Am Niederrhein. Dennoch zeigt die Bilanz für die Kreise Kleve und Wesel 2023: Die Zahl der Arbeitslosen stieg und der Fachkräftemangel drängt weiter
Überall werden Mitarbeiter gesucht, dennoch ist die Arbeitslosigkeit in den Kreisen Wesel und Kleve im vergangenen Jahr leicht angestiegen – aus den unterschiedlichsten Gründen, die die zuständige Agentur für Arbeit Wesel in ihrer Jahresbilanz anführt.
Da wäre eine schwächelnde Konjunktur durch hohe Inflation, Auswirkungen des Ukraine-Krieges, hohe Energiekosten und die zahlreichen Geflüchteten. Trotz alledem waren so viele Menschen in den beiden Kreisen sozialversicherungspflichtig beschäftigt wie nie: 251.700 standen demnach im vergangenen Jahr in Lohn und Brot. „Die Beschäftigung hätte noch höher ausfallen können, wenn ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung gestanden hätten“, sagt Barbara Ossyra, Vorsitzende der Geschäftsführung.
Kreis Wesel: Arbeitsmarkt 2023 in Zahlen
Im Kreis Wesel waren im Schnitt 16.623 Menschen arbeitslos gemeldet, 1639 mehr als 2022 (plus 10,9 Prozent).
Die Arbeitslosenquote lag bei 6,8 Prozent, 0,6 Prozentpunkte mehr als 2022.
Unter den 15- bis 25-Jährigen waren 1518 arbeitslos, 245 mehr als im Vorjahr
Im Dezember 2023 waren 866 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit erwerbslos, 41 weniger als im Dezember 2022.
33.774 Menschen meldeten sich im vergangenen Jahr arbeitslos, im Gegenzug meldeten sich 32.120 aus der Arbeitslosigkeit ab.
Hier ist eines der Hauptthemen am heimischen Arbeitsmarkt: Knapp 60 Prozent der Arbeitssuchenden haben keine Ausbildung, weitere 27 Prozent sind Fachkräfte, nur 4,7 Prozent Spezialisten und 4,2 Prozent gar Experten. Bei den gemeldeten Stellen ist das Verhältnis umgekehrt: Gesucht werden hauptsächlich Fachkräfte, es werden zudem mehr Spezialisten und Experten nachgefragt, als auf dem Markt sind. Knapp 22 Prozent der Stellenangebote richten sich an Ungelernte.
Arbeitssuchende und freie Stellen passen nicht zusammen
Angebot und Nachfrage zusammenzubringen, ist somit nach wie vor eine große Herausforderung für die Agentur. „Heute hört man wieder häufig: ‚Wer arbeiten will, findet auch Arbeit.‘ So einfach ist es aber nicht“, argumentiert Ossyra gegen zunehmende Vorurteile. Häufig sei ein längerer Weg in kleinen Schritten notwendig, um Menschen für die gefragten Qualifikationen fit zu machen, Arbeit trotz gesundheitlicher Einschränkungen zu finden, Ungelernte zu einem Abschluss zu motivieren. Für gesunde, qualifizierte Menschen sei es leicht, zu urteilen. „Ich würde mir manchmal ein bisschen mehr Verständnis gegenüber anderen wünschen“, so die Geschäftsführerin der Arbeitsagentur.
Kreis Kleve: Arbeitsmarkt 2023 in Zahlen
Im Kreis Kleve waren im Schnitt 9368 Menschen arbeitslos gemeldet, 1212 mehr als 2022 (plus 14,9 Prozent).
Die Arbeitslosenquote lag bei 5,6 Prozent, 0,7 Prozentpunkte mehr als 2022.
Unter den 15- bis 25-Jährigen waren 890 arbeitslos, 180 mehr als im Vorjahr
Im Dezember 2023 waren 929 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit erwerbslos, 43 mehr als im Dezember 2022.
17.089 Menschen meldeten sich im vergangenen Jahr arbeitslos, im Gegenzug meldeten sich 16.071 aus der Arbeitslosigkeit ab.
Personen, die erst kürzlich ihre Arbeit verloren haben, finden schneller eine Stelle als solche, die lange ohne Arbeit sind oder denen berufliche Kenntnisse fehlen. Die Agentur bietet verschiedene Möglichkeiten der Qualifizierung für Arbeitslose, aber auch in Betrieben, damit die Menschen ihre Arbeit behalten können.
Beim Thema Flüchtlinge bewegt sich etwas. So waren 2023 bereits 802 Ukrainerinnen und Ukrainer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ossyra rechnet damit, dass die Zahl weiter ansteigen wird, im Dezember gab es noch 1795 arbeitslos gemeldete Ukrainer. Viele von ihnen haben demnächst ihre Sprachkurse absolviert und können somit leichter Arbeit finden. Unter den Geflüchteten aus den stärksten Herkunftsländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien haben mit 3961 mehr Personen eine feste Arbeit als arbeitslos sind (3190). „Wir stellen fest, dass die Menschen ein eigenständiges Leben anstreben und arbeiten wollen“, sagt Ossyra.
Geburtenstarke Jahrgänge machen sich in der Statistik bemerkbar
Weitere Besonderheit des Arbeitsmarktes 2023: Die Zahl der Menschen, die älter als 50 und arbeitslos sind, steigt. Nicht etwa, weil die Unternehmen ältere Mitarbeitende entlassen, es liege einfach an der demografischen Entwicklung. Es gibt durch die geburtenstarken Jahrgänge mehr Menschen in diesem Alter, das schlägt sich auch in der Arbeitslosenstatistik nieder.
Nicht nur Erwerbslose benötigen die Hilfe der Arbeitsagentur, Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften, auch aus dem Ausland. Vor allem für kleinere Betriebe sei es häufig eine unüberwindliche Herausforderung, an sie zu kommen, denn die bürokratischen Hürden seien trotz einiger Erleichterungen groß. Hier unterstützt die Arbeitsagentur, denn „unsere Region ist geprägt von vielen kleineren Betrieben“, so Barbara Ossyra.
Mit Blick auf das gerade begonnene Jahr sieht die Arbeitsagentur den Arbeitsmarkt in den Kreisen Wesel und Kleve gut gerüstet. Allerdings müssten Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden qualifizieren und Arbeitssuchende, aber auch Berufstätige in lebenslanges Lernen investieren.