Neukirchen-Vluyn. In Neukirchen-Vluyn hat es in zwei Wochen sieben Verstöße gegen die Vorgaben gegeben. Der Bürgermeister blickt im NRZ-Interview auch nach vorn.

Die zweite Woche mit weitgehenden Einschränkungen, Kontaktverboten und Geschäftsschließungen geht zu Ende. NRZ-Redakteurin Sonja Volkmann hat mit Bürgermeister Harald Lenßen über die schwierige Phase gesprochen.

Herr Lenßen, seit rund zwei Wochen gelten die verschärften Regeln. Wie läuft es in Neukirchen-Vluyn?

Es läuft recht rund. Die Menschen in unserer Stadt halten sich zu allergrößten Teilen an die entsprechenden Vorgaben der Corona-Schutzverordnung. Sie halten Abstand und nehmen Rücksicht auf die Mitmenschen.

Wie viele Verstöße hat es bisher gegeben?

Wir haben natürlich den einen oder anderen Verstoß gesehen. Wir haben die Menschen informiert und gebeten, sich anders zu verhalten. In sieben Fällen haben wir ein Bußgeld verhängt. Ansonsten sind die Menschen sehr rücksichtsvoll. Und auch die Geschäftswelt hat verstanden; man ist bemüht, sich rechtskonform zu verhalten, und nimmt unsere Hinweise auf, um zum Schutz der Gesundheit, wenn nötig, Maßnahmen zu verändern und zu verbessern.

Was sind derzeit die drängendsten Probleme?

Die Einhaltung der Corona-Schutzverordnung zu kontrollieren und regelmäßig an den Hotspots zu erscheinen und die Menschen darauf hinzuweisen, dass die Treffen in größerem Kreis aufzulösen sind. In der Regel zeigen die Menschen Verständnis .

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Sie sprechen die Geschäfte an. Viele Betriebe melden den Bedarf an Soforthilfen an. Welche wirtschaftlichen Folgen sehen Sie hier im städtischen Bereich?

Was die Geschäftswelt angeht, sehe ich große Probleme und zum Teil existenzbedrohende Situationen. Ich bin sehr froh, dass Land und Bund an dieser Stelle sehr schnell Hilfestellungen durch Kredite, Bürgschaften, aber insbesondere durch sehr schnelle Zuschusszusagen geleistet haben. Diese Zuschüsse dürften gerade den kleineren Betrieben über den Zeitraum von 1 bis 2 Monaten helfen, wenn Geschäfte geschlossen werden mussten oder die Umsätze auf ein Minimum sinken. Die finanziellen Auswirkungen für die Kommunen sehe ich ebenfalls als prekär an. Wir werden in Neukirchen-Vluyn sicher auch Millionen Euro an Erträgen einbüßen und zusätzlich auf Mehrkosten sitzen bleiben. Da hoffe ich auf den kommunalen Schutzschirm, der ja bereits angekündigt wurde.

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Sie haben die Plattform www.handelsinnvoll.de aufgesetzt. Welche Rückmeldungen gibt es?

Unser kreativer Ansatz wurde auch in ähnlicher Form bei einigen anderen Kommunen verfolgt. Wir waren sehr schnell dabei, diese Plattform zu etablieren. Nachfrage und Interesse sind sehr groß. Wir hatten innerhalb von zwei Tagen fünfzig Interessenten. Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Ich hoffe, dass wir dem einen oder anderen Unternehmer damit geholfen zu haben, die größte finanzielle Not abzuwenden.

Welche Hilfestellungen bietet die Stadt darüber hinaus?

Wir haben ein weiteres Programm für die Unternehmen, das wir jetzt auf den Weg gebracht haben, auch mit finanzieller Unterstützung des Sponsorenkreises Wirtschaft & Kultur. Wir haben eingesparte Gelder, also Mittelzusagen, die für den Vluyner Mai gedacht waren, umgewidmet, um Betrieben die Möglichkeit zu geben, ihre Produkte auf einem ergänzenden Vertriebsweg anzubieten. Als Stichworte dazu meine ich z.B. einen Webshop oder einen professionellen Auftritt in sozialen Medien. Hierfür bieten wir eine finanzielle Unterstützung. Näheres dazu werden wir in den nächsten Tagen veröffentlichen. Das war eine Idee aus der Wirtschaftsförderung und wir hatten innerhalb eines Tages die Zusagen der Sponsoren, dass wir die Mittel umwidmen können.

Was war für Sie in der derzeitigen Situation die schwerste Entscheidung?

