Kamp-Lintfort/Moers. Einer für alle? Die Kassenärztliche Vereinigung will einen zentralen hausärztlichen Notdienst in Moers an bieten. Falsch, sagt der Bürgermeister.
Der Bürgermeister von Kamp-Lintfort, Christoph Landscheidt, sorgt sich um die Gesundheit seiner Bürger. Hintergrund ist die Entscheidung der Kreisstelle Wesel der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, zum 1. April nächsten Jahres den hausärztlichen Notdienst in Kamp-Lintfort einzustellen, und als Anlaufstelle für Bewohner aus Moers, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg und Alpen nur noch die Notfallpraxis in Moers vorzusehen. Am Freitag ging Landscheidt mit einer Pressemitteilung zu diesem Thema in die Offensive.
Bürgermeister hält die Pläne für falsch
Der Bürgermeister befürchtet eine Verschlechterung der ärztlichen Versorgung in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen. „Eine Stadt mit 40.000 Einwohnern ohne eigenen ärztlichen Notdienst vor
Ort ist für uns nicht vorstellbar. Wir halten die Planungen der Kassenärztlichen Vereinigung für falsch“, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem Rathaus. Besonders betroffen seien aus Sicht Landscheidts betagte und nicht mobile Patienten. Da sei es fraglich, ob der Notdienst sie in angemessener Zeit zu Hause besuchen kann. In Moers tun aktuell immer ein „sitzender“ und ein „fahrender“ Arzt Dienst.
Es sei auch zu befürchten, dass durch diese Zentralisierung die Notaufnahmen der Krankenhäuser noch mehr belastet würden, weil Patienten erst gar nicht den ärztlichen Notdienst aufsuchen, sondern direkt in die Notaufnahmen der Krankenhäuser gehen.
Die Notaufnahme des St. Bernhard-Hospitals sei schon jetzt am Limit, weil viele Menschen auch mit leichten Erkrankungen dorthin kämen, wird Dr. Ralf Dittmer, Leitender Arzt der Notaufnahme, zitiert. Schon jetzt sehe er die medizinische Versorgung von Patienten mit schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Verletzungen dadurch beeinträchtigt.
Wer eine aufwendige Behandlung braucht, wird – zack – weitergeleitet
Als Lösung schlägt Landscheidt vor, eine Notfallpraxis nach dem Moerser Modell am St. Bernhard-Hospital anzudocken: ein fester Standort (in Moers ist das nahe des Bethanien-Krankhauses), an dem Hausärzte wechselnd ihren Notdienst absolvieren.
Josef Lübbers, Geschäftsführer des St. Bernhard-Hospitals, sieht darin viele Vorteile: Nach wie vor kurze Wege für die Kamp-Lintforter. Ausreichend Räume stünden zur Verfügung. „Wenn jemand zum Notdienst kommt und dringende, aufwendigere Behandlung braucht, kann er – zack – zu uns weitergeleitet werden“, sagt er im Gespräch mit der NRZ. Die Dienste zu zentralisieren findet er an sich richtig: „Selbst ich müsste nach mancher Praxis in Kamp-Lintfort suchen. So aber gibt es immer nur den einen, gleichen Weg.“ Aber gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung seien kurze Wege wichtig, findet er.
Der Zentralisierung steht nichts mehr im Wege
Dr. Michael Weyer, Vorsitzender der Kreisstelle Wesel der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), bestätigt, dass die Verlagerung des Kamp-Lintforter Notdienstes so vorgesehen sei und dem nichts mehr im Wege stünde. „Wir haben das auch initiiert.“
Das Bethanien-Krankenhaus als Vermieter der Moerser Räume habe schon zugesagt, den Wartebereich zu verdreifachen. Als Grund für die Zentralisierung nennt er im Gespräch mit der Redaktion: „Ein Drittel der Patienten in Moers stammt jetzt schon aus Kamp-Lintfort, weil in Moers eben immer jemand da ist und man nicht auf die Kernsprechstunden warten muss .“
In der Moerser Praxis sieht die KV Luft nach oben
Auf die Frage, ob weite Wege im Sinne der KV seien, antwortet er pointiert: „Ja.“ Weil es eben schon jetzt schwer sei, in ländlichen Regionen überhaupt einen Notdienst zu organisieren. „Viele Kollegen wehren sich, häufig Wochenend- und Feiertagsdienste zu schieben. Ich komme ja noch aus einer anderen Zeit, aber die jungen Kollegen legen Wert auf Familie. Da hat sich viel geändert.“
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Im Falle einer zweiten Notfallpraxis in Kamp-Lintfort bedeutete das, dass eben entsprechend mehr diensthabende Ärzte gefunden werden müssten. Daraus sei eben der Versuch entstanden, alles zu zentralisieren und trotzdem ein vernünftiges Angebot machen zu können. „Wir müssen natürlich im Laufe der Zeit überprüfen, ob das mit der aktuellen Zweier-Besetzung zu leisten ist, nicht zuletzt wegen der Entfernungen für den fahrenden Arzt.“ Er gibt zu, dass – sollte sich heraus stellen, die Moerser Praxis müsste permanent doppelt besetzt werden – nichts gewonnen wäre. Zur Auslastung der Moerser Praxis sagt Weyer: „Mal mehr, mal weniger. An einem Tag wie letzten Rosenmontag mit 137 Fällen, kommen die Kollegen an ihre Grenzen, sicher. Aber wenn wir nicht die Luft sähen, dann hätten wir es nicht so entscheiden dürfen. Dass jemand während der Wartezeit Schaden erleidet, das darf auf keinen Fall passieren.“