Kamp-Lintfort. Während 30 Rechte eine Kundgebung mit wenig Publikum abhalten, setzen sich unweit davon 700 für die Demokratie ein. Eine Aussage macht betroffen.
In Kamp-Lintfort haben am Samstag 700 Menschen auf dem Prinzenplatz für Frieden und Demokratie demonstriert. Die SPD-Fraktion hatte gemeinsam mit anderen Parteien, Institutionen und Bürgern aufgerufen, um sich der Kundgebung der Partei „Die Rechte“ entgegenzustellen. Nur wenige Meter vom Prinzenplatz entfernt hielten die Rechten in der Fußgängerzone eine Kundgebung ab, um so gegen einen Waffenschein für Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt zu demonstrieren.
Landscheidt hatte den Waffenschein beantragt, um sich in besonderen Situationen gegen Angriffe schützen zu können. Der Kamp-Lintforter Politiker war vergangenes Jahr ins Visier der Rechten geraten, weil die Stadt Wahlplakate der Partei mit israelfeindlichen Parolen abgenommen hatte. Das kritisierte deren Sprecher auch am Samstag. Insgesamt waren nach Polizeiangaben 30 Anhänger der Partei nach Kamp-Lintfort gekommen. Deren Kundgebung war nach rund 40 Minuten beendet und fand wenig Beachtung. Am Ende gab es ein Wortgefecht.
Dutzende Polizistinnen und Polizisten sicherten beide Demonstrationen. Die direkte Verbindung zwischen Prinzenplatz und Fußgängerzone war durch zwei Mannschaftswagen verengt, um die beiden Gruppen zu trennen. Andere Wege vom Prinzenplatz in die Fußgängerzone waren ebenfalls stark gesichert, teilweise wurden Passanten kontrolliert.
Auf dem Prinzenplatz versammelten sich bereits ab mittags immer mehr Menschen vor einer großen Bühne. Bürgermeister Christoph Landscheidt war nicht gekommen, auf Anraten der Polizei, wie der SPD-Landtagsabgeordnete René Schneider sagte. Schneider stand zusammen mit vielen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft auf der Bühne, darunter Landrat Ansgar Müller.
Schneider: „Viele kennen Bürgermeister Christoph Landscheidt als rationalen und besonnenen Menschen. Wie groß muss die Gefahrenlage sein? Wieviel Angst müssen wir haben? Wir stellen uns quer und lassen diese Angst nicht zu.“
Die Bundestagsabgeordnete Sabine Weiss sagte: „Wir stehen hier als Christdemokraten, aber stellvertretend für alle Demokraten, die sich gegen Hetze auflehnen. Wir werden nicht weichen!“ Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Simon Lisken: „Demokratie ist nicht selbstverständlich, das hat die Geschichte gezeigt. Wir sind mehr – und wir sind besser.“ Zu den Rednern gehört auch der SPD-Landtagsabgeordnete Ibrahim Yetim. Er sagte unter dem Beifall der Menge: „Wir müssen miteinander gegen die braune Brühe kämpfen.“
Pastoralreferentin Stephanie Dormann (St. Josef) sang auf der Bühne ein Lied, das sie eigens komponiert hatte und sagte: „Ich hatte mir diesen Tag eigentlich anders vorgestellt. Aber manchmal muss man für die Demokratie auch NICHT putzen.“ Silvia Joos, die in Hoerstgen neben dem stadtbekannten Rechtsextremisten Kevin G. wohnte, berichtete auf dem Podium von Bedrohungen und Einschüchterungen und bekannte, dass sie sich oft hilflos und ebenfalls gefährdet fühle. Sie bat als letzte Rednerin auf dem Podium auch um Solidarität für die Hoerstgener: „Wir brauchen keinen braunen Stadtteil in Kamp-Lintfort. Wenn dort wieder Nazis kommen und feiern – dann kommen Sie bitte und zeigen: wir sind mehr!“
Die Menschen auf dem Prinzenplatz in Kamp-Lintfort spendeten viel Beifall für die Reden auf der Bühne. Aber auch im Publikum gab es klare Meinungen. Helga von Heesen (75): „Man kann nicht immer so tun, als ob einen das nichts angeht. Und wie heißt es so schön: Wehret den Anfängen!“ Anja Schroeder (63): „Eigentlich bin ich eine ganz normale Hausfrau. Aber man kann ja nicht immer auf dem Sofa sitzen bleiben. Man muss auch mal was tun.“ Und ein 18-jähriger, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte: „Ich bin hier, um unserem Bürgermeister beizustehen.“
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Wie die Polizei mitteilte, sind beide Versammlungen friedlich verlaufen. Polizeiführer Rüdiger Kunst war mit dem Einsatzverlauf zufrieden: „Unser Einsatzkonzept ist aufgegangen, die Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger hielten sich in Grenzen. Die hohen Rechtsgüter Meinungs- und Versammlungsfreiheit konnten heute wahrgenommen werden.“