Kreis Wesel. Die Baubranche im Kreis Wesel ist weiterhin im Krisenmodus, jetzt kommt die Tecklenburg-Insolvenz dazu. Was Banken und Handwerkerschaft fordern.

Die Gemütslage im Bausektor im Kreis Wesel ist weiterhin schlecht. Vor allem der Neubaubereich kam im vergangenen Jahr laut Banken, Unternehmen und Kreishandwerkerschaft nahezu zum Erliegen. Gleichzeitig mischen sich in die trübe Stimmung für 2024 einige Lichter der Hoffnung. Allerdings nur, wenn die Zinsen fallen und die Bundesregierung ihr Versprechen von Subventionen für die Baubranche einlöst. Darauf bauen sowohl Banken als auch Unternehmen und Kreishandwerkerschaft, wenn auch zögerlich.

Viele Empfänge hat Holger Benninghoff in diesen Tagen absolviert. Und der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wesel zeichnet ein ernüchterndes Bild: „Schwach“ sei die Stimmung allenthalben. Durch die hohe Inflation und hohe Zinsen sei die Bautätigkeit auf dem Neubausektor quasi komplett eingestellt worden. „Die Leute müssten mehr Geld ausgeben, tun es aber nicht“, so Bennighoff. Generell sei die Verunsicherung weiterhin groß.

Baubranche im Kreis Wesel in der Krise: Was Banken und Unternehmer fordern

Die Talsohle lasse sich nur mit Hilfe überwinden, sagen Benninghoff und der Obermeister der Baugewerks-Innung des Kreises Wesel, Gerhard Landwehrs. Die Zinsen müssten dringend wieder fallen. Derzeit liegen sie bei 3,5 Prozent. Um Investoren und privaten Bauherren aber wieder etwas Luft zu verschaffen und den ohnehin hohen Kostendruck zumindest etwas zu verringern, müsse der Kreditzins auf zwei Prozent gesenkt werden, so Gerhard Landwehrs, der genauso wie Holger Benninghoff und die Banken und Sparkassen im Kreis Wesel vor allem deutlich mehr Initiative von der Bundesregierung erwartet.

So sei das Steuerentlastungspaket für die Baubranche zwar angekündigt, aber noch immer nicht verabschiedet, sagt der Vorstandsvorsitzende der Niederrheinischen Sparkasse Rhein-Lippe (Nispa), Friedrich-Wilhelm Häfemeier. Was man aber brauche, sei Planungssicherheit. Die sei momentan nicht gegeben, so Häfemeier, der Bauen „fast nicht mehr wirtschaftlich“ nennt. Bei den momentanen Kosten und verschärften Bauvorschriften müssten die Neubaumieten bei 15 bis 16 Euro pro Quadratmeter liegen. Das könnten sich aber nur die wenigsten Menschen im Kreis Wesel noch leisten.

Die Insolvenz von Tecklenburg ist eine Katastrophe für den Niederrhein
Friedrich-Wilhelm Häfemeier - Vorstandsvorsitzender der Niederrheinischen Sparkasse Rhein-Lippe

„Ich sehe mit Sorge, wie der Baubereich dahin siecht“, sagt Häfemeier. Die Insolvenz des Bauunternehmens Tecklenburg etwa sei „eine Katastrophe für den Niederrhein“. Das Straelener Unternehmen stellte in der vergangenen Woche einen Insolvenzantrag. Wie es weitergeht, ist derzeit noch offen. Klar sei aber, so Häfemeier weiter, dass es so viele Unternehmen dieser Art nicht mehr gebe.

Die generelle Zurückhaltung beim Neubau spürt die Nispa auch bei den Krediten. So sei das Kreditvolumen in diesem Bereich um „weit mehr als 50 Prozent“ zurückgegangen, sagt der Vorstandsvorsitzende. Dennoch sei man in der Situation „recht stabil unterwegs“. So sei man bei Kundenkrediten für Bestandsimmobilien um zwei Prozent gewachsen.

