Moers. Die Moerser Innenstadt war am Samstag trotz des schönen Wetters zuweilen nahezu menschenleer. Michael Birr vom Moers Marketing hat eine Idee.

Vor dem Eiscafé an der Steinstraße ist der Sitzbereich abgesperrt. Unterm Flatterband huschen Enten durch. Trotz strahlendem Sonnenschein stehen die Terrassenstühle drinnen. Jeder Fremdkontakt soll zur Eindämmung des Corona-Virus gemieden werden. Am Fenster hängt ein Schild, auf dem steht: „Wir sind weiterhin für Sie da.“ Ein Seitenfenster ist geöffnet, aus dem Eis herausgereicht wird. Alles geschieht mit Sicherheitsabstand.

„Gespenstisch ist es schon“, sagt ein Mitarbeiter und blickt Richtung Steinstraße. Die an einem frühlingshaften Samstagmittag sonst so belebte Innenstadt ist nahezu menschenleer. Wenn Passanten unterwegs sind, sieht man sie alleine oder paarweise.

Mit Mundschutz geht es in den Laden

An abgedunkelten Schaufenstern schauen sie, was zuletzt im Angebot war. Die Sehnsucht, dass die Viruspandemie vorübergeht, ist groß. „Es ist ein ungewohntes, aber zum Gesundheitsschutz nötiges Bild“, sagten Sabine und Michael Spiess. Ein ausgiebiger Stadtbummel? Keineswegs. Mit Mundschutz ausgerüstet gingen sie gezielt zum Süßwarenladen Hussel – „Schokoladenostereier kaufen“. Vor dem Laden bildete sich eine Warteschlange. Auf dem Boden war der Abstand mit Linien markiert. So war es auch in geöffneten Blumenläden und Kiosken.

Ehepaar Spiess wünscht sich einheitliche Regelungen: „Vielfach werden Vorgaben zur Abstandsregelungen gemacht, Einkaufswagen desinfiziert und Sicherheitspersonal eingesetzt, während Menschen in Supermärkten trotz Virengefahr nah nebeneinander stehen.“ Den verpflichtenden Mundschutz beim Einkaufen befürwortet das Paar.

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Helmut Minkes sieht das genauso. Der 74-Jährige kaufte beim Bäcker ein. Zuvor besuchte er die Apotheke, in der er Mundschutz für sich und seine Frau erwarb: „Mundschutz macht Sinn, weil sich die Viren bis zu drei Stunden in der Luft befinden.“ Minkes, der als Reisebusfahrer gearbeitet hatte, deutete auf leere Linienbusse am Königlich Hof. „Es herrscht Vorsicht“, fand er.

Die Corona-Krise ist auch für Jüngere eine Herausforderung

Für jüngere Generationen sei die Corona-Krise eine Gewohnheitsherausforderung: „Leere Regale waren in der Nachkriegszeit üblich. Selbstverständliches wird mit anderen Augen gesehen.“ Bei Nina und Christian Werling fehlt es an Mehl und Hefe im Kühlschrank: „Wir backen täglich Brot, aber jetzt werden Backlebensmittel zur Rarität.“ Die Krise hat für Nina lehrreiche Momente: „Man hat Zeit, sich aufs Wesentliche zu besinnen.“

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Das schöne Wetter und ein Eisbecher zogen Annika Knobloch und Danja Blömer in die Stadt. „Wir halten Abstand und hamstern nicht, damit genug für alle da ist“, sagten die 25-Jährigen. Von Frühlingseuphorie war im Café Mehrhoff an der Neustaße keine Spur: „Desinfektionsmittel habe ich in Sprühflaschen statt in Kanistern bekommen. Der Kundenansturm bleibt aus“, sagte Café-Chef Klaus Mehrhoff und hofft, dass im Sommer ein Stück Normalität einkehrt.

Michael Birr, Geschäftsführer des Moers Marketings, blickt positiv auf den Umgang des Moerser Einzelhandels mit der Corona-Krise. Dass nur die Geschäfte öffnen dürfen, deren Sortiment die Grundversorgung abdeckt, sei eine nie da gewesene Situation. „Trotzdem halten alle zusammen und schützen die Kunden so gut es geht“, sagte Birr, der täglich in der Innenstadt vorbeischaut.

Viele Händler setzen jetzt aufs Internet

Viele Einzelhändler organisierten sich im Internet. Dazu zähle das spontane Umschwenken von stationärem Handel auf Lieferdienste und die Online-Shop-Eröffnung. Birr verkauft online selbst über Moers Marketing vermehrt seniorengerechte Hygieneutensilien.

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Kundschaft und Einzelhandel hätten die Lage begriffen: „Die Läden verweisen am Eingang auf Abstandsregelungen und beschränkte Personenzahlen.“ Manche Einzelhändler setzten bereits Sicherheitspersonal ein, um die Abstandsreglements effizienter zu kontrollieren.

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Die Kontrollgänge durch das Ordnungsamt funktionierten einwandfrei. Forderungen nach einheitlichen Vorsichtsmaßnahmen seien verständlich, aber: „Diese Regeln müssen auf Landes- und Bundesebene einheitlich entschieden werden, um große Einzelhandelsketten einzubeziehen. So ist es auch mit der Mundschutzpflicht, die an Materialkapazitäten gebunden ist.“

Birr hat die Überlegung, Gabenzäune kontaktsicherer zu gestalten, damit nicht geplündert wird. Zudem will er in Rheinkamp ein temporäres Autokino bauen. Wann der innerstädtische Einzelhandel wieder regulär öffnet, ist unklar: „Wir warten die Einschätzungen der Virusexperten ab.“

>> Es gab weniger Verstöße gegen die Regeln <<

Auch am Sonntag hat die Stadt kontrolliert, ob sich die Bürgerinnen und Bürger an die aktuellen Regeln halten, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. „Es hat verhältnismäßig gut ausgesehen“, sagt Stadtsprecher Thorsten Schröder am frühen Abend. Ein Augenmerk galt den Hotspots am Markt Repelen und im Freizeitpark. Insgesamt haben die Ordnungskräfte rund 40 Spiel- und Bolzplätze sowie ähnliche Orte kontrolliert. Auf einem Parkplatz in den Moerser Benden wurde ein Platzverweis ausgesprochen.

An anderer Stelle habe sich die entsprechende Gruppe bei Eintreffen der städtischen Kräfte selbst aufgelöst. Die meisten Leute hätten Abstand gehalten. Im Vergleich zum vergangenen Samstag habe es an diesem Wochenende weniger Auffälligkeiten gegeben. Thorsten Schröder: „Die Botschaft scheint angekommen zu sein. (mit sovo)