Moers. . NRW hat ein Problem mit illegalen Autorennen: Kürzlich starb dabei in Moers eine unbeteiligte Frau. Ein Psychiater erklärt die Logik der Raser.

Der 21-jährige Kushtrim H., der nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft bei einem mutmaßlichen Autorennen in Meerbeck die 43-jährige Sema S. tötete, hat niemals einen Führerschein gemacht. Bei dem Fahrzeug, mit dem er den Kleinwagen der Moerserin rammte, handelt es sich um einen über 600 PS starken AMG-Mercedes. Wir haben mit Dr. Andreas Horn, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Neurologie, über die Motivation von Rasern gesprochen.

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Zunächst einmal stelle sich die Frage, ob man dieses Thema überhaupt aus psychiatrischer Sicht betrachten solle, so Andreas Horn. Wenn ja, stelle sich die Frage nach der Verantwortung. „Rein rational ist sich ein Raser der Gefahren bewusst, daher bleibt die Verantwortung bei ihm“, erklärt der Psychiater. Als Facharzt benennt er das für ihn zentrale Thema: Es gebe eine Zunahme von antisozialen Persönlichkeitsstilen, deren Merkmale ausgesprochene Gefühlskälte und absoluter Empathiemangel gegenüber anderen Menschen seien.

Fachmann: Moralischer Grundkonsens zerfällt

Durch sehr geringe Frustrationstoleranz, Reizbarkeit und niedrige Hemmschwellen entstehe ein Muster für die Verachtung der Rechte anderer Menschen, so der Psychiater. Der 21-jährige, der wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft sitzt, hat trotz einiger Vorstrafen offenbar nie auch nur kurzfristig hinter Gittern gesessen. Prinzipiell, so Dr. Horn, müsse sich der Staat fragen, ob es Sinn ergebe, „früher zu bestrafen“.

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Dem Facharzt bereiten die gesellschaftlichen Entwicklungen Sorgen. Ein moralischer Grundkonsens, der früher gegolten habe, zerfalle heute. Die Gesellschaft organisiere sich zunehmend in Gruppen oder Untergruppen, die eigene Wertvorstellungen entwickelten. Andreas Horn: „Da ist leider ein Trend festzustellen.“ Was das Risikoverhalten von Rasern angeht, so sei klar, dass diese „ein Stück weit mit dem eigenen Leben spielen“, so der Psychiater, aber bei ihnen gelte: Der Kick sei wertvoller als das Risiko, das man bei solchen Rennen eingehe.

Bei Mord: Freilassung frühestens nach 15 Jahren

Hat Kushtrim H. diesen Kick gesucht, waren ihm Gesundheit und Leben anderer gleichgültig? Der mehrfach Vorbestrafte hat nach Überzeugung des ermittelnden Staatsanwalts Sebastian Noé mit dem neuwertigen, über 600 PS starken und rund 120.000 Euro teuren Mercedes beim Rennen mit einem Range Rover auf der Bismarckstraße einen Menschen getötet. Der Haftbefehl lautet auf Mord.

Mord wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft; eine Freilassung ist frühestens nach 15 Jahren möglich. Sollte eine Verurteilung wegen eines verbotenen Autorennens erfolgen, bei dem ein Mensch getötet wurde, so liegt der Strafrahmen bei bis zu zehn Jahren.