Schwieriger Bausektor: Volksbank-Chef Lohmann nennt Bürokratie ein „dramatisches Ärgernis“

Auch die Sparkasse am Niederrhein hatte für das vergangene Jahr „ein kleines Wachstum zu verzeichnen“, wie Sparkassen-Vorstandsmitglied Bernd Zibell sagt. Dieses Wachstum sei aber ebenfalls aus dem Immobilienbestand entstanden und nicht aus Neubauvorhaben. Dort hätten Investoren und private Bauherren ihre Vorhaben weitgehend zurückgestellt. Ähnlich sieht es bei den Volksbanken im Kreis Wesel aus. Generell sei das Jahr 2023 gar nicht so schlecht gelaufen, so die Volksbank Rhein-Lippe. 550 Finanzierungen habe man begleitet, was zwar einen Rückgang um rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeute, aber damit habe man das Jahr „noch halbwegs glimpflich“ abgeschlossen. Eine Steigerung um vier Prozent des Netto-Kreditvolumens meldet die Volksbank Niederrhein für 2023, allerdings sei dies auch allein auf die Finanzierung für den Kauf und die Sanierung von Bestandsimmobilien zurückzuführen.

Fachkräftemangel könnte Situation verschärfen

Nispa-Vorstand Friedrich-Wilhelm Häfemeier sieht auch die Gefahr, dass immer mehr Fachkräfte die Baubranche verlassen, je länger die Durststrecke bei Neubauten anhält. Die Folgen seien dann ähnlich wie in der Gastronomie nach Corona: „Die Fachkräfte kommen einfach nicht mehr zurück.“ Wenn dann das Zinsniveau falle und das Interesse an Neubauten plötzlich wieder steige, „stößt dann eine hohe Nachfrage auf ein zu geringes Angebot“, fürchtet Häfemeier. Dabei brauche man dringend neuen Wohnraum.

Um die Baubranche wiedezubeleben, fordern die Banken vor allem eines: Verlässlichkeit in der Förderpolitik und einen Abbau der bürokratischen Hürden. Die Arbeit der Ampelregierung schätzen sie als viel zu zögerlich ein.

Eine so schlechte Stimmung bei den Unternehmen wie jetzt habe er in den letzten zehn Jahren nicht erlebt, sagt etwa Volksbank-Niederrhein-Vorstand Guido Lohmann. „Klare, strukturierte politische Rahmenbedingungen aus Berlin werden schmerzlich vermisst, viel Vertrauen ist durch ein ständiges Hin und Her bei Entscheidungen verlorengegangen und die mittlerweile unfassbare Bürokratie lähmt nicht nur und verhindert Investitionen, sondern sie ist ein mittlerweile dramatisches Ärgernis.“ Während Politiker „nahezu unisono“ in Sonntagsreden permanent von Bürokratieabbau redeten, machten sie es Unternehmen, Investoren und auch Banken mit ständig neuen Vorschriften immer schwerer, erfolgreich zu agieren, so Lohmann.

Sparkassen-Vorstand Bernd Zibell bemängelt vor allem einen politischen Schlingerkurs: „Wir brauchen gerade jetzt eine verlässliche Förderpolitik, die, wenn sie beispielsweise vergünstigte Förderprogramme für Familien auflegt, sie nicht kurzfristig wieder zurücknimmt. Wenn der Staat mit günstigeren Förderprogrammen eingreift, um das Bauen zu ermöglichen, dann sollte er es verlässlich tun.“

Gerade diese Verlässlichkeit erfordere aber auch den notwendigen Willen dazu, sagt Innungsobermeister Gerhard Landwehrs: „Wenn ich will, kann ich auch was in die richtige Richtung drücken“, sagt Landwehrs. „wie bei den E-Autos. Da war es politisch gewollt.“