Den Menschen sagen zu müssen: Ihr müsst Eure Geschäfte zumachen. Da war ich sicherlich im Gleichklang mit allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in NRW in der Situation. Aber es ist trotzdem schwierig, seine Unterschrift unter eine Allgemeinverfügung zu setzen, die besagt: Ab morgen ist alles anders, mit Kontaktsperren und Geschäftsschließungen. Das tut schon weh. Weil man es eigentlich gewöhnt ist, dass man Wirtschaft fördert und nicht abwürgt.

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Halten Sie die Maßnahmen für angemessen?

Ja.

Glauben Sie, dass es notwendig sein wird, dass die Maßnahmen über den 20. April hinaus wirken?

Ich befürchte, dass wir am 20. April noch nicht in der Situation sein werden, die Dinge insgesamt zurückzufahren, auf das bekannte normale Handeln zurückzubringen. Das muss schrittweise gehen. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob Schulen dann wieder geöffnet werden können oder ein Teil des Schulbetriebes aufgenommen werden kann. Aber ich rechne damit, dass es das Ziel sein wird. Ansonsten bin ich für eine schrittweise Rücknahme der Maßnahmen, um zu schauen, welche Wirkung das auf die tatsächlichen Infektionszahlen in der darauffolgenden Woche hat.

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Wo würden Sie sich den ersten Schritt wünschen?

In den Schulen natürlich. Aber auch in einer Lockerung bei den Geschäften. Die wirtschaftliche Situation wird noch eine lange Zeit belastet sein. Wir müssen langsam schauen, dass wir wieder in einen normalen Wirtschaftsmodus zurückkommen. Aber heute steht die Gesundheit im Vordergrund. Wir müssen die Menschen schützen, teilweise vor sich, aber auch vor den anderen. Und deswegen bin ich froh, dass die Maßnahme der Regierung, nicht eine Ausgangssperre, sondern eine Kontaktsperre zu verhängen, ein weicheres Modell gewesen ist, das von fast allen sofort so angenommen wurde. Diejenigen, die das nicht getan haben, müssen das spüren. Und wenn sie sich partout nicht daran halten, müssen sie bezahlen. Das ist leider der notwendige Weg. Solche Nadelstiche zeigen aber auch, dass es ankommt. Das multipliziert sich sehr schnell in der Öffentlichkeit. Dann weiß man, dass es kein Spaß mehr ist, wenn man sich in Gruppen trifft. Ein Verstoß gegen die Corona-Schutzverordnung oder das Infektionsschutzgesetz mündet in einem Bußgeldverfahren oder in einem Strafverfahren.

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Wann werden Strafverfahren notwendig?

In dem Moment, in dem man das Infektionsschutzgesetz als Grundlage nehmen muss. Bei Verstößen, die der Corona-Schutzverordnung unterliegen – die Abstandsregelung, das Versammlungsverbot – folgen Bußgeldverfahren.

Wenn ich auf der Straße jemanden anspucke…

… ist das ein Vorsatz. Wenn ich mit vier Menschen über die Straße gehe, ist das ein Verstoß gegen die Corona-Schutzverordnung und mit einem Bußgeld zu ahnden. Es gibt eine einheitliche Auflistung und den einheitlichen Bußgeldkatalog in NRW. Für einen Jugendlichen, der sich in der Gruppe trifft, sind 200 Euro viel Geld. Ein Unternehmer, der beispielsweise eine Eisdiele betreibt, und sich nicht daran hält, die Ware verpackt rauszugeben, zahlt mindestens 1000 Euro. Ein Hörnchen, das man einem Kunden am Eisstand übergibt, ist ein Verstoß.

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Mit welchen Fragen kommen die Bürger auf Sie zu?

Darf ich meinen Sport ausüben in der Öffentlichkeit oder auf dem Sportplatz? In der Öffentlichkeit darf man das. Auf dem Sportplatz nicht, der ist gesperrt. Dann gab es Fragen zur Öffnung von Blumengeschäften. Fragen aus dem Geschäftsbereich. Die Fragen von Privatpersonen hielten sich in Grenzen.

Was halten Sie von Videobotschaften in sozialen Netzwerken?

Kann man machen, muss man aber nicht. Ich stand auch vor der Frage, nachdem einige Bürgermeisterkollegen sich an die Bürgerinnen und Bürger ihrer Stadt gewandt haben. Das finde ich für uns ein wenig drüber. Ich habe meine Statements schriftlich abgegeben in den sozialen Netzwerken und in den Presseorganen. Ich denke, die Wirkung war auch in Ordnung.