Kreis Wesel. Wie schnell die Bagger anrollen, hängt auch davon ab, wann die Klage gegen den Regionalplan eingereicht wird. Die Rechtsprüfung läuft.

Vordergründig wird nur gewartet. Im Hintergrund bereiten sich aber alle Seiten auf den Zeitpunkt vor, an dem der Regionalplan Ruhr Rechtskraft erlangt und damit den Startschuss für den Wettlauf um Kiesabbauflächen im Kreis Wesel gibt.

Mitte November hatte das Ruhrparlament im RVR den Plan bekanntlich mit großer Mehrheit auf den Weg gebracht, der kurz darauf zur Rechtsprüfung an das NRW-Wirtschaftsministerium gegangen war. Insgesamt drei Monate hat das Ministerium Zeit, um das Planwerk auf seine rechtliche Standfestigkeit zu prüfen. Mit der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW erlangt der Regionalplan endgültig Rechtskraft, und niemand zweifelt mehr ernsthaft daran, dass das Wirtschaftsministerium diesen Schritt vollzieht, die Frage ist lediglich, wann.

Kiesabbau im Kreis Wesel: Wie schnell rollen die Bagger an?

In Düsseldorf hält man sich bedeckt. „Die sorgfältige Rechtsprüfung des Regionalplans Ruhr erfolgt aktuell im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium unter Beteiligung aller inhaltlich betroffenen Ministerien beim Land und beim Bund. Wir gehen davon aus, dass diese Prüfung innerhalb der vorgegebenen Fristen abgeschlossen wird“, schreibt das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage. Unterdessen macht sich die Vermutung breit, dass das Ministerium die vollen drei Monate für die Rechtsprüfung überhaupt nicht ausreizt und schon früher den neuen Regionalplan verkündet.

Ab diesem Zeitpunkt beginnt das Wettrennen zwischen Kiesunternehmen, die versuchen werden, Zugriff auf die ausgewiesenen Abbauflächen zu bekommen, und dem Kreis Wesel sowie seinen sechs betroffenen Kommunen — Kamp-Lintfort, Rheinberg, Neukirchen-Vluyn, Alpen, Hünxe und Hamminkeln —, die einen erneuten Gang vor das Oberverwaltungsgericht Münster vorbereiten, um gegen die im Regionalplan verankerten Kiespläne zu klagen.

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Entscheidend dürfte sein, wann die Klage beim OVG eingereicht wird und wann das Gericht sie zulässt. Sobald der Regionalplan Rechtskraft erlangt, haben Kreis und Kommunen ein Jahr Zeit. Landrat und Bürgermeister sind aber entschlossen, die Zeitspanne zwischen Rechtskraft des Regionalplans und Klageeinreichung so kurz wie möglich zu halten. „Wir werden in der Lage sein, zeitnah nach der Feststellung des Regionalplans durch das Ministerium Klage einzureichen“, sagt Landrat Ingo Brohl auf Nachfrage.

Der Zeitfaktor hat eine besondere Qualität. Die erste Klage vor dem OVG hat bereits gezeigt, wie lange es bei Gericht dauern kann. Bei dem Normenkontrollverfahren, das der Kreis und vier Kommunen gemeinsam mit dem Kreis Viersen gegen den Landesentwicklungsplan angestrengt hatten, vergingen zwischen Einreichung und Verhandlungstermin knapp drei Jahre.

In dieser Zeit könnten sich Kiesunternehmen Flächen sichern und Anträge auf Abgrabung beim Kreis Wesel stellen, der in der bizarren Situation wäre, einen Regionalplan anwenden zu müssen, den er selbst beklagt. Stehen keinerlei rechtliche Hürden entgegen, wäre der Kreis praktisch gezwungen, Abgrabungsanträge durchzuwinken, die er eigentlich entschieden ablehnt.

Rohstoffabgabe auf Kies und Sand kommt vorerst nicht

Für den Kreis Weseler SPD-Landtagsabgeordneten René Schneider spielt deshalb der Begleitantrag eine große Rolle, den die Verbandsversammlung im vergangenen November gemeinsam mit dem Regionalplan verabschiedet hat. Demnach soll es einen verbindlichen Austausch zwischen RVR, Kommunen, Kreis Wesel und Rohstoffunternehmen über die Nachnutzung abgeschlossener Abbauflächen geben.

Ich kann allen, auch in meiner Partei, nur empfehlen, sich an Parteitagsbeschlüsse zu halten.
Ingo Brohl - zum Widerstand, der innerhalb der CDU gegen die Rohstoffabgabe besteht

Nur darüber könne man möglicherweise noch eine Art Steuerung erreichen, so Schneider. Zumal ein Steuerungsmechanismus nun doch nicht kommt – zumindest vorerst nicht: Die Rohstoffabgabe, besser bekannt als Kies-Euro, wollte Schwarz-Grün laut Koalitionsvertrag ursprünglich am 1. Januar 2024 einführen. Der Zeitplan ist aber schon länger nicht mehr zu halten, weil sich die Regierungsparteien nicht auf einen Modus einigen konnten und vor allem in der CDU der grundsätzliche Widerstand gegen eine Abgabe zu wachsen scheint.

Ob der sogenannte Kies-Euro damit endgültig begraben ist, will René Schneider nicht bewerten. „So oder so: 2024 wird das Jahr der Entscheidungen“, sagt Schneider. Der Landrat hat eine klare Haltung dazu, wie die Entscheidung in seiner Partei ausfallen sollte: „Der Koalitionsvertrag ist bei nur vier Gegenstimmen auf einem CDU-Parteitag verabschiedet worden. Meine Erwartung ist, dass das, was vereinbart ist, und dazu gehört auch die Rohstoffabgabe, auch umgesetzt wird“, so Ingo Brohl. „Ich kann allen, auch in meiner Partei, nur empfehlen, sich an Parteitagsbeschlüsse zu halten.“