Moers. Mitglieder des Moerser Posaunenchores geben abends zeitgleich ein Konzert. In Coronazeiten wollen sie ein Gefühl von Gemeinschaft verbreiten.

Es ist kurz vor 21 Uhr, als Almut Schittenhelm in Moers ihren Notenständer aufbaut und das Choralbuch aufschlägt. Lied 170, „Komm, Herr segne uns“ wird an diesem Abend gespielt. Um Punkt neun greift sie zu ihrer Trompete und spielt draußen vor ihrem Haus mehrere Strophen des Segensliedes.

An diesem Abend ist sie nicht allein. Drei weitere Mitglieder des Moerser Posaunenchores kamen – natürlich mit großem Abstand voneinander – dazu. Zeitgleich erklingt dieses Stück aber auch anderswo – in Hülsdonk, Rheinberg-Budberg und Neukirchen-Vluyn zum Beispiel.

Die Musizierenden sind allein – und doch gemeinsam

Seit zwei Wochen ist dieses tägliche, rund fünfminütige Minikonzert ein fester Bestandteil des Moerser Posaunenchores. Jeden Abend öffnen die Musiker ihre Fenster, stellen sich auf den Balkon oder in den Garten und musizieren allein, aber doch irgendwie gemeinsam. Die Idee dazu hatte Almut Schittenhelm. Inspirieren ließ sie sich von den Italienern, die in Zeiten von Corona jeden Abend auf ihren Balkonen klatschen und singen. Gemeinsam mit ihrer Tochter hat sie dann kurzentschlossen Trompete gespielt.

Wenig später, war es ein Facebook-Post, der Schittenhelm auf eine Idee brachte, diese Art von Solo-Konzert einfach täglich zu wiederholen. „Da schrieb jemand, wer auch immer in der Nähe der Römerstraße Trompete spielt, ich sage danke“, erzählte die Moerserin. Warum also nicht jeden Tag für ein bisschen Freude sorgen, in Zeiten, die durch Corona von überwiegend erdrückenden Nachrichten dominiert sind, fragte sich Schittenhelm. „Es soll auch ein Dank für die Leute sein, die für uns da sind. So zum Beispiel Einzelhändler, Ärzte oder Pfleger. Und es soll einen Funken Hoffnung versprühen und ein Gefühl von Gemeinsamkeit geben“, ergänzte sie.

Also erzählte Schittenhelm den anderen Chormitgliedern via Messenger und Gruppenchat von ihrem Einfall, und die waren sofort begeistert. Direkt am nächsten Abend, es war 21 Uhr, erklang nicht nur in Hochstraß bei Schittenhelms wieder ein Musikstück, sondern eben auch in den anderen Stadtteilen.

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Tag für Tag sucht Posaunenchorleiter Stefan Büscherfeld nun ein neues Lied heraus. Das können klassische Choräle, Segenslieder oder auch Werke, wie das Prelude aus dem Te Deum des Komponisten Marc-Antoine Charpentier, dessen Hauptthema seit 1954 als Eurovisions-Melodie bekannt ist, sein. Diese mailt er den Mitgliedern.

Er freut sich, dass so viele Bläser mitmachen. „Das fördert auch den Zusammenhalt und zeigt, dass wir eine starke Gruppe sind. Zwar können wir uns nicht wie sonst jede Woche bei der Probe sehen und doch machen wir gemeinschaftlich Musik und das nicht nur für uns, sondern auch für die Menschen in den Städten und Dörfern.“

Musik von Hoerstgen bis Homberg

Als Kreischorleiter der Posaunenchöre der evangelischen Kirchengemeinden, verbreitete Büscherfeld die Idee von Hoerstgen bis Homberg und von Alpen bis Friemersheim. Auch dort erklingen immer mal wieder Trompeten, Posaunen, Hörner oder Tuben. In Hülsdonk wird sogar vierstimmig über einige Gärten hinweg gespielt. Mehrere Nachbarn, die normalerweise in dem Posaunenchor musizieren, machen nun per Gartenzaun getrennt voneinander zusammen Musik.

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Sie berichten, dass sie immer mehr Zuhörer in ihren Nachbarschaften haben. Einige stellen Lampions auf, klatschen oder singen sogar mit. „Wir finden uns zusammen, um gemeinsam hören zu lassen, dass keiner alleine ist, und die Nachbarn kommen aus den Häusern und warten schon auf die Musik“, sagte Posaunist Uwe Damrau.