Neukirchen-Vluyn. Karin Keesen ist seit kurzem Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes. Im NRZ-Interview spricht sie von ihrer Motivation und Dingen, die zu lösen sind.

Karin Keesen ist seit kurzem die neue Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes. Sie ist 53 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seit 1992 lebt Keesen in Neukirchen-Vluyn. NRZ-Redakteurin Sonja Volkmann hat mit ihr über die Aufgaben und Herausforderungen gesprochen.

Sie haben jetzt eines der wichtigsten Ämter in der CDU. Haben Sie sich in der Vergangenheit bereits gesellschaftspolitisch engagiert?

Als ich hierher gezogen bin, war ich noch in Vollzeit berufstätig. Dann kamen die Kinder und ich habe mich im Rahmen ihrer Entwicklung ehrenamtlich miteingebracht. Politisch war ich in dieser Zeit nicht aktiv. Ich hatte aber ein sehr politisches Elternhaus, bei uns wurde immer viel diskutiert. Meine Eltern waren CDU-nah eingestellt, mein Vater war früher politisch aktiv. Ich war politisch interessiert.

Im vergangenen Jahr sind Sie zunächst sachkundige Bürgerin geworden. Jetzt CDU-Stadtverbandsvorsitzende. Warum?

Mir wurde bekannt, dass die Stelle neu besetzt werden muss. Bernd Hucklenbroich (früherer Vorsitzender, Anm. d Red.) hatte mich angesprochen, wie haben uns ausgetauscht. Mir war bekannt, dass er nicht noch einmal antreten wird. Dann ist der Gedanke langsam gewachsen. Ich habe abgewogen, die Rolle als Vorsitzende bedeutet viel Verantwortung, ich hingegen bin politischer Neuling. Wir haben zudem ein Wahljahr vor uns mit Bürgermeister- und Kommunalwahlkampf. Das ist schon sehr viel, was auf den Stadtverband an grundlegender Arbeit zukommt.

Was hat letztlich den Ausschlag für die Zusage gegeben?

Mit Beginn meiner politischen Tätigkeit habe ich gemerkt, dass mich diese sehr interessiert, mich motiviert und ich gern mitgestalte. Damit das alles funktioniert, muss es gut vorbereitet werden, man muss sich überlegen, wer die Aufgabe übernehmen wird, und es stand kein anderer im Raum. Dann habe ich mich gefragt, ob ich mir das zutraue. Mir ist es wichtig, dass es vernünftig läuft. Irgendwann hat es bei mir Klick gemacht. Das braucht allerdings Zeit, ich bin niemand, der hopplahopp entscheidet. Mit der Erfahrung meiner erfahrenen Mitstreiter und dem Austausch mit den Aktiven sehe ich, dass es gut funktioniert.

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Es heißt, Sie wollen festgefahrene Strukturen hinterfragen. Ist die CDU in Neukirchen-Vluyn festgefahren? Und wenn ja, wo?

Wenn eine Partei schon so lange existiert wie die CDU in Neukirchen-Vluyn, gibt es natürlich Verfahrensweisen, die immer schon so waren. Wenn man sich überlegt, mehr Frauen und jüngere Leute in die Politik zu bringen, muss man gewiss auch bestehende Strukturen und Verfahrensweisen neu denken. In Hinblick auf neue Medien ist etwas zu tun. Insofern gibt es verschiedene Ansatzpunkte, wo wir neue Wege gehen werden, um auch für die Zukunft noch interessant zu sein.

Wie wichtig sind Ihnen die neuen Medien?

Es gehört heute dazu. Ich gehöre nicht zur Generation derer, die das tagtäglich bespielen, wie das jüngere Menschen tun. Man darf es aber nicht ignorieren, insofern sollte man präsent sein. Aber in sozialen Netzwerken anonym politisch zu diskutieren, finde ich immer schwierig und gefährlich. Ich bin auf jeden Fall für eine offene Diskussionskultur - aber gerne von Gesicht zu Gesicht. Man kann seine Position darstellen. Aber man muss sich genau überlegen, wie man damit umgeht. Wenn man sich ansieht, welcher Redeschwall und welche Argumentationen bei Facebook aufkommen, ist es nicht immer nachvollziehbar, was geäußert wird. Es läuft ganz schnell in vielerlei Hinsicht in die falsche Richtung. Und die Beschuldigten bekommen das oft nicht mit. Wenn man so etwas bespielen will, muss man eigentlich immer das Handy zur Hand haben, um auch reagieren zu können.

Haben Sie die Reaktionen nach dem Rezo-Video überrascht? Da sah die CDU nicht gut aus.

Dass eine Reaktion kam, war ganz klar, und dass es einen Einfluss auf den Wahlausgang haben wird. Die CDU hat nicht zeitgemäß reagiert, ich hätte mir einen anderen Umgang damit gewünscht.

Was treibt Sie politisch an?

Man sieht Dinge, die in der eigenen Stadt passieren und fragt sich, warum nicht anders entschieden worden ist. Viele kritisieren die Umstände, aber man kann nur wirklich etwas verändern, wenn man sich zu Wort meldet, und man kann dadurch, dass man politisch aktiv wird, mitgestalten. Es gab auch in unserer Stadt Dinge, die ich nicht habe nachvollziehen können, und das hat bei mir einen Punkt ausgelöst. Ich wohne im Außenbereich und habe in der Zeitung immer gelesen, was sich in der Stadt entwickelt. Aber mir war wichtig, dass man die Außenbereiche nicht aus dem Blick lässt. Gerade die sozialen Anlaufpunkte, es werden immer weniger, früher gab es etwa viel mehr Kneipen hier. Man muss etwas bieten, um den Menschen ein soziales Miteinander zu ermöglichen. Das war ein Antrieb. Gut bei uns finde ich: Die CDU ist schon verjüngt, in anderen Städten sieht das noch anders aus. Das ist eine Chance, die Entwicklung in diese Richtung weiterzutreiben, frischen Wind mit reinzubringen und mehr Frauen einzubinden, um die Dinge mit einem anderen Fokus zu sehen.

Einer Ihrer Stellvertreter, Jonas Kuhn, ist 23. Wie gut können Sie mit ihm reden?

Ich habe einen Sohn, der 24 Jahre alt ist. Mit dem kommuniziere ich permanent. Für mich ist der Umgang mit jungen Menschen sehr bereichernd. Ich käme mit meinem Handy nicht klar, wenn meine Kinder mir nicht vermittelt hätten, wo es bei mir hakt. Ich genieße es immer, wenn meine Kinder zu Besuch sind, und wir uns über gesellschaftliche Entwicklungen unterhalten. Meine Kinder spiegeln mir auch wider, wenn ich falsche Entscheidungen treffe, oder sie meinen, mein Verhalten wäre nicht angebracht. Ich bekomme über sie mit, was die Jugend denkt. Deswegen finde ich es toll, dass Jonas gewählt worden ist. Nur so können wir diese Ansätze in unsere Arbeit einfließen lassen.

Was halten Sie vom Klimanotstand? Ein wichtiges Thema für die jungen Leute.

Ich finde es toll, dass sich die Jugendlichen damit auseinandersetzen. Ich habe lange Zeit gedacht, sie sind komfortabel und behütet aufgewachsen, weil es uns allen finanziell besser geht. Wirtschaftlich sieht es in Deutschland gut aus. Man darf natürlich nicht aus dem Blick verlieren, dass es viel Armut gibt, auch unter Kindern. Das Bewusstsein für die Umwelt war in den vergangenen Jahren nicht immer so präsent bei den Kindern und Jugendlichen. Insofern ist die Entwicklung sehr wichtig. Wir bekommen vor Augen geführt, dass unser Klima nicht gesund ist. In Neukirchen-Vluyn setzt man sich schon lange damit auseinander. Dass jetzt der Klimanotstand ausgerufen wurde, ist für mich persönlich und für die CDU reine Symbolpolitik. An dem Begriff festzuhalten, bringt uns nicht weiter. Ich fand es schade, dass man nicht versucht hat, einen gemeinsamen Weg zu finden. Was hat ein Notstand für Konsequenzen für unsere Stadt? Es wurde ja gefordert, dass große Investitionen in Hinblick auf das Klima notwendig sein werden.

Die Position der CDU ist klar. Führt das gleichwohl dazu, dass sie diese zum Beispiel mit Blick auf den Bahnanschluss überdenkt?

Die Position ist klar: Wenn das machbar und wirtschaftlich ist, stellen wir uns nicht dagegen. Das war immer unsere Position. Wir haben zwischendurch einen anderen Antrag gestellt, weil sich lange nichts tat. Wir müssen jetzt erst die Entwicklung abwarten.

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Wo sehen Sie die dringlichsten Probleme?

Wenn ich aufs vergangene Jahr zurückblicke, denke ich an das Thema Müll. Das müsste besser in den Griff zu bekommen sein. Da sind aber schon einige Dinge auf den Weg gebracht. Es gibt ein paar Knackpunkte, bei denen wir nicht immer den Einfluss haben. Da ist das Hochhaus, das wir auf einem guten Weg sehen, wenn es sich weiter so entwickelt, wie es sich jetzt ankündigt. Wir müssen eine gute Entscheidung für die Entwicklung der Südfläche von Dickscher Heide treffen. Wichtig ist außerdem, dass die Stadtteilzentren gestärkt sind.

Was müsste man tun?

Im Nachgang zur Erneuerung der Hochstraße ist im Dorf Neukirchen einiges in Gang gesetzt. Das Projekt ist noch nicht zu Ende. Da bedarf es aber auch dem Mitwirken der Anwohner, dass die Belebung weiter vorangetrieben wird. Die Entscheidungen sollten so sein, dass sich die Menschen im Umfeld wohl fühlen. Es ist schwierig zu erreichen, weil es des Zusammenspiels aller bedarf. Der Vluyner Platz entwickelt sich sehr positiv, das soll auch so bleiben. Wenn wir andere Entscheidungen treffen, habe ich etwas Sorge, dass es nicht selbstverständlich ist, dass die Annahme des Umfeldes so bleibt.

Sie meinen, dass der soziale Bereich leidet?

Es ist immer wichtig, in einer Stadt wie unserer den Fokus auf allen Stadtteilzentren zu haben. Man darf sich bei Entscheidungen nicht ausschließlich auf einen Bereich fokussieren. Unsere Stadt ist dabei, zusammenzuwachsen. Aber das heißt nicht, dass alles zentriert werden soll. In jeder Region, auch den Außenbereichen, identifizieren sich die Menschen mit ihrem Umfeld. Für sie ist es wichtig, dass sie auch ein Miteinander leben können.

Ich würde gern zurückkommen auf Ihre Aussage, mehr Frauen einzubinden. Könnten Sie sich vorstellen, perspektivisch für die CDU als Bürgermeisterkandidatin anzutreten?

Ich bin jetzt seit drei Wochen im Amt. So weit sind meine Gedanken gar nicht. Ich arbeite sach- und problemorientiert. Für mich ist jetzt das nächste, was ansteht, die programmatische Aufstellung der Partei und ich möchte mich erst einmal dort verankern und mit den Mitgliedern den Austausch pflegen, bevor ich irgendwelche weiteren Planungen habe. In diese Richtung gehen meine Gedanken derzeit überhaupt nicht.