1947) schreibt Viola Köster, Dramaturgin am Schlosstheater: „Zweimal wird er wegen staatsfeindlicher Äußerungen und Zersetzung der Wehrkraft verurteilt und gerät 1945 an der Westfront in französische Gefangenschaft.

Matthias Heße, hier mit Larissa Bischoff (l.) und Lena Entezami vom Schlosstheater Moers, bereitet sich auf eine 24-Stunden-Performance vor.
Matthias Heße, hier mit Larissa Bischoff (l.) und Lena Entezami vom Schlosstheater Moers, bereitet sich auf eine 24-Stunden-Performance vor. © FUNKE Foto Services | Oleksandr Voskresenskyi

Es gelingt ihm zu fliehen und sechshundert Kilometer zu Fuß nach Hamburg zu marschieren, doch von den Folgen des Krieges wird er sich nicht mehr erholen und stirbt 1947 mit nur 26 Jahren.

Auf die Bühne konnte er nicht mehr zurück, doch als Schriftsteller war er die eindringlichste Stimme einer Generation, die von Nationalsozialismus und Krieg ihrer besten Jahre beraubt wurde.“

Borcherts Kurzgeschichte „Das ist unser Manifest“ bewegt Schlosstheater-Schauspieler Matthias Heße schon seit Jahren, wie er im NRZ-Gespräch sagt: „Borchert war gerade von der Front gekommen, als er den Text schrieb. Das ist kein reifer, ausgewogener Text, Wut und Verzweiflung teilen sich hier wie im Rausch mit.“ Die kraftvolle Darstellung stelle auch eine Forderung an den Künstler: „Immer klar und direkt sein, auf Inhalte schauen: das ist wie ein Kompass für mich.“

Den Kompass will Heße am 8. Mai ab 12 Uhr an die Öffentlichkeit weitergeben. Dann startet er im Studio des Schlosstheaters in Moers seine Performance. 75 Mal in 24 Stunden will er „Das ist unser Manifest“ rezitieren, den Text hat er bereits auswendig gelernt. Als ob die Performance nicht schon genug Herausforderung wäre, will Heße von Mal zu Mal andere Schwerpunkte setzen, den „Text immer wieder neu denken“, wie er sagt.

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Jetzt, genau 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei der Text bei ihm wieder „hochgekommen“. Heße ist auch bewusst: „Krieg und Faschismus haben Borcherts Leben kaputtgemacht. Ich bin im Wohlstand geboren und aufgewachsen und stehe jetzt, nur 75 Jahre später, hier, um seinen Text zu rezitieren. Das erfüllt mich mit Demut.“ Es könnte so scheinen, dass hier ein großer Schauspieler dem anderen Referenz erweist.

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Die Performance stellt nicht nur schauspielerisch hohe Anforderungen an Heße. Abgesehen von biologisch notwendigen, kleinen Pausen will er rund um die Uhr auftreten. Seine Vorbereitung: Genug schlafen, fit halten und die Stimme noch mehr pflegen als sonst.

Die Gäste im Studio des Schlosstheaters hören jeweils eine komplette Rezitation. Wie es Heße am 9. Mai mittags nach der Performance geht? Er sagt: „Da bin ich selbst neugierig.“

>>INFO
Die 24-Stunden-Performance von und mit STM-Schauspieler Matthias Heße findet statt von Freitag, 8. Mai, ab 12 Uhr, bis zum Samstag, 9. Mai, circa 12 Uhr, im Studio des Schlosstheaters (Kastell 6). Sie ist für Besucher kostenlos.

Eine Terminreservierung im Voraus für einzelne Interessierte unter: info@schlosstheater-moers.de ist allerdings Voraussetzung. Die Besucher werden gebeten, ihre eigene Schutzmaske mitzubringen. Laut STM werden alle Hygienemaßnahmen eingehalten.

Die Schlosstheater-Veranstaltung ist außerdem Teil des Aktionstages zum „Tag der Befreiung“ des Vereins „Die Vielen NRW“ (https://www.dievielen.de/erklaerungen/NRW/, https://www.facebook.com/dievielennrw